Habe ihn nun gesehen und bin noch etwas zwiegespalten. Fand ihn an sich schon gut, aber auch nicht sensationell gut. Ich fand es toll, dass man diesen realistischen und emotionalen Liebesfilm mit zwei Frauen in den Hauptrollen gemacht hat und dabei vielleicht sogar ein kleines Statement gesetzt hat, wo doch Homophobie auch heutzutage noch erschreckend viel in der westlichen Gesellschaft grasiert. Aber der Film behandelt diese Liebe auf die menschlichste und redzuierteste Art und Weise und, auch wenn es hinter den Kulissen wohl anders aussah, hat Regisseur Abdellatif Kechiche einen sehr feinfühligen Film inszeniert, der auch in den viel, vor allem zu viel, diskutierten Sexszenen nie wirklich anstößig oder voyeuristisch wirkt. Eher im Gegenteil. Die Hauptdarstellerinnen Léa Seydoux und Adèle Exarcharpoulos liefern hier auch ganz großartige Leistungen ab, sodass die anscheinend strapaziösen Dreharbeiten immerhin für etwas Gut waren, aber so wirklich voll und ganz gepackt hat mich der Film letzendlich leider nicht, zumindest nicht immer: Emotional und filmisch, wo mich vor allem die Tatsache irritiert hat, das 90% des Films in Nahaufnahmen, vornehmlich von Gesichtern, gedreht ist, was den Einsatz eines 2,35:1-Bildformarts irgendwie sinnlos erscheinen lässt. Trotzdem, der Film hat sicher seine Stärken, hin und wieder darf ein Anflug von Brillanz vernommen werden, vor allem in den ersten langen Dialogszenen zwischen Emma und Adèle, die mit zum rundum wundervollsten des Filmjahres gehören dürften, und auch die unaufdringliche Symbolik ist schön, aber am Ende war doch zu viel Leerlauf da. Der Film schien mir nie so recht zu wissen, wie er seine dreistündige Laufzeit effektiv einsetzen kann und erzählt zwar über mehrere Jahre hinweg über die Beziehung der beiden Figuren, was jedoch nie so wirkt und sich tatsächlich nach dieser Zeit anfühlt, die Zeitsprünge auch nie wirklich erkennbar sind, weswegen der dramatisch-emotionale Aspekt des ca. letzten Drittels bei mir auch nicht vollends funktioniert hat. Der eher langweilige Originaltitel des Films, der lang nicht so schön und passend symbolisch ist wie der deutsche bzw. englische bzw. der französische Originaltitel der dem Film zu Grunde liegenden Graphic Novel, spielt jedoch auf etwas an, das ich noch durchaus interessant finde: La Vie d'Adèle - Chapitres 1 & 2 darf ja, wie ich meine, eindeutig so verstanden werden, dass es noch mehr von Adèle zu erzählen gibt. Hätte man dahingehend mehr in diesen, einen Film gepackt, oder wäre man auch etwas offensichtlicher und stärker auf die Zeitebenen eingegangen, hätte mir der Film im Endeffekt wohl auch besser gefallen, eine Forsetzung, so in ein paar Jahren, hätte aber ebenfalls ihren Reiz.
Das der Film bei vielen anderen Leuten mehr Eindruck hinterlassen hat als bei mir, ist schade, da ich mich eigentlich wirklich gefreut habe. Bei Filmen dieser Art ist es meist auch eine Frage der emotionalen Involvierung und deswegen viel subjektiver zu beurteilen als bei anderen. Und so toll ich die beiden Hauptfiguren fand, so wirklich gepackt und berührt hat er mich weitestgehend nicht. Eher auch in der ersten Hälfte, die für mich die prinzipiell stärkere war. Der Film hat viele Qualitäten, sicher auch seine Schwächen, wie oben schon gesagt, aber so weit gebe ich erst einmal 7/10.