Contagion ~ Soderbergh, Damon [Kritik]

Layla

Nordisch by Nature
Aus unerfindlichen Gründen liebe ich ja solche Virus-legt-die-Erde-lahm Filme und schau' auch den RTLII Trash, wenn ich nichts anderes zu tun habe. Deshalb freu ich mich natürlich umso mehr auf Contagion. Zur Besetzung muss ich wohl nichts sagen und der Trailer schaut echt gut aus. Meinetwegen etwas unspektakulär, aber mir soll's recht sein.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Gerade gesehen und leider für nicht gut befunden. Handwerklich ansprechend, aber für einen Film über eine erschreckend tödliche Seuche erschreckend spannungsarm, gefühlsarm, reglos.

Könnte mit geringen Änderungen auch eine neutrale Doku über eine fiktive Seuche sein.
 

Joel.Barish

dank AF
Hm... echt? Wollte den morgen wahrscheinlich gucken. Du widersprichst ja schon der einen oder anderen US-Reaktionen, die allerdings für meinen Geschmack überraschend euphorisch klangen.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Ich würde sagen, dass man bei dem Thema drei große Richtungen vermuten könnte: einen Thriller vom Schlage Outbreak, in dem es irgendwann gegen Vertuschungen geht und Dinge explodieren; eine Schreckensvision mit Horrorelementen wie Carriers, die bangen lässt, das uns sowas nie widerfährt und in dem jeder Kontakt zur schaurigen Bedrohung wird, oder aber auch ein Drama vom Schlage eines Blindness, in dem die Hauptproblematik nur dafür da ist, eine ernste Charaktergeschichte zu erzählen.

Dass es kein Actioner und eher ein realistischer Blick aufs Thema werden würde, hatte er ja vorher schon angekündigt, deswegen hatte ich das auch nicht erwartet. Auch Horror nicht, weil das nicht seine Richtung ist. Aber mich erstaunt wirklich, dass ihm so wenig an den Charakteren liegt. Ist natürlich toll besetzt der Film, aber mit so vielen Gesichtern, dass man von jedem immer nur Schnipselchen sieht. Es gibt keine Hauptfigur, die alles verknüpft oder am stärksten im Vordergrund steht. Und auch wenn einige von ihnen harte Schicksale erleben, ich verrate natürlich nicht wer oder was, wird alles so schnell durchgewunken, dass abgesehen von der Eröffnungsszene nichts wirklich berührt. Meistens wird sehr rasch gestorben und bevor man schlucken kann, gehts schon nüchtern mit der nächsten Szene weiter.

Die Wissenschaftler, die hier gegen die Uhr nach einem Heilmittel suchen sollten eigentlich auf glühenden Kohlen hüpfen, weil das Bestehen der Menschheit nur noch von ihnen abhängt, aber die gehen da mit einem Elan dran, als ginge es nur drum, den aktuellen Minesweeper Highscore zu knacken. Der Film zeigt es relativ authentisch, das mag schon stimmen, und ist fantastisch darin, die möglichen Übertragungen im Alltag zu verfolgen, aber das gesamte Geschehen wird ohne größere Gefühlsregung eingefangen. Es scheint mir, als wollte er diesen fiktiven Fall wirklich nur veranschaulichen, nicht, den Zuschauer irgendwas fühlen zu lassen.
 

Woodstock

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Original von Jay
Ich würde sagen, dass man bei dem Thema drei große Richtungen vermuten könnte: einen Thriller vom Schlage Outbreak, in dem es irgendwann gegen Vertuschungen geht und Dinge explodieren; eine Schreckensvision mit Horrorelementen wie Carriers, die bangen lässt, das uns sowas nie widerfährt und in dem jeder Kontakt zur schaurigen Bedrohung wird, oder aber auch ein Drama vom Schlage eines Blindness, in dem die Hauptproblematik nur dafür da ist, eine ernste Charaktergeschichte zu erzählen.

Einmal aus der Sicht von jeder möglichen Diensstelle und dann auch noch ein paar Zivillisten bzw. normale Leute. Mit Hauptaugemerk auf Matt Damons Rolle und dessen Familie nehme ich an.

Original von Jay
Dass es kein Actioner und eher ein realistischer Blick aufs Thema werden würde, hatte er ja vorher schon angekündigt, deswegen hatte ich das auch nicht erwartet. Auch Horror nicht, weil das nicht seine Richtung ist. Aber mich erstaunt wirklich, dass ihm so wenig an den Charakteren liegt. Ist natürlich toll besetzt der Film, aber mit so vielen Gesichtern, dass man von jedem immer nur Schnipselchen sieht. Es gibt keine Hauptfigur, die alles verknüpft oder am stärksten im Vordergrund steht. Und auch wenn einige von ihnen harte Schicksale erleben, ich verrate natürlich nicht wer oder was, wird alles so schnell durchgewunken, dass abgesehen von der Eröffnungsszene nichts wirklich berührt. Meistens wird sehr rasch gestorben und bevor man schlucken kann, gehts schon nüchtern mit der nächsten Szene weiter.

Die durchschnittliche amerikanische und deutsche Familie unterscheidet sich schon und in der Angstgesselschaft der Amerikaner haben diese wenigen Eindrücke vielleicht gereicht um zu schockieren. Daher die guten Kritiken. Das schnell gestorben wird und der Film einem nicht durchatmen lässt finde ich ehrlich gesagt gut. Wäre diese Situation echt könnten Ärzte oder die normale Bevölkerung auch nicht auf Pause drücken und sagen das die Apokalypse erst Morgen weiter geht. Der Film will es veranschaulichen wie es wirklich ablaufen könnte. Selbstverständlich ganz empirisch aber wenn du schon sagst das man wenig durchatmen kann, dann muss eine gewisse emotionale Bindung an die Hauptfiguren ja schon vorhanden gewesen sein sonst würde dieser Kritikpunkt ja nicht da stehen.

Andererseits habe ich mich auch schon gefragt wie man den emotioanelen Überblick bei soviele Schauspielern behalten soll. Soviele Schicksale die alle gut erklärt werden müssen. Habe mit gerechnet das es nicht ganz funktionieren kann.

Original von Jay
Die Wissenschaftler, die hier gegen die Uhr nach einem Heilmittel suchen sollten eigentlich auf glühenden Kohlen hüpfen, weil das Bestehen der Menschheit nur noch von ihnen abhängt, aber die gehen da mit einem Elan dran, als ginge es nur drum, den aktuellen Minesweeper Highscore zu knacken. Der Film zeigt es relativ authentisch, das mag schon stimmen, und ist fantastisch darin, die möglichen Übertragungen im Alltag zu verfolgen, aber das gesamte Geschehen wird ohne größere Gefühlsregung eingefangen. Es scheint mir, als wollte er diesen fiktiven Fall wirklich nur veranschaulichen, nicht, den Zuschauer irgendwas fühlen zu lassen.

Gerade das finde ich aber realistisch. Wissenschaft braucht Zeit. Wenn diese Ärzte und Biologen alles übereilen würden, würden sie erst recht keine Ergebnisse erzielen. Wenn man ein Gegenvirus oder ein Impfstoff herstellt besteht immer die Gefahr das man bei falschen Ergebnissen die Personen durch die Impfung erst ansteckt und das Gegenvirus noch schlimmer ist. Diese Leute müssen einen kühlen Kopf bewahren sonst passen sie nicht in diesen Beruf. Wenn das wirklich so rüber kommt in dem Film, dann werde ich auf der Linie wohl zufrieden sein.

Man hat nur zwei Stunden Zeit und fast ein Dutzend teure Schauspieler für dieses große CDC Warnungsvideo. Es ist ein realistisches Szenario und zielt darauf ab es auf die Spitze zu treiben um den schlimmsten Fall oder zumindest einen der schlimmsten Fälle darzulegen. Solange der Zuschauer ein wenig darüber nachdenkt wenn er die Kinos verlässt ist die Aufgabe im Prinzip erfüllt. Da findet die emotionale Bindung schon statt, nur vielleicht nicht im Kinosaal.


Sollte jetzt keine Kritik sein, ich will mir den Film nur endlich mal anschauen und werde danach nochmal was hier reinstellen. Ich muss sagen, ich freue mich auf diesen Film.
 

Joel.Barish

dank AF
Habe den gestern gesehen. Einerseits würde ich Jay zustimmen, dass der wirklich kein großes Interesse daran hat, die persönlichen Schicksalsschläge irgendwie emotional wirkungsvoll zu machen. Eigentlich alles mit Paltrow, Damon und Winslet ist schlecht. Bei Damons Handlungsstrang gibt es immerhin eine ganz nette Schlussszene, die aber irgendwie nicht zum sonstigen Film passt.

Insgesamt fand ich den Film aber doch einigermaßen gelungen. Nicht super, spitze, klasse, aber schon durchaus einen Blick wert. Ich bin auch absolut dafür, dass es keine klare Hauptfigur gab, die alles verbunden hat. Das hätte nicht gepasst, wahrscheinlich nicht mal wirklich funktioniert. Es war ein realistisch anmutendes Szenario und da braucht es keine Hauptfigur. Entsprechend stark wirkte es, wie zwischen den verschiedenen Handlungssträngen gesprungen und dennoch die Übersichtlichkeit gewahrt wurde.

Wie das Ende aussieht, war mir leider von der zweiten Minute an klar, aber das kann man natürlich auch konsequent nennen. Mit einer etwas mehr zielgerichteten Dramatisierung wäre der Schlussakt vielleicht etwas packender geworden, der ist nämlich ein bisschen antiklimatisch.

Aber der Score rockte. Den mochte ich.
 

Woodstock

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Gut, ich habe ihn jetzt gesehen.

Allgemein ein guter Film. Der Soundtrack, wenn auch alleinstehend ein musikalisches Fiasko, funktionierte in Kombination mit dem Film sehr gut.

Jay hat Recht. Emotional ist absolut jeder Charakter auswechselbar. Es interessiert dich vielleicht mal bei Matt Damons Familie oder bei dem Charakter von Kate Winslet was mit ihnen passieren wird aber der Rest ist dir vollkommen egal.

Der Film wollte ein möglichst realistisches Szenario aufzeigen und das hat mir der trockenen Nüchternheit einer Dokumentation auch getan.
Das ist ihm allerdings auf Kosten der Spannung gelungen. Denn wie gesagt, es ist eine Dokumentation, zwar eine teure und aufwendig inszenierte aber im Prinzip nur eine abendfüllende Dokumentation. Ein neues "Outbreak" ist es nicht aber es ist auch kein billiger "RTL2" oder "Syfy" Virenfilm. Es hat den Charakter einer gut inszenierten ARD/ZDF/arte Dokumentation und erklärt verständlich und gut inszeniert die einzelenen Zustände, Szenarien, Probleme usw. ohne großen Technik und Wissenschaftsgebabbel, auch wenn ich davon gerne mehr gehört hätte.

Im ängstlichen, durch die Medien verunsicherten Amerika wird dieser Film vermutlich die Leute wachrüchteln, hier würde es mich aber wundern wenn sich jemand zwei Stunden nach Ende des Films noch an etwas maßgeblich erinnert.

Fazit:
Der Film selber ist gut, keine Frage aber es ist kein richtiger Spielfilm. Die Wertung 4 bis 5 halte ich aber für zu niedrig. Wenn auch nicht für viel zu niedrig. Ich vergebe 6 Punkte.

PS: Eine allgemeine Kritik an Massentierhaltung ist auch enthalten aber im Prinzip viel zu dezent und anstatt die Problematik im eigenen Land aufzuzeigen, wird es auf die Asiaten geschoben.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Eine gute Kritik, ich denke auch, dass wir da im Grunde sehr ähnliche Meinungen haben, du nur etwas gnädiger bewertet hast.

Auch ich denke, dass es Soderbergh sehr gelungen ist, den Film authentisch wirken zu lassen. Sicherlich wäre es einfacher gewesen, wäre man cineastischer vorgegangen. Dass ein Matt Damon im Krankenhaus ausrastet, dass er schreit, dass er später heulend in der Ecke sitzt. Manche reagieren so, doch dieser Damon ist eher von der atemlosen Sorte, kann es nicht verstehen, nicht für real empfinden und steht reglos neben sich. Oder wenn die Nachbarn überfallen werden und er und sein Sohn am Fenster stehen und das mitbekommen - hier könnte man Spannung aufkommen lassen, dass die Killer vielleicht als nächstes in ihr Haus kommen (Überlebenskampf wie in The Road) oder starkes Leid, dass die geliebten Nachbarn ermordet wurden. Aber Soderbergh will weder das eine, noch das andere, und das hemmt zu sehr. Um in stillerer Herangehensweise emotional wirken zu können, bedarf es Szenenruhe, doch er fertigt die meisten Momente in kurzen 2-3 Min Szenen ab, nach denen dann schon wieder in Luxussuites, nach Hong Kong oder sonstwohin geschaltet wird. Rausgerissen aus der Möglichkeit, mitzuempfinden. Terrarium.

Von der Regie und dem Schnitt her toll gemacht, keine Frage, aber bei allem Wert auf Nüchternheit bleibt es dennoch zu simpel. Weil es so viele Figuren gibt, weil rasch zwischen Seuchenforscher, Paranoikerblogger, Politiker, Totkranken und Angsterfüllten gewechselt wird, bleiben fast alle Figuren so oberflächlich wie in einem Katastrophenfilm ala Deep Impact. Da wäre es kraftvoller gewesen, sich auf weniger Figuren zu beschränken. Dabei kommen auch viele Darsteller zu kurz, eine Marion Cotillard ist hier beispielsweise völlig verschenkt. Spätestens das unnötige Käsekuchenende lässt dann nur noch schwerlich mitfiebern, denn dafür, dass es eine sachliche, emotionskalte Darstellung eines solchen Themas sein will, endet es fast schon im Kitsch. Gut möglich, dass er vielleicht im Sinn hatte, das Mantra "the death of one is a tragedy, the death of a million is just a statistic" kritisch zu beleuchten, aber dann kann er nicht in der Eröffnungsszene nah rangehen und da einmal kurz Mitleid empfinden lassen.

Die Besetzung ist gut, wenn auch verschenkt, der Film ist toll gemacht, lässt jedoch nichts spüren, und obwohl das Thema interessant ist, endets zu kitschig.

Ich gebe 5/10
 

Joel.Barish

dank AF
Na ja, das passt jetzt mit der Ähnlichkeit unserer Eindrücke nur so gut, weil du plötzlich eingesehen hast, dass der doch nicht so schwach ist, wie du erst meintest. Lass es jetzt nicht so klingen, als wäre ich der inkonsequente Softie, der zu nett bewertet. :nene:

Du meintest ja ursprünglich auch, dass es eine klarere Hauptfigur geben sollte oder eine Figur, die als Knotenpunkt für die anderen Handlungen fungiert. Und genau das ist eine der Stärken des Films, dass es so eine Figur nicht gibt. Der Film will ja nicht der "Short Cuts" oder "Magnolia" der Viren-Thriller sein, sondern einen weitreichenden Überblick über Mechanismen, Abläufe und Schicksale geben. Ich hätte es gerne sogar noch extremer, wenn man sich noch mehr außerhalb der USA aufgehalten hätte. Und die emotionale Nüchternheit ist teilweise ja auch effektiv. Sie wird nur zum Problem, wenn man sieht, dass es hier eigentlich wirklich emotional sein müsste, weil man sich manche Sachen aus dem Katastrophenfilm-Bausatz nicht verkneifen konnte.

Und wo ist das Ende kitschig? Der Damon-Strang endet ein bisschen so, aber auch das würde ich nicht kitschig nennen. Das tatsächliche Ende ist auch so ein Standard aus Katastrophenfilmen, aber ziemlich effektiv. Die Schlussszene gehört mit zu den besten des Films.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Das Damon Ende meine ich nicht, das allgemeine. Ich hatte zu sehr das Gefühl, dass
sie alle urplötzlich von Glück gerettet werden. Was ja durchaus möglich sein kann, so wie es Pech war, dass alles überhaupt begann. Aber *schnips* und das Problem gelöst war mir hier zu einfach. Ich brauchte kein Happy End, kein Aufatmen. Ich hätte es demnach sogar am besten gefunden, hätte es ein offenes
Ende gegeben.

Ich würde sogar sagen, dass die finale Szene unnötig ist. Das was da gezeigt wird, konnte man sich so doch auch denken. Also, genau so hatte ich mir das zuvor vorgestellt, nichts anderes. Ich empfand das weder als Wende, noch als Aha-Moment.

Und wie du sagst, diese distanzierte Nüchternheit kann effektiv sei, diese Mechanismen mal von etwas weiter weg zu betrachten. Aber dann ist es auch nur das: Betrachtung, die nicht betrifft, beeinflusst, bewegt. Dann fehlte etwas zum nachdenklich stimmen. Tiefe hatte er meiner Meinung nach nicht.
 
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