HurriMcDurr
Well-Known Member
Zwischen Sonne und Wasser
Ich erwachte in fast vollkommener Dunkelheit und wusste nicht, wo ich war.
Rhythmisch flammten rote Lichter auf. Mein Kopf dröhnte. Ich hörte undeutliche Stimmen und einen Alarm. Langsam richtete ich mich auf und musste sogleich dagegen ankämpfen, mich zu übergeben.
Nachdem sich mein Magen einigermaßen beruhigt hatte, sah ich mich um und stellte fest, dass sich meine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten und es doch gar nicht so dunkel war, wie angenommen. Ich befand mich auf der Brücke eines Raumschiffs. Die Beleuchtung war aus mir unbekanntem Grund stark gedämmt und nur die roten Lichter erhellten die Brücke immer wieder, so dass man das wichtigste sehen konnte.
Einige von der Brückencrew lagen schwer verletzt am Boden. Ein paar hatten ihre Verletzungen nicht überlebt. An einer Stelle sah ich einen jungen Fähnrich liegen, dessen Brustkorb komplett offen lag; irgendetwas hatte ihn von links oben nach rechts unten aufgeschlitzt. Ein weiterer Mann, ein Lieutenant, lag von einem Teil eines Bedienfelds durchbohrt nur wenige Meter weiter. Direkt vor mir lag der Kopf des 1. Offiziers. Seinen Körper konnte ich nirgendwo entdecken.
Der Teil der Brückencrew, der nicht tot oder verletzt auf dem Boden lag oder die Verwundeten versorgte, war damit beschäftigt, von einem Bedienfeld zum nächsten zu laufen und hierauf hektisch irgendwelche Befehle einzugeben.
Inzwischen hörte ich wieder besser und bekam mit, wie der Captain Bericht darüber erhielt, dass das Schiff in die Atmosphäre eines Planeten eingetreten war. Die Temperatur der Hitzeschilde war auf mehrere tausend Grad gestiegen. An einigen Stellen war die Hülle gerissen. Eine Versiegelung war versucht worden, aber aufgrund von zu schweren Schäden, gab es nicht genug Energie dafür. Die Crewmitglieder, die zuletzt in den entsprechenden Bereichen waren, mussten innerhalb von Sekunden verbrannt oder verdampft sein. Der zweite Offizier schätzte die Verluste auf 187 Seelen, was etwa ¼ der Besatzung ausmachte.
Der Captain gab den Befehl, den Eintrittswinkel zu korrigieren, um nicht zu steil in die Atmosphäre einzutauchen. Die thermische Belastung wäre sonst zu groß für die Hitzeschilde gewesen. Der Chefingenieur informierte den Captain darüber, dass das Schiff wahrscheinlich trotzdem auseinander brechen würde. Er wäre in einer Notsituation wie dieser normalerweise im Maschinenraum statt auf der Brücke gewesen, aber weil wir plötzlich und unerwartet in unsere jetzige Lage geraten waren, war er nun hier. Sollte dieser Umstand vielleicht noch jemanden das Leben retten? Schön wäre es ja.
„Lieutenant Parker? Wie ist die Luft da unten? Können Menschen auf der Oberfläche des Planeten überleben?“
„Die Luft ist etwas dünn, aber damit sollten wir zurecht kommen, Sir.“
„Na gut“ meinte der Captain, machte eine kurze Pause und sprach schließlich weiter „Wenn es also unvermeidlich darauf hinausläuft, befehle ich die Rettungskapseln schon mal bereit zu machen. Jeder der nicht unbedingt zur Steuerung des Schiffes notwendig ist, verlässt sofort die Brücke. Das betrifft auch Sie, Dr. Gordon.“
„Unmöglich, ich kann hier nicht weg. Ich habe hier Patienten, die versorgt werden müssen.“
„Doktor Gordon, das war ein Befehl. Die Crew wird auf dem Planeten einen Arzt brauchen. Wenn unser Chefingenieur Recht hat und das Schiff auseinander bricht, werden die Schwerverletzten hier es eh nicht schaffen. Falls wir doch in einem Stück bleiben, können sie immer noch zurück kommen. Wenn Sie dagegen hier draufgehen, wird für die anderen auf dem Planeten jede mittelschwere Verletzungen und jede Krankheiten den Tod bedeuten. Also bewegen Sie ihren Arsch zu den Rettungskapseln.“
Der Arzt blickte ihn ernst an. „Ist lange her, dass ich dich habe Fluchen hören, Jim. War damals ziemlich ernst.“ Nun machte der Arzt eine Pause. „Na gut. Wenn die Dinge so schlecht stehen, gehe ich. Aber ich will dir raten, dass ich dich auf der Oberfläche wiedersehe.“
„Ich werd sehen, ob ich's einrichten kann.“
Er drückte einen Knopf an seiner Armlehne. „An die gesamte Besatzung; hier spricht der Captain.
Da die Ikarus wahrscheinlich keine sanfte Landung schaffen wird, befehle ich hiermit die Evakuierung des Schiffs. Alle begeben sich unverzüglich zu den Rettungskapseln.“
Daraufhin drehte sich der Doc um, wies ein paar andere an, ihn mit den Leichtverletzten zu helfen und verließ mit ihnen die Brücke.
Jetzt erinnerte ich mich auch endlich wieder genau, wo ich war.
Ich hatte mich vor einigen Tagen auf dieses Schiff begeben. Es hieß USS Ikarus und sollte mich in genau das System bringen, auf dessen 5. Planeten wir nun abstürzen sollten. Meine Aufgabe sollte es sein, zwischen zwei Völkern – den Hazwoo und den Ignisanern – die schon seit Generationen miteinander im Krieg lagen, zu vermitteln. Nach Möglichkeit sollte ein Frieden ausgehandelt werden.
Ich hatte mich dazu entschlossen, beide Parteien erst einmal einzeln anzuhören und mit den Ignisanern zuerst Kontakt aufgenommen. Im Nachhinein weiß ich überhaupt nicht mehr warum ich nicht beide zugleich kontaktiert habe, um sie an einen Tisch zu bekommen und mit ihnen gleichzeitig zu sprechen. Denn mein Vorgehen erwies sich als Fehler, was mir jetzt auch völlig logisch erschien. Die Hazwoo hatten sicher geglaubt, dass wir uns mit ihrem Feind verbünden würden und so hatten sie uns angegriffen. Ein halbes Dutzend Schiffe tauchte auf und traf uns dank Tarnsystemen sehr überraschend, so dass wir schließlich in unsere derzeitige Lage gerieten.
Nun erhob ich mich endlich und wankte noch etwas schwach auf den Beinen zum Sitz des Captains. Als ich fast bei ihm angekommen war, bemerkte er mich und drehte kurz den Kopf in meine Richtung.
„Oh, Herr Botschafter, Sie leben ja doch noch. Als ich Sie am Boden sah, dachte ich schon, Sie wären tot. So kann man sich irren.
„Ich bin nicht nur nicht tot, es geht mir soweit auch ganz gut. Was ist mit den Hazwoo? Schießen sie noch auf uns?“
„Nein. Kurz bevor wir in die Atmosphäre von Sal Mare eindrangen, brachen sie den Angriff ab. Es war ihnen wohl klar, dass wir keine Gegenwehr mehr leisten würden.
Ganz so unverletzt wie Sie denken, sind Sie übrigens nicht. Sie haben da eine hässliche Wunde direkt unter Ihrem Haaransatz. Können von Glück reden, dass Sie nicht skalpiert wurden.“
Ich wischte mir über die Stirn und konnte anschließend mein eigenes Blut auf meiner Hand bewundern.
„Sie sollten auch zu den Rettungskapseln, Herr Botschafter“
„Erst wenn Sie gehen, Captain.“
„Oh, nein nein. Der Captain verlässt als letztes das Schiff......“
„Dann eben, wenn Sie den Rest der Brückencrew zu den Rettungskapseln schicken.“
„Hab ich Ihnen schon gesagt, dass Sie ein ziemlich sturer Hund sind?“
„Sie nicht, aber dafür sagen mir meine Frau, meine Kinder und meine Kollegen das andauernd.“
„Na gut, meinetwegen. Wird eh nicht mehr lange dauern.“ und dann an den Lieutenant, der das Schiff steuerte: „Solhana, wie sieht es aus? Sind alle anderen von Bord.“
Der junge weibliche Offizier antwortete: „Die letzten Rettungskapseln sind gerade gestartet, Sir.“
„Sehr gut. Dann senden Sie noch schnell ein Notsignal an das Hauptquartier, damit wir auf diesem Planeten nicht den Rest unseres Lebens verbringen und dann sehen Sie zu, dass Sie mit dem Rest der Brückencrew und dem Botschafter die Brücke verlassen und zu ihren Rettungskapseln gehen.“
„Das Notsignal hatte ich schon geschickt, als Chefingenieur Bacca meinte, dass wir wohl auseinander brechen würden. Ich hab dabei auch gleich erwähnt, dass man besser mehrere Schiffe schickt.“