Ich weiß nicht mehr, wo ich es gelesen habe, aber irgendwo ist mir gestern oder so mal wieder dieses Argument untergekommen, mit dem versucht wird, die Zerstörung aus MOS zu legitimieren. Da heißt es dann immer, dass in "Avengers" ja auch halb New York geplättet wird. Ich bin immer wieder überrascht, dass nach wie vor nicht die Unterschiede gesehen werden. Man könnte bestimmt sogar argumentieren, dass in "Avengers" faktisch weniger zu Bruch geht, aber in erster Linie ist der alles entscheidende Punkt der, dass wir sehen, wie Helden heldenhaft eingreifen und Menschen aus dem u.a. von ihnen gestifteten Chaos retten. Abgesehen davon, dass die Avengers zumeist gezielt vermeiden, die großen Angreifer gegen oder durch Gebäude zu schicken (wohingegen Superman Zod gezielt durch Wolkenkratzer schleudert), sind es einfach diese Szenen des Helfens und Rettens, die es auch in "Ultron" gab, die zumindest ein gewisses Verantwortungsbewusstsein im großen Ganzen erkennen lassen.
Zunächst unabhängig davon...
Argento schrieb:
" Und ganz ehrlich täte Superman/Batman schon vom Grundkonzept her gut daran, zumindest ein kleines Bisschen lockerer zu werden."
Warum?
Nur, weil es um einen Menschen geht, der nachts in ein Fledermauskostüm schlüpft oder ein Alien in Menschengestalt, welches auf der Erde übermenschliche Kräfte entfaltet?
Wo soll die Grenze liegen, ab wann ein Grundkonzept; respektive bestimmte Charaktere gut daran beraten sind, ein wenig lockerer inszeniert zu werden?
M. E. darf sich der rote Power Ranger ruhigen Gewissens genau so ernst nehmen wie ein Michael Corleone.
Du hast doch kürzlich auf den Unterschied zwischen Selbstironie und Eigenspott hingewiesen. Das kommt hier, finde ich, zum Tragen. Denn ja, ich finde tatsächlich, dass ein Typ, der sich als Fledermaus verkleidet, auffälliger, ungewöhnlicher und absurder ist, als ein Mafia Pate im maßgeschneiderten Anzug. Kriminelle in Maßanzüge gibt es reihenweise, Kämpfer in hochtechnologisierten Tierkostümen nicht so sehr. Superheldenfilme müssen sich keineswegs in einer Tour für ihr Äußeres schämen, wie es z.B. die ersten beiden Singer X-Men getan haben, aber einen Fledermausmann-Charakter ernst nehmen zu wollen wird leichter, wenn Film und Figur nicht alternativlos als humorbefreit ernst und bedeutsam dargestellt werden. Und mit "bedeutsam" meine ich die eigens gewählte Attitüde, nicht tatsächlich verwertbare Bedeutung, die, wie gesagt, aus dem Umgang mit Figur und Handlung folgt. Das müssen nicht unbedingt Gags über das eigene Kostüm sein, aber zumindest kleinere lockere Einschübe oder Gesten, die das starre und ernste Gerüst dieser unbefangen betrachtet einfach alternativlos absurden Figur etwas auflockert. Da reicht manchmal schon ein Spruch wie "Does it come in black" aus "Batman Begins". So etwas wäre schon mal ein Anfang.
Argento schrieb:
"Spaß, Leichtigkeit und Unterhaltung, die man je nach Gesinnung als
"kurzweilig" oder "oberflächlich" bezeichnen kann, sind, so es denn
gelingt (wie jüngst bei "Ant-Man") schon mal positive Aspekte eines
Films. [...]"
Dem kann ich nicht folgen.
Aus welchem Grund darf deiner Meinung nach etwas, das "kurzweilig" oder "oberflächlich" daherkommt, für sich alleine stehen und darüber hinaus schon qua dieser Prädikate für sich etwas positves verbuchen, währenddessen "Ernsthaftigkeit" von dir anscheinend als Prädikat verstanden wird, welches sich durch die Abwesenheit von Kurzweiligkeit auszeichnet. Man könnte auch fragen, warum ein ernst gemeinter Film nicht auf gewisse Weise oberflächlich sein darf.
Na ja, wenn mich ein Film unterhält, wenn ich Spaß habe, lachen kann, habe ich schon mal eine positive Reaktion zum Film. Ernsthaftigkeit an sich hat noch keinen Nährwert. Ernsthaftigkeit heißt zunächst nur reduzierter Humor und Spaßanteil, sowie die Absicht, aus Figuren, Handlung und Themen Gehaltvolles zu machen. Doch, wie gesagt, ist dieser Gehalt kein Automatismus. Nur, weil man Superman, Batman und Co. ernst nimmt, ist die Handlung noch lange nicht spannend und sagt man noch nicht automatisch etwas Interessantes oder Tiefgründiges über Superhelden, Schurken usw. aus. Mit Ernsthaftigkeit alleine kann man noch nichts machen, es ist ein Startpunkt.
Die oberflächliche Ernsthaftigkeit müsstest du etwas genauer erklären, bevor ich da zu lange im Dunkeln fische.
Argento schrieb:
"oder eben einen "Man of Steel", der nur überlang und weniger
unterhaltsam ist, aber mit ähnlich durchschnittlich clever entworfenen
Figuren hantiert und dessen vage entwickelten Ideen sich selbst
aushebeln, weil der gesamte Film schlecht durchdacht wirkt."
MAN OF STEEL war ein durch und durch gelungener Einstand von DC, welcher eindrucksvoll die Marschrichtung vorgab. Die Interpretation von Superman als unentschlossenem Retter, welcher auf Grund seiner quasi unkontrollierbaren Macht eine große Gefahr für die Menschheit darstellt, obgleich er eigentlich nur Gutes im Sinn hat, war sehr angenehm.
Ich sehe darüber hinaus nicht, warum die Ernsthaftigkeit des Films mit einem Verlust von Unterhaltsamkeit (was auch immer dieses subjektive Prädikat realiter heißen mag) einhergehen sollte.
Ich fürchte, diese unterschiedliche Sichtweise auf MOS wird uns beiden immer im Weg stehen, wenn es um Superheldenfilme geht.
Aber irgendwie bringst du mein Problem mit dem Film auf den Punkt. "Superman als unentschlossener Retter" - das wäre eine naheliegende, aber spannende Herangehensweise gewesen. Da warst du noch nicht hier, aber als der damalige 3-Minuten Trailer erschien, war ich urplötzlich so sehr angefixt von einem Zach Snyder/Chris Nolan Superman, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte. Ich hatte wirklich gehofft, dass sie einen spannenden, vielschichtigen Weg Supermans zum gottgleichen Heros finden. Aber nicht nur fehlt MOS dieser hoffnungsvolle Positivismus des Trailers vollkommen, der Film untergräbt sich pausenlos selbst mit seiner Handhabe von Superman und seinem Platz in der Welt. Nicht zuletzt dadurch, weil Papa Kent (und Ma Kent scheint das in BvS fortzusetzen) blöde Tipps geben, die Superman jegliches Fundament nehmen, überhaupt Gutes zu tun. Dann aber das Finale und insbesondere der Epilog, in dem eigentlich sämtliche thematischen Fäden, die ja immerhin vorhanden waren, zusammengeführt werden müssten. Aber nicht nur fehlt eine Auseinandersetzung Supermans mit seinem Platz auf der Erde, es fehlt eine Auseinandersetzung mit den Konsequenzen seiner Macht und seiner Taten, der Zod Mord ist schnell abgehakt und dann ist Supes schon der kess grinsende Supertyp, der inkognito beim Planet arbeitet, Überwachungsdrohnen vom Himmel holt und unpassenderweise von Soldatinnen angeschmachtet wird. Das, was in MOS schon hätte passieren sollen, in Andeutungen, haben sie nun scheinbar auf BvS verschoben. Besser spät als gar nicht. Aber wenn MOS Superman wirklich als "unentschlossenen Retter" erforschen wollte, dann hätte der Film nachdenklicher, bedrückter enden müssen. Denn die erste Prüfung als Held muss man eigentlich zum größten Teil als gescheitert ansehen. Er hat getötet, hat sein eigenes Volk vernichtet, hat viel Zerstörung, Leid und Tod in Metropolis angerichtet bzw. nicht verhindern können - da müsste ein unsicherer Held, wie dieser Superman scheinbar einer sein sollte, eigentlich komplett gebrochen sein. Dem widerspricht aber der Film und da dieser sich ernst nimmt und sich als anspruchsvoll präsentiert, ist das nicht so einfach unter "immerhin hat's Spaß gemacht" abzuspeichern.
Argento schrieb:
"Im MCU hat Marvel einen Ton und eine Handhabe gefunden, die funktioniert."
Wobei man das ja auch differenzierter betrachten kann. Wirklich einheitlich ist der angeschlagene Tenor dort nun mittlerweile nicht mehr. CAPTAIN AMERICA II ist beispielsweise das Paradebeispiel eines grantigen und düsteren Films und geht in eine andere Richtung als vieles andere aus der Marvel-Werkstatt.
Na ja, "düster" ist das Popkultur-Unwort des bisherigen Jahrtausends. Hat für mich nahezu komplett an Bedeutung verloren, wobei du es hier einigermaßen so zu verwenden scheinst, wie ich es ursprünglich immer empfunden habe. Aber als wirklich düster oder grimmig für ich Cap2 nicht bezeichnen. Vielleicht als düsterER, als grimmigER, aber nur im Vergleich zum restlichen MCU. Und natürlich gibt es auch im MCU Unterschiede. Das ist ja auch ein beliebter Kritikpunkt, dass die Filme alle gleich seien. Sind sie natürlich nicht, nur werden nach nun einem Dutzend Beispielen natürlich so manche Dinge offensichtlich. Marvel hat einen Ton und eine Handhabe gefunden, die sich anwenden und anpassen lässt, innerhalb eines gewissen Rahmens, der so unterschiedliche Filme wie Cap2, IM3, Thor2 und Guardians hervorbringen kann. Das Schöne an Cap2 ist ja, dass der durchaus ein wenig mehr versucht, sich an etwas komplexere Themen wagt, diese halbwegs ordentlich mitführt und dennoch enorm viel Spaß macht.
Argento schrieb:
"Warner/DC versuchen das anders und sind auch nicht gerade subtil darin,
ihre Anti-Humor Tour und ihre inhaltliche Bedeutsamkeit zu betonen."
Subtilität ist weder ein Qualitätsgarant noch als wertiger als das Offensichtliche oder das polemische einzustufen. Deswegen kann ich den - von mir eventuell hineininterpretierten - kritischen Unterton nicht wirklich greifen.
Das subtil bezog sich eher darauf, dass Warner/DC sehr viel Wert darauf legen, dass jeder mitbekommt, dass ihre Filme "ernst", "humorarm" und "nicht für Kinder" sind. Ich habe an anderer Stelle bereits geschrieben, warum komplexe Themen und Ideen besser in Dramatisierung und Abstraktion funktionieren, als durch klar und plump auf den Punkt kommende Fakt-Aussagen.
Argento schrieb:
"...und insbesondere "Iron Man 3" mehr Köpfchen als ein MOS."
IRON MAN 3 ist für mich beispielhaft für einen gescheiterten Marvelfilm.
Insbesondere dieser Film krankte an seiner völlig übertriebenen Selbstdistanzierung (die von Shane Black ohne Ende befeuert wurde) und an seiner Ziellosigkeit. Der Film zeigte auch eindrucksvoll, dass ein Charakter wie Tony Stark in seinem dritten Solofilm schlichtweg nichts relevantes mehr hergab. IRON MAN 3 ist ein Film, welchem man zu jeder Minute anmerkte, dass es ihm schwerfiel, sich für sich selbst zu begeistern.
Irgendwie konsequent.
Wie unsere unterschiedliche Sicht auf MOS, nur umgekehrt. Ich finde, dass Tony Stark sich besser, intensiver und anschaulicher mit seiner Heldenidentität, der durch die Avengers veränderten Welt, der Konsequenz seiner Macht und der daraus resultierende Frage nach persönlicher und genereller Verantwortung beschäftigt, als Superman in MOS. Und IM3 macht dreimal mehr Spaß als MOS. Durch die Auftrennung von Stark und Iron Man Rüstung hat Shane Black ein mehr als anschauliches Bild für diesen inneren Kampf gefunden, und im Ende mit dem Metallsplitter einen passenden Schlusspunkt dafür gesetzt. Am Ende ist Tony von seiner Angstparalyse befreit und hat seinen Platz in der Welt gefunden. Er ist Iron Man, sagt. Mit und ohne Rüstung. Und das finde ich als Umgang mit Superheldenikonographie und dergleichen spannender, als alles, was mir MOS vorgesetzt hat. U.a. dadurch, weil es überwiegend konsequent und einheitlich geschah und nicht durch eine fix angepasste Fortsetzung geradegerückt wird.