Melancholia ~ Lars von Trier [Kritik]

Diego de la Vega

Not Yet Rated
Die Leitung des Filmfestivals in Cannes hat Lars von Trier übrigens jetzt zur unerwünschten Person erklärt. Klick

Sein Film bleibt allerdings im Wettbewerb.
 

Mr.Anderson

Kleriker
Ich habe mir den Mitschnitt der Pressekonferenz angesehen. Von Trier hat über eine halbe Stunde Fragen zum Film beantwortet und wurde dann kurz vor Schluss gefragt, was er zu seinen deutschen Wurzeln zu sagen hätte. Van Trier fand meiner Meinung nach die Frage dumm, weil ihm klar war, worauf die Reporterin hinauswollte. Ich glaube er wollte sie ein wenig verarschen. Er hat eingangs gesagt, dass er immer dachte er wäre Jude und plötzlich stellt sich heraus er ist in Wahrheit ein Nazi. "Ja, ich bin ein Nazi!", war auch eine seiner Aussagen. Er hat dann auch mittendrin lachend gefragt: "Wie komme ich hier wieder raus?" Dann hat er noch gesagt, dass er Speer auch gut findet und teilweise bewundert.

Meiner Meinung nach ist die Aussage nicht ernst zu nehmen. Er war einfach nur genervt weil die Reporterin so etwas von ihm hören wollte, denke ich.
 

Joel.Barish

dank AF
Original von The Walking Dad
[...] Und jetzt stellt euch mal vor, unser Freund Dr. Boll hätte diese Sätze in einem Interview fallen lassen. Nicht auszudenken, was hier los wäre und wie die Geier sich auf ihn stürzen würden.
Dafür, dass dieser Film eigentlich kaum fünf Leutchen (Ja, Übertreibung) im Forum interessiert, schlägt das ja schon seine Wellen.

Lars von Trier gibt häufiger dumme Sachen von sich. Mal bewusst zur Provokation, mal aus bösem Humor und mal aus Unachtsamkeit. Ich kann mir vorstellen, dass hier alles zusammen kommt. Er als Person hat ein Image zu erfüllen, allerdings geht die Verbannung sicherlich über das hinaus, was geplant war - wenn es geplant war. Der Spruch an sich klingt natürlich reichlich blöde, aber so ohne Kontext in einer solchen Situation klingt nahezu zu alles, was man irgendwie rund um Hitler von sich gibt blöde. Will Smith hat auch mal gesagt, er glaube nicht, dass Hitler wirklich ein böser Mensch war. Lars von Trier mag nicht der toleranteste Mensch der Welt sein, ist aber auch sicherlich kein Nazi. Er macht sich in der Aussage ja auch über sich selbst lustig. Und letztendlich zählt für mich erstmal nur der Film und auf den freue ich mich weiterhin.

@Tyler
Du solltest dir Manderlay noch mal anschauen. Wie so oft bei kontroversen Themen: Nicht der Film ist rassistisch, sondern das behandelte Thema ist Rassismus (und Sklaverei). Dass dabei auch naives Gutmenschentum des weißen Mannes kritisiert bzw. bloßgestellt wird, wird in der sonstigen Behandlung dieses Themas eben meist veschwiegen.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Original von Joel.Barish
@Tyler
Du solltest dir Manderlay noch mal anschauen. Wie so oft bei kontroversen Themen: Nicht der Film ist rassistisch, sondern das behandelte Thema ist Rassismus (und Sklaverei). Dass dabei auch naives Gutmenschentum des weißen Mannes kritisiert bzw. bloßgestellt wird, wird in der sonstigen Behandlung dieses Themas eben meist veschwiegen.
Mir ist schon klar, dass das Thema Rassismus ist. Aber die Aussage vn Trier ist doch höhst fragwürdig, findenst du nicht auch? Er sagt in Manderlay praktisch, dass die Schwarzen unfähig sind, für sich selbst zu sorgen, und dass sie immer einen weißen Masta brauchen. Versteh mich nicht falsch, ich mag den Film. Ich finde nur, wie gesagt, die Aussage etwas fragwürdig. :wink:
 

Joel.Barish

dank AF
Und ich glaube, dass die Aussage nicht ganz so leicht und nicht ganz so eindeutig ist. Es sind domestizierte Sklaven, die sich - auf verschiedene Weisen und aus verschiedensten Gründen - arrangiert haben, mit ihrem Unterklassensystem innerhalb eines repressiven System. Für Genaueres müsste ich den Film auch noch mal auffrischen.
 

frost

segmentation fault
naja es gibt eben aussagen bzw. aktionen die kann man einfach nicht bringen. soll man von trier ne freikarte für sowas geben? so nach dem motto, der freak darf das. der macht ja auch so verrückte filme. finde das mit dem rauswurf nicht so schlecht ... vllt. checkt er dann ma was er für privilegien hat.
 

Presko

Don Quijote des Forums
Ne, also das finde ich wirklich übertrieben. Was er sagte, war nicht schlimm. Teilweise ungeschickt, aber nicht schlimm. Wieso ist es so schlimm, Hitler als Menschen zu betrachten. Das war ja damals beim "Untergang" so ein Thema. Man hätte Hitler zu "menschlich" dargestellt. Er war nun mal ein Mensch. Sicherlich waren die Aussagen von Trier nicht durchdacht und waren teils zu offen für negative Interpretationen, aber ihn deswegen zum Staatsfeind zu erklären, finde ich nun wirklich daneben.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Alles totaler Quatsch, und albern von der Cannes Orga. Albern, dass man dem Film im Rennen behält, Von Trier bei Preisgewinn aber nichts entgegen nehmen, nichtmal anwesend sein dürfte.

:facepalm:

Aber Polanski einladen, vergöttern und verteidigen, das geht.

Dass man das immer alles gleich so ernst nehmen muss. Im Zusammenhang ist doch klar, wie ernst das gemeint war. Er hat sich nicht als Nazi geoutet und hanebüchnenen Ideologien als toll propagiert, auch wenn zig Schmierblätter jetzt tun, als wäre genau das passiert.
 

frost

segmentation fault
das mit polanski ist trotzdem etwas anderes... die wollen halt einfach nicht das so ein bullshit, wenn auch im spaß, dort gelabert wird. nenn es halt etikette wenn du willst. es gehört sich einfach nicht.
 

McKenzie

Unchained
Wie sich Kirsten Dust fremdschämt, während er sich in diesen Blödsinn verrennt...schaut drein, als würde sie ihn die ganze Zeit unter dem Tisch treten wollen, damit er aufhört. Und recht hat sie.
 

Joel.Barish

dank AF
Und von Triers Verhalten ist auch relativ offensichtlich. Da kommt diese blöde Frage zu seiner Herkunft und plötzlich merkt er, dass er damit sein Image als Provokateur pflegen kann, was mit "Melancholia" in der Öffentlichkeit nicht möglich war. Er treibt dann seinen berühmt-berüchtigten "Humor" weiter, bis er plötzlich merkt, dass er zu viel gesagt hat (was wie gesagt schnell passiert, wenn man über Hitler spricht). Und er sagt dann ja wortwörtlich "How do I get out of this sentence?!" Und scheißt dann drauf, irgendwie rauskommen zu wollen und beendet das doch sichtlich selbstironisch und spöttisch mit dieser "Ich bin ein Nazi" Aussage. Dass er mit einer Sprache, die nicht seine Muttersprache ist, ein wenig begrenzt ist, fällt ja schließlich auch auf.

War sicherlich keine all zu gelungene Aktion. Die dümmste Passage ist sicherlich die mit "er hat ein paar schlechte Dinge getan". Aber dieser Wirbel der von den Medien und von der Cannes Organisation (übrigens nicht gleichzusetzen mit der Jury) gemacht wird, ist übertrieben und heuchlerisch. Polanski ist gar nicht so ein schlechtes Beispiel, wie ich finde. Und ein noch besseres Beispiel ist Mel Gibson, dessen Vater den Holocaust leugnet und dessen eigener Antisemitismus viel realer und greifbarer ist, als das, was von Trier hier faselt. Gibson wurde drei, vier Tage vor diesem Vorfall noch feierlich auf dem roten Teppich begrüßt. Ist das okay, weil Gibson sich da benehmen kann, die Finger mal dezent vom Alkohol lässt und mal nicht Polizisten oder dergleichen als "scheiß Juden" bezeichnet? :gruebel:

Ich find's in erster Linie schade von der Cannes Führung. Von Trier hat nicht zum ersten Mal über Nazis und Hitler gesprochen. Seine Filme wurden als frauenfeindlich, rassistisch, antiamerikanisch, antidemokratisch, pornographisch und was weiß ich nicht noch alles bezeichnet. Wurde alles akzeptiert, bis jetzt. Komisch Geschichte. Und wegen dieser völlig aus den Fugen geratenen Berichterstattung (auch dank der neuen Technik, wie z.B. Twitter), wird es der Film schwerer haben. Insbesondere für Kirsten Dunst (die ja selbst deutsche Eltern hat, was irgendwie noch kaum angesprochen wurde) tut es mir leid, die mit diesem Film ihre darstellerischen Fähigkeiten beweisen wollte. Wenn jetzt weitere Festivals und Preisverleihungen im Herbst und Winter einen Bogen um den Film machen, ist es das falsche Signal.
Auf einer amerikanischen Seite beschrieb jemand Dunst Verhalten während von Triers Gerede als gedankliche Entwicklung von "Ach ja, lol, der Lars" über "Was zum Teufel redet der da?" bis zu "Bye, bye, Oscar!"

Und ich will den Film dennoch sehen. Mit unverändert großem Interesse.
 

Dr Knobel

Sie nannten ihn Aufsteiger
Ist ja nicht so mein feld, aber ich bekam das alles durchaus mit. Aus meiner Sicht: Eine seltene Mischung aus eigener Dämlichkeit, Provokation, Sparchproblemen und aus dem Ruder gelaufenen, geschmacklosen Scherz. Der Wirbel ist in der Form sicherlich unberechtigt, war jedoch abzusehen und könnte sicherlich sowohl dem Film als auch von Trier schaden. Und das liegt dann nicht nur an der Außendarstellung und der Berichterstattung, sondern auch an einer gehörigen Portion Eigenverschulden.

Wenn Dunst ein Messer in der Hand gehabt hätte, hätte sie - ihrem Blick zu urteilen nach - von Trier am liebsten die Zunge abgeschnitten.
 

frost

segmentation fault
der film wurde jetzt in israel storniert: http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,763754,00.html

ich finde es geht nicht darum ob sein dummes gelaber jetzt "schlimmer" ist als das verhalten von mel gibson oder die polanski sache. es geht einfach darum das der typ einfach meint sich verhalten zu können wie er bock hat. das alles unter diesem deckmantel des "genie seins". ganz genau, der hat schon früher solche dinger rausgehauen und bekommt -jetzt endlich- mal seine grenzen vorgezeigt. sorry genie oder nicht ... das geht einfach irgendwann nicht mehr.

klar werd ich mir seinen film anschauen, wie ich es bisher mit all seinen filmen gemacht habe. es geht mir hier (genau wie bei mel gibson übrigens auch) darum das man einfach klarer trennen sollte. zwischen kunst und realität. als filmemacher ist von trier wahrscheinlich schon eine art genie, aber man sollte ihm halt trotzdem grenzen aufzeigen (genauso wies mit mel gibson ja auch passiert ist ... mit polanski auch ... ).

warum grenzen aufzeigen? weil das auch nur menschen sind, die einfach nur filme machen. diese spürbare dummheit und arroganz dieser typen ist stellenweise einfach nur abstoßend.

hitler war ja angeblich auch vegetarier - was ich super finde - trotzdem war er ein arschloch. von trier macht super filme - trotzdem hat er offensichtlich zwischenmenschliche emphatische defizite ... da tut dem so ein ausschluss auch mal gut.
 

Mestizo

Got Balls of Steel
Original von Dr Knobel
[...]
Aus meiner Sicht: Eine seltene Mischung aus eigener Dämlichkeit, Provokation, Sparchproblemen und aus dem Ruder gelaufenen, geschmacklosen Scherz.
[...]

So sehe ich das auch. Aber das "Grab" hat er sich in dem Moment wirklich selber geschaufelt. Anstatt irgendwann einfach die Klappe zu halten, macht er einfach weiter und ich frage mich wieso. Sprachbarriere hin oder her, so schlecht ist sein Englisch nicht, als dass selbst ihm nicht bewusst gewesen wäre, wie er sich da immer mehr im Netz verheddert. Ich will ihn dafür weder verurteilen, noch will ich es schlimmer machen, als es ist, aber ein wenig mehr Fingerspitzengefühl hätte ich auch einem Lars von Trier zugetraut. Sicherlich wird das von den Medien dankend aufgenommen und aufgebauscht, aber zu clever war das irgendwie auch nicht.
 

Joel.Barish

dank AF
Ich kritisiere auch in erste Linie die Heuchelei und Inkonsequenz der Cannes Organisation, die erst jetzt auf den Trichter kommt, dass mit diesem Spruch der Bogen überspannt ist und die gleichzeitig noch anderen "Genies mit schlechten Angewohnheiten" ( :wink: ) eben keine Grenzen aufzeigt.

Ich bleibe allerdings auch dabei: So extrem mega-geschmacklos war es dann doch nicht, dass die halbe Welt jetzt so durchdreht. Er hat ein Kneifzangen-Thema ziemlich unbedacht holterdiepolter angefasst, aber sein Fehler war es in erste Linie, dieses Thema, für das es keine wirklich adäquaten Worte gibt, etwas zu salopp zusammen zu fassen. Es war ja nunmal ne Film-PK, es war glaube ich eine der letzten Fragen und dann das Nazi/Holocaust Fass aufzumachen, endet selten gut. Der Rest ist kaum mehr, als was bei "Der Untergang" permanent zu spüren war.

Und gerade ein Festival von Cannes lebt von Filmen und Personen, die über die Stränge schlagen und eben nicht immer in voller Gänze den Vorstellungen von gutem Verhalten, guten Manieren und Anstand einhalten. Dass so was mit Nazis/Holocaust mag vielleicht der entscheidende Schritt zu weit sein, aber einen Lars von Trier, der sich - eigentlich immer nur verbal - "benimmt wie er Bock hat", darf es ruhig geben. Und eine PK auf einem Film Festival gehört für mich noch eher zum Film und zu Werbung usw. (was heißt, dass Gesagtes nicht zu 100% dem wahren Menschen entspricht), als Reaktionen unter Alkoholeinfluss am Telefon oder bei einer Polizeikontrolle.
 

frost

segmentation fault
das die filmwelt schräge persönlichkeiten braucht ist klar. ansonsten wäre wahrscheinlich alles pearl harbor...

ich denke die cannes orga reagiert so strikt weil es halt in ihrem hause passiert ist ... mel gibson hat keine ausländer während einer filmvorstellung beleidigt und polanski hatte keinen sex mit ner minderjährigen auf dem roten teppich.
 

Joel.Barish

dank AF
Politisch fragwürdige oder beleidigende Kommentare gab es aber auch schon mehrfach in Cannes. Auch wieder inkonsequent und heuchlerisch. Mir fällt jetzt spontan nur Quentin Tarantinos Mittelfinger bei der Preisübergabe ein, als eine Reporterin sich beschwert, der Gewinn sei eine Tragödie oder so. Ich hatte ja auch schon vermutet, dass das der Grund ist. Fürchte auch das ist zur Hälfte wahr und Cannes sieht einfach, wie viele Journalisten durchdrehen und sehen sich dann feige als Selbstschutz zu Handlungen gezwungen, weil sie quasi die "Aufsichtspflicht" für ihre Gäste haben. Mann, wie ich mich freuen würde, wenn "Melancholia" einen Preis gewinnt. :biggrin:
 

frost

segmentation fault
wäre super wenn er einen preis gewinnt. hehe. aber naja ... nen mittelfinger kann man halt nicht mit diesen aussagen gleichsetzen. ich glaube sowieso das man fast alles sagen darf nur nicht so nen hitlerunsinn.

er hats einfach verkackt und muss jetzt damit klarkommen.
 
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