Ich habe dann doch mal "auf die schnelle" was zusammengetippt. Bitte etwas nachsichtig sein, ich hatte da im Grunde keine Zeit für, wollte aber mein "Versprechen" nicht brechen.
Kritik SAW X
Fraglos zählt SAW zu den größten Phänomenen der jüngeren Filmgeschichte. Startete das Franchise als Low-Budget-Produktion und wurde anfangs als One-Hit-Wonder abgetan, bewies SAW II eindrucksvoll, dass die Reihe sehr wohl als Franchise taugte. Mit SAW III schien die Geschichte auserzählt, ließ man doch die beiden wichtigsten Hauptfiguren mutiger- und konsequenterweise sterben. Doch es folgten im Jahresrhythmus vier weitere Sequels, die eine recht komplexe Handlung durch Flashbacks, verschiedene Zeitebenen und unterschiedliche Erzählstränge aufbauten. In Anbetracht der Tatsache, dass der „Titelheld“ eben nicht mehr eingesetzt werden konnte, wirkten die immer neuen Wendungen und Kniffe natürlich konstruiert, doch im Gegensatz zu anderen Franchises, man denke in diesem Kontext nur an HALLOWEEN, blieben sich die SAW-Filme doch inhaltlich treu und folgten stets ihrer eigenen Mythologie, was ein Teil des Erfolgs erklärt. Jeder Film ist wie ein Puzzleteil, mit dem sich das „große Ganze“ mehr und mehr zusammensetzt. Bedenkt man, dass die Verantwortlichen dabei über weite Strecken keinen festgelegten Plan verfolgten, ist dieser Ansatz sowohl in künstlerischer als auch organisatorischer Sicht einmalig.
Mit JIGSAW folgte nach einigen Jahren Pause ein eher halbherziger Reboot-Versuch, der keinem wehtun wollte, aber genau deswegen nur bedingt funktionierte und deshalb trotz eines überzeugenden Einspielergebnisses nicht fortgesetzt wurde. SPIRAL wiederum war inhaltlich und konzeptionell als kompletter Neuanfang gedacht, verzichtete auf John „Jigsaw“ Kramer und versuchte mit Starpower in Form von Chris Rock und Samuel L. Jackson zu punkten. Das Ergebnis war gelinde gesagt verheerend und ging an den Kassen gänzlich baden. Der Misserfolg von SPIRAL stieß aber vor allem die Fans vor den Kopf: Sie wollten die Mythologie und vor allem wollten sie John Kramer, und damit wären wir bei SAW X.
Bevor wir zum Film an sich kommen, müssen wir die Zeiger der Uhr etwas zurückdrehen. Nachdem JIGSAW nicht wie gewünscht eingeschlagen war, beschlossen die Produzenten Mark Burg/Oren Koules und das Autoren-Duo Josh Stolberg/Pete Goldfinger, dass es zumindest vorläufig kein JIGSAW II geben würde. Faktisch arbeiteten sie bereits vor dem Kinostart von JIGSAW an einem Sequel, doch nach dem Release wurden die Arbeiten daran eingestellt. Stattdessen wollte man nun einen Film, in dem John Kramer klar im Mittelpunkt der Geschichte stand. Stolberg und Goldfinger saßen an einem Konzept und waren dabei auch schon recht weit, doch dann zeigte plötzlich Chris Rock Interesse an dem Franchise, und nun sollte möglichst schnell ein entsprechendes Skript für Chris Rock geschrieben werden; die Folge war SPIRAL, der ursprünglich sogar vom Comedian inszeniert werden sollte. Auch hier schielte man auf Sequels, doch es war sehr schnell klar, dass dieser Pfad nicht weiter beschritten werden sollte, nachdem sowohl die Fans, als auch die Kritiker und das Mainstreampublikum kein Interesse an dieser Neuausrichtung zeigten. Trotzdem stand ein Ende des Franchises nicht zur Debatte, dafür war die SAW-Marke zu populär und das Risiko zu gering. Man muss dabei berücksichtigen, dass die Filme inklusive SPIRAL bereits mehr als eine Milliarde Dollar in die Kassen gespült hatten – DVD-/BD-Verkäufe und Lizenzgebühren für Videogames, Freizeitparkattraktionen und so weiter nicht einberechnet. Dabei waren es nach wie vor günstig zu produzierende Projekte, die maximal ein Budget von 20 Millionen Dollar verschlangen.
Nachdem der Testballon SPIRAL überhaupt nicht funktionierte, gab es nur den Weg zurück. Die Fans wollten John Kramer? Sie bekommen John Kramer. Zudem musste man auch nicht lange nach einem Ansatz suchen, denn Stolberg und Goldfinger hatten ja ohnehin bereits an einem Konzept mit dieser Ausrichtung gearbeitet, und damit wären wir bei SAW X.
Dieses Konzept griffen sie nun wieder auf, mussten es aber auf Anweisung der Produzenten so ausrichten, dass auch die Zuschauer, die noch nie einen SAW-Film gesehen hatten, die Handlung nachvollziehen konnten. Zudem sollte Kramer der aktive Posten sein und nicht mehr nur in Cameo-Auftritten in Flashbacks aktiv werden, also konnte auch nicht nach SAW III angesetzt werden. Da ein Prequel Kollisionen mit den Handlungssträngen der anderen Filme heraufbeschwören würde, war klar, dass die Handlung irgendwann zwischen den einzelnen Sequels angesiedelt sein musste. Als klar war, dass man nicht nur Tobin Bell für eine Rückkehr gewinnen konnte, sondern auch Shawnee Smith als Amanda, machte eine Ansiedlung zwischen SAW und SAW II Sinn, weil man damit auch etwas Charakterentwicklung bei Amanda betreiben konnte und einige Ereignisse von SAW III erklärte oder zumindest vorbereitete. Man verknüpfte die Story auch mit SAW VI, als Kramer von einer alternativen Krebsbehandlung in Norwegen berichtete, ihm diese jedoch von der Versicherungsgesellschaft verwehrt wurde.
Dieses Beispiel zeigt recht passend, wie SAW X angelegt ist, weil man erkennbar versuchte, sowohl die Fans als auch neue Zuschauer zufriedenzustellen. Prinzipiell ist der zehnte Film inhaltlich recht simpel: Es gibt keine Zeitsprünge, nur eine linear aufgebaute Handlung und bis auf Jigsaw und Amanda auch keine wiederkehrenden Figuren aus den anderen Sequels. Das befreit die Story von dem Ballast, den die anderen Filme inhaltlich mit sich herumtragen mussten. Gleichzeitig baute man genug Hinweise für die Fans ein, Hinweise, die nur sie verstehen. (Dazu gehört auch eine Szene nach dem ersten Abspann, die reiner Fanservice ist. Also sitzen bleiben!), aber „Frischlinge“ nicht irritieren. Da haben Stolberg und Goldfinger recht gute Arbeit geleistet. Das Lob kann man ausweiten, denn vor allem im ersten Drittel ist SAW X tatsächlich ein ungewöhnlicher Ableger, da nicht viel passiert und man sich voll und ganz auf Kramer fokussiert. Es wird gezeigt, wie er mit seiner Erkrankung umgeht und verzweifelt nach einem Ausweg sucht. Man sollte jetzt nicht überdrehen und von einer Charakterstudie sprechen, aber so emotional, so menschlich, so verletzlich hat man die Figur nie gesehen. Das liegt auch an dem mittlerweile 80-jährigen Tobin Bell, der einmal mehr zeigt, warum er zu einer absoluten Genre-Ikone aufgestiegen und schlicht nicht ersetzbar ist. Er ringt dieser Figur tatsächlich noch einmal neue Facetten ab, und das hilft dem Film ebenso sehr wie der Drehort Mexiko. Es gibt wesentlich mehr Außenaufnahmen als man gewohnt ist und auch das erzeugt frische Impulse, die der Reihe sichtbar guttun und sich teilweise auch im Score niederschlagen. In diesem ersten Drittel gibt es auch etwas grimmigen Humor, etwa wenn sich Kramer als Motivationscoach bezeichnet. Das funktioniert überraschend gut und ist weit von den gescheiterten humoresken Ausflügen eines SPIRAL entfernt. Was den Film zudem aufwertet ist ein hervorragendes Casting, dabei sei besonders Synnøve Macody Lund erwähnt, die als Cecilia Pederson wunderbar funktioniert und alles andere als ein übliches Jigsaw-Opfer ist: Sie fordert und trickst ihn heraus, kann sich gegen Bell behaupten und bleibt auch nach dem Film noch in Erinnerung.
Auch die Rückkehr von Shawnee Smith wird überwiegend gut eingebunden, wobei vor allem die gemeinsamen Szenen zwischen ihr und Bell genug Gründe für ihr Comeback über reinen Fanservice hinaus liefern.
Allerdings: Spätestens ab der Hälfte des Films wird es dann zu einem klassischen SAW-Film mit brutalen Fallen, jeder Menge Blut und den erwartbaren Wendungen und Drehungen. Also ganz klar gesagt: Wer die Sequels nicht mochte, wird auch mit SAW X nicht warm werden, denn dieser zeigt genau das, was die Reihe so erfolgreich machte und eben gemocht wird oder nicht. Wer etwas anderes erwartet, sollte seine Erwartungshaltung herunterschrauben, denn das wird allenfalls, und das auch noch wohldosiert, im ersten Drittel geboten.
Zu den erwarteten Zutaten gehört natürlich auch ein Finale, in dem noch einmal alles auf den Kopf gestellt wird. In diesem Fall ist das ziemlich „over the top“, recht weit an den Haaren herbeigezogen und zählt sicherlich nicht zu den Highlights des Films.
Handwerklich ist das wenig überraschend solide. Kevin Greutert (Cutter bei fast allen Filmen, sowie der Regisseur von SAW VI und SAW 3D) ist ein guter „Filmhandwerker“, ohne sich selbst zu überschätzen. Er kennt die Reihe wie kein Zweiter und weiß, was die Fans erwarten, und das liefert er ab. Zudem gibt er Tobin Bell mit zahlreichen Nahaufnahmen viel Raum und schafft damit eine Intimität, die bislang nicht oder nur teilweise innerhalb der Reihe Platz gefunden hat.
Fazit:
SAW X ist bei weitem besser als der zehnte Beitrag eines Franchises sein dürfte, das seit sieben Filmen eine tote Figur ins Zentrum stellt. Hat es diesen Ableger gebraucht? Nein. Ist er unterhaltsam? Ja. Wird etwas Neues präsentiert? Jein. Die Figur John Kramer ist hier die alles dominierende Figur, zeigt sich emotional wie nie und ist Dank der hervorragenden Leistung von Tobin Bell auch „greifbarer“ als je zuvor. Ist das jedoch erst einmal abgehakt, ist SAW X ein klassisches, jedoch sehr straightes SAW-Sequel, das inhaltlich keinen überfordert und trotzdem die Zielgruppe mit Twists, Fallen und Gore bedient. Wer etwas anderes erwartet, dürfte enttäuscht sein. SAW X will und kann das Rad nicht neu erfinden, erweist sich innerhalb der eigenen Grenzen jedoch als erstaunlich stimmiger Spagat, der sowohl Fans als auch Neueinsteiger bedient.
6,5/10