Das Buch, das mich zuletzt am meisten beeindruckt hat (deswegen ausnahmsweise eine etwas längere Rezension):
Vladimir Sorokin - Manaraga
"Manaraga" ist der neueste Roman von Vladimir Sorokin. In dieser surrealistischen Dystopie geht es um eine Zukunftswelt, in der die gedruckten Bücher von den digitalen komplett verdrängt wurden und die letzten Exemplare in Museen aufbewahrt werden. Als Nebeneffekt hat sich ein besonderer Schwarzmarkt enwickelt: Untergrund-Meisterköche lassen solche Schätze stehlen und verwenden sie (im Auftrag von dekandenten Reichen) als Brennstoffe beim Grillen, um darauf klassischen Gerichten eine besondere Geschmacksnote zu verleihen.
Dabei hat sich jeder auf unterschiedliche Länder spezialisiert; bei dem Erzähler sind es die russischen Klassiker von Dostojewski, Tolstoi & Co., auf deren Feuer er verschiedene Gerichte zubereitet. Das ist nicht nur ein teuerer Spaß für seine Kunden (oft sind es ganz seltene Erstausgaben), sondern ist auch mit der Gefahr verbunden, dafür verhaftet und eingelocht zu werden. Alles ändert sich, als das Gerücht auftaucht, dass es eine neue Technologie gibt, mit der man die gedruckten Bücher in beliebiger Menge reproduzieren kann, ohne dass sie sich vom Original unterscheiden (also z.B. diverse Bleistift-Markierungen oder Eselsohren).
Interessant ist dabei die Mischung aus Science-Fiction (es gibt u.a. eine weit entwickelte Nano-Technologie, künstliche Intelligenz und implantierte Chips) und Surrealismus, die in den neueren Werken von Sorokin oft zu finden ist.
Der Autor überzeugt hier wieder mit einem ausgezeichneten Schreibstil und sehr originellen Ideen, die trotz ihrer teilweise unrealistischen Elemente unmittelbar mit unserer Realität zu tun haben. Denn im Grunde geht es um die (befürchtete) Verdrängung des gedruckten Buches durch Ebooks und um die Buchverbrennung, die in diesem Fall in einem ganz neuen Kontext verwendet wird.
"Manaraga" entstand nach einer langen Pause, in der Sorokin sich nur auf Malerei konzentriert hatte; erst hieß es, dass er überhaupt nie wieder etwas schreiben will, doch zum Glück hat er es doch noch gemacht. Hoffentlicht wird er uns noch weitere verrückte Ideen dieser Art vorsetzen.
Mit Bücherverbrennung hat der Autor übrigens selbst seine Erfahrungen gemacht, als seine Werke vor einigen Jahren von den Anhängern einer rechtspopulistischen russischen Organisation öffentlich verbrannt wurden.