Ich hatte im Diskussionsthread ja geschrieben, dass mir persönlich hier zu wenig konstruktives Feedback gegeben wird. Insofern möchte ich gerne damit anfangen. Ich möchte vorwegnehmen, dass ich niemanden verletzten möchte, sondern gut gemeinte Kritik geben möchte um in Zukunft etwas besser zu machen. Und natürlich alles, was ich schreibe, immer subjektiv ist und meine persönliche Meinung darstellt.
Wer daran kein Interesse hat, kann das auch gern ignorieren.
Für mich sind bei der Bewertung einer Kurzgeschichte folgende Punkte relevant:
- Inhaltliche Umsetzung / Interne Logik
- Idee / Bedeutung & Interpretation
- Sprache / Stil
Idee:
Sacktragen als Extremsportart. Mega gut. Dass dies nur durch Zufall entstanden ist, weil jemand etwas vertuschen wollte: Mega gut.
Ich könnte mir die Geschichte perfekt in einer Anthologie Serie wie Black Mirror vorstellen. Müsste man gar nicht viel daran ändern. Hut ab.
Und ich mag auch die Analogie. Dickerer Sack, Schwanzvergleich. Sozialer Druck. Immer mehr Tragen. Dadurch ist auch eine gewisse Gesellschaftskritik vorhanden.
9/10
Inhaltliche Umsetzung / Interne Logik:
Ich finde es schön, dass um die Idee eine komplette Geschichte gespannt wurde. Zuerst wird die Welt näher gebracht, damit man versteht, was Sacktragen ist und was es für die bedeutet, die das tun. Dann wird ein Konflikt aufgebaut. Es gibt eine Schießerei. Dabei werden spannende Details revealed. Wir erfahren, dass Sackschleppen nur durch ein Verbrechen und eine Ausrede entstand. Und dass danach noch einmal alles hinterfragt wird. Das ist von Anfang bis Ende schlüssig erzählt und damit eine perfekt unterhaltende Geschichte.
Kritikpunkte sind daher nur Kleinigkeiten. Für mich persönlich ist die Gesellschaftskritik ein wenig zu sehr mit dem Vorschlaghammer präsentiert. Das der Protagonist am Ende einen inneren Monolog hält und ganz plötzlich den Sinneswandel hat, dass selbstbewusste Menschen keinen Geltungsdrang haben und Verlangen nach Anerkennung von Minderwertigkeitskomplexen zeugt, ist mir zu platt. Das hat die Geschichte bereits vorher subtil gesagt. Da muss man das nicht auch noch aussprechen. Gleichzeitig fühlt es dadurch nicht an wie eine Aussage des Charakters, sondern wie eine Meta Aussage des Autors. Und das reißt mich aus der Immersion.
Generell wirken für mich die Figuren alle extrem überzeichnet, comichaft. Das kann so gewollt sein. Für mich persönlich würde aber die Geschichte und die Gesellschaftskritik besser wirken, wenn es ein wenig glaubwürdiger erzählt werden würde. Ja, man kann auch so etwas unrealistisches wie sackschleppen in einer ansonsten stimmigen Welt mit glaubwürdig agierenden Charakteren schreiben. Hier ist der/die Autor nah dran, aber es ist noch Luft nach oben. Wie gesagt, totale Geschmackssache. Für mich trotzdem sehr gute 8/10
Sprache:
Insgesamt gut gemacht, mit einem Haken. Der gleichbleibende Ton der Geschichte. Meiner Meinung nach passt der Ton nicht immer zur Situation. Dass mitten in einer Geschichte die Hand gehoben wird, um ein Bier zu bestellen, klingt im ersten Moment witzig. Ist aber ein Joke auf Kosten der Ernsthaftigkeit der Situation. Dadurch verliert die Schießerei ihre Bedrohlichkeit. Das kennt man ja aus Actionfilmen, wenn der Held einen coolen Spruch nach dem nächsten reißt. Das ist cool und witzig, nimmt aber die Spannung aus der Situation. Klar ist die ganze Geschichte eher humorig geschrieben, trotzdem bin ich ein Freund davon, dass sich Charaktere "echt" verhalten. Und so ein Verhalten reißt zumindest mich aus der Immersion. Ich will lesen, dass die Leute Angst haben, sich bedroht fühlen. Nur dann bin ich auch investiert und mache mir Sorgen um die Charaktere. Daher ist es wichtig, auch bei einer humorvollen Geschichte, den Ton der Situation anzupassen.
Insgesamt fand ich es sprachlich ansonsten in Ordnung. 4/10
Fazit: 21/30 Punkten
Tolle Geschichte. Mit ein bisschen Feinschliff kann ich sie mir gut in einer Kurzgeschichten Anthologie vorstellen. Und würde das gerne auch filmisch umgesetzt sehen.