Hallo Presko,
nun möchte ich auf deinen Kommentar eingehen.
So schön, dass es Dir gelungen ist, Deinen Weg allen Widrigkeiten zum Trotz einzuschlagen, und auch grossen Respekt dafür, wie Du das geschafft hast. Ich hoffe ganz stark, unsere Gesellschaft geht weiter in die Richtung, wo das immer besser und selbstversändlicher möglich ist.
Ich denke schon, daß unsere Gesellschaft in Sachen Homo- und Trans*-Personen immer offener wird, was man vielen Bereichen zu verdanken hat: einerseits haben immer mehr Transgender den Mut sich zu zeigen, andererseits ist das Thema schon längst in den Medien angekommen, was für Aufmerksamkeit sorgt. Und natürlich sollte man den Einfluß des Internets nicht vergessen. Natürlich wird nicht jeder auf diesen Zug aufspringen, somit wird es weiterhin Intoleranz und Vorbehalte geben. Für mich ist das völlig ok - ich muß selbstredend auch liberal gegenüber den Leuten sein, die damit nichts anfangen können.
Junge Generationen (und kommende) werden mit diesen Aspekten noch leichter umzugehen wissen, denn unsere Generation ebnet gerade den Weg für Verständnis in der Gesellschaft, somit wird es irgendwann ganz sicher zur Normalität gehören da künftige Generationen (anders als ich/wir) schon damit aufwachsen. Selbst während meiner langen Transition sah ich eine positive Entwicklung in Sachen Aufgeschlossenheit unter den Menschen, deshalb blicke ich sehr optimistisch in die Zukunft.
Aber obwohl Du jetzt die Jennifer bist, unterscheidest Du immer noch scheinbar sehr bewusst, zwischen deinen eher "männlichen" und eher "weiblichen" Seiten, und manchmal liest es sich für mich fast schon so, als möchtst Du die Sachen, die Du noch als männlich wahrnimmst, loswerden.
Ich denke das liegt einfach daran, daß ich männlich geboren, so erzogen und aufgewachsen bin. Auf diese Weise verinnerlichen sich die "traditionellen" männl. "Werte"/Eigenschaften, alles weibliche kam erst später in meinem Leben hinzu, hat dabei aber nicht alles männliche verdrängt.
Vielleicht lese ich es aber auch falsch. Aber wieso eigentlich? Sind das nicht sowieso sehr oberflächliche Zuschreibungen von männlich-weiblich? Das ist dann wieder meine Frage, warum ist das eine eher "männlich" und das andere eher "weiblich"?
Mit dieser Frage bist du auf einer Ebene, wie Trans*-Personen die sich keinem Geschlecht unterordnen möchten. Was männlich oder weiblich ist, bestimmt ganz einfach unsere gesellschaftliche Geschichte - irgendwann vor 100ten von Jahren wurde entschieden was als weiblich oder männlich gilt. Seitdem ist die Welt moderner geworden und vieles von den damaligen Ansichten hat sich geändert - viele Änderungen der letzten 50, 60 Jahre haben wir der Frauenbewegung und Emanzipation/Feminismus zu verdanken. Letztendlich bietet deine Frage genug Diskussionsstoff und jede*r wird dazu seine eigene Meinung haben.
Machen wir uns damit nicht selbst das Leben schwer und stärken wieder die alten Stereotype?
Zunächst einmal sehe ich es sehr positiv, daß sich Außenstehende überhaupt so viele Gedanken darüber machen! Ich finde, es liegt an jedem selbst wie man damit umgeht - wie gesagt, selbst in der Trans*-Gemeinde gibt es hierbei unterschiedliche Ansichten.
Ich meine, Du bist einfach Du, die Jennifer. Wenn ich meine Eigenschaften abgleichen würde, mit dem was so den labels "männlich" oder eher "weiblich" zugschrieben wird, wäre ich auch fast mehr Zweiteres, glaub ich.
Das klingt ja sehr interessant, daß du dich von deinem Charakter/Persönlichkeit (?) eher zum weiblichen zugeschrieben siehst - ich glaube, daß würden nicht viele einfach so sagen. Aber Charakter, innere Werte, Persönlichkeit, Wesen, Individualität sind nur eine der vielen Seiten - wie sieht es denn mit deiner optischen aus? Würdest du denn auch in Damenmode und Schminke auf die Straße gehen?
Darf ich fragen, in welchen Bereichen du dich gezielt zum weiblichen Geschlecht zugehörig fühlst?
Nur, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, ich will damit überhaupt nicht deine Idenität als Jennifer in Frage stellen. MIr geht es mehr, um diese kleineren nachgelagerten Unterscheidungen im Alltag von einzelnen Charaktereigenschaften. Und das wäre auch meine Frage an alle, unterscheidet ihr zwischen männlichen und weiblichen Eigenschaften? Wie wichtig ist Euch das im Alltag?
Für mich als Transgender gibt es im Alltag einige Unterscheidungen die ich klar zwischen m und w trenne, aber auch einzelne die "fließend" in einandergreifen, oder gar geschlechtsunabhängig sind. Bleibe ich bei letzteren trifft das auf meine Arbeit im Büro zu, wobei das Geschlecht keinen großen Einfluß auf meine Arbeit oder Umgang mit Kollegen*innen betrifft. Ähnlich geht es mir auch bei der Ernährung oder Einkauf von Lebensmitteln. Ich kaufe recht "üppig" Fleischprodukte beim Fleischer, Backwaren beim Bäcker und als Naschkatze komme ich weder an Kuchen, Torten, Gebäck oder Süßigkeiten vorbei. Der eigentliche Unterschied den ich als w hierbei zu Männern sehe ist, daß man als Frau wohl mehr auf die Figur achtet - man möchte auch weiterhin in sein Lieblingskleid passen und in einer Leggings möchte man nicht wie eine Presswurst wirken...Mir schmeckt eben alles so gut, da hilft nur ein Gymnastik-Workout um die Linie zu halten.
Den größten Unterschied den ich (für mich) ausmache, liegt bei körperbezogenen Dingen. Körperpflege wie Lotions, Cremes, Parfum, Schminke, etc. kaufe ich nur als Frauen-Produkte, dito was Damen-Hygieneprodukte (wie Slipeinlagen..) betrifft. Was Mode angeht muß ich glaube ich nicht groß darüber berichten - keine Ahnung, wann ich das letzte Mal männerbezogene Klamotten trug?
Was Aussehen, Styling und Pflege betrifft kann man auch von oberflächlichen Eigenschaften sprechen, denn für die meisten zählen innere Werte und hier ist es tatsächlich schwer zu unterscheiden, was eindeutig zu w oder m zu zählen ist, bzw. wie man diese als Transgender wahrnimmt und ausdrückt. In meinem Umgang mit Menschen tendiere ich dahin zu sagen, daß ich mich (allgemein) mit Frauen (bzw. meinen Freundinnen) in einem betont-femininen Stil austausche. Die Kommunikation nehme ich unter Frauen ganz anders war, als wenn ich mit Männern spreche, was sicher an anderen Themen liegt.
Und, könntet Ihr Euch eine Welt ohne Unterscheidung der Geschlechtsidentitäten vorstellen? Wäre das eher etwas Positives oder fändet ihr das eher negativ?
Ein interessanter Punkt, bei dem man sich schnell unbeliebt machen kann - jedenfalls bei denen die für eine "Welt ohne Unterscheidung" streben. Persönlich bin ich weiterhin für eine Unterscheidung der Geschlechtsidentitäten und möchte mich klar einem Geschlecht zu ordnen.
Was Positiv oder Negativ betrifft mal ein Beispiel, daß in der Trans*-Gemeinde öfter diskutiert wurde. Nämlich der Bau/Nutzung von öffentlichen Unisex-Toiletten, praktisch eine Toilette für ALLE. Ich finde diese Idee nicht gut und bin dafür, daß öffentliche Toilette bleiben wie sie sind. Viele stören sich an der Trennung bezüglich des Geschlechts, ich finde gerade diese Trennung im öffentlichen Raum hat ihren Sinn - Frauen und Männer sollen sich eine Toilette teilen, wie viele Frauen würden sich wohl noch trauen diese zu nutzen?
Bei aller Toleranz, sollte bei bestimmten Sachen eine entsprechende Grenze gezogen werden.
P.S. Ich hoffe, es ist ok, wenn ich diese allgemeineren Fragen, hier in dem Thread unterbringe. Ich will den Thread jetzt nicht kapern und inhaltlich in eine ganz andere nicht von Dir intendierte Richtung lenken, Jennifer.
Keine Angst, das sind alles legitime Fragen und ich freue mich darüber meine Meinung schreiben zu können!
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Auf der Seite werden auch Symbole wie * ...
Das Sternchen "*" ist mit dem Gendern aufgekommen und ich finde das eine gute Idee, um schnell beide Geschlechter zu Papier bringen zu können: statt Kollegen und Kolleginnen zu schreiben, "teilt" man einfach - Kollegen*innen. Die Schreibform ist lediglich ein Teil, wobei das Gendern auch andere Ziele verfolgt.
Jennifer