Gut ein Jahr nach dem ersten Teil geht nun die Fortsetzung Anarchy ins Rennen. Und die Frage aller Fragen ist mit einem sehr dicken JA zu beantworten. The Purge: Anarchy ist richtig gut und macht, im Gegensatz zum Vorgänger, so ziemlich alles richtig.
Teil 1 bot interessante Ansätze und eine grandiose Grundidee. Dieser Gedanke an eine solch dystopisch-verstörende Zukunft und Abende, die man sich darüber zu Tode diskutieren kann, faszinierten mich. Der Film war in Ordnung, hatte aber noch deutlich Luft nach oben. Oftmals wurde nur an der Oberfläche gekratzt. Anarchy legt da ein paar Schauffeln nach.
Hielt sich Teil 1 noch mit einer Belagerung, einer sogenannten Home-Invasion, ala Assault on Precinct 13 auf, bekommt man in Anarchy nun das Geschehen in einer ganzen Großstadt mit. Aber auch hier sind immer noch Paralellen zu Carpenters Meisterwerk verkennbar. Kein Wunder, hatte doch DeMonaco beim Remake zu Precinct 13 schon seine Finger im Spiel. Wieder lernen wir verschiedene Protagonisten kennen, die der Zufall zusammenführt und die sich dann gemeinsam durchschlagen müssen. Das wars dann aber auch schon mit Gemeinsamkeiten.
Nach einer nicht all zu lang gehaltenen Einführung aller drei Parteien ist man bald sehr schnell mittendrin im Geschehen. Und da gibts schonmal den ersten dicken Pluspunkt. Viele kleine Details, die quasi so nebenbei Geschehen, aber so wunderbar in den Kontext dieser dystopischen Zukunft passen. Sei es der bärtige Waffennarr, der sich mit Bier und Scharfschützengewehr auf einem Hochhaus platziert, oder einfach nur ein in Flammen stehender Bus, der einfach mal so an einer Kreuzung vorbei rollt. Man merkt, das neu ausgerufene Recht der Säuberung ist real und viele machen davon Gebrauch. Ist ja auch ihr Recht. Ein Hoch auf Amerika und die neuen Gründungsväter.
Wo sich Teil 1 noch bedeckt hielt, wird in Anarchy voll drauf gehlaten. Das alles immer mit den Protagonisten, die einfach nur durch die Nacht kommen wollen, beziehungsweise eigene Ziele verfolgen. Wirklich erwähnenswert, beziehungsweise besonders lobenswert, tut sich in der Schauspielerriege niemand hervor. Aber sämtliche Rollen sind durch die Bank gut gecastet und es wird geschafft, dass einem der ein oder andere sogar sympathisch wird. Das ist ja durchaus schonmal was wert.
Je weiter der Film voran schreitet, desto mehr wird einem das Ausmaß einer solchen Nacht erst bewusst. Ein Trailer hat es ja bereits angedeutet, somit deklariere ich das nicht als Spoiler, wenn ich erwähne, dass zum Ende hin noch eine Priese Running Man dazu kommt. Mit einer der stärksten Momente des Films. Es wird einem vor Augen gehalten, welch schwere Entscheidungen die Reichen zu treffen haben, wollen sie doch auch mal ihr innerstes Biest entfesseln. Bezahl ich den armen Schlucker direkt, dass ich ihn niedermetzeln darf, oder bezahle ich andere Leute, die mir die armen dann ins Haus schleppen und ich sie selber jagen darf? Fragen über Fragen. First world problems. Teilweise richtig harter Stoff. Aber, was will man machen? Es ist ja alles erlaubt.
Fragen, die mich während des Films beschäftigt haben: Wer kontrolliert, ob während der Purge wirklich nur Waffen Klasse 4 benutzt werden? Beziehungsweise, wer ist so blöd und kontrolliert das? Wenn du eine Waffe hast und jemand anders mit einer Waffe läuft an dir vorbei, mach ihn platt, bevor er es macht.
Viel Zeit zum durchatmen bleibt nicht. Die Protagonisten reiten meist von einer Scheisse in die nächste. Das alles ist wunderbar beklemmend, bedrückend und actionreich inszeniert. Wohl aber immer mit Teufelchen und Engelchen auf den Schultern, die einen selber ermahnen, wenn man sich die Frage stellt: Was würdest du da jetzt machen?
The Purge: Anarchy macht so ziemlich alles richtig, wo bei Teil 1 noch Verbesserungsbedarf herrschte. Action, Terror, Gefühle, Spannung. Nichts kommt zu kurz oder wirkt irgendwie aufgesetzt. Vielleicht hätte an manchen Stellen nicht alles erklärt werden müssen. Sprich, ein bisschen Raum für die eigene Vorstellungskraft wäre nett gewesen. Das ist aber nur ein leichte Abzug in der B-Note. Ganz großes Kino.
9/10