Wie könnte ich meiner verehrten Frau nur widersprechen?
Seht, wie hübsch sie heute einmal mehr ist. Das dürfte doch selbst euch nicht entgangen sein, wo ihr sie doch sonst aufgrund sentimentaler Erinnerungen an die andere Frau, die einst an meiner Seite stand, stets zu ignorieren versucht. Manchmal wünschte ich allerdings, sie würde es öfters bei ihrem hübsch sein belassen und ihre überschäumende, leider kaum auszumerzende Redseligkeit im Zaume halten. Worte soll ich also nun an euch richten. An euch, meine Gäste. Weihnachtsworte. Doch hatte ich euch überhaupt geladen, erinnert mich? Na, wo ist nur meine Gastfreundschaft. Ho, ho, ho.
Natürlich empfange ich euch, meine Kinder, dass ihr mich schon wieder mit eurer kostbaren Zeit beehrt. Zeit, in der ich mich anderweitig mit einem guten Brandy, einem ausgewählten Wälzer und einer anschließend (hust) lebendigen Nachtgestaltung meiner jungen, werten Verehrten aufheitern könnte, ablenken von all den Erinnerungen, die Gesichter wie die euren in mir wecken und weckten, anstatt dass ihr euch selbst um die Fortführung eurer Lebenslinien kümmert, um selbst einmal oder einmal mehr Empfänger solch liebenswerter Plagegeister zu sein, wie ihr es mir ward und noch seid. Natürlich scherze ich. So wie meine angeblich besten Freunde in eurer Mitte zu scherzen pflegen, lachen sie hinter meinem Rücken über das, was sie mir noch schulden. Wieder ein Scherz, natürlich dulde ich ihre Anwesenheit per se, so wie sie die meine lange genug ertrugen. Vielleicht zu lange.
Geduld habe ich auch mit dir, Nachfolger. Das sind bekanntlich große Spuren in die du da trittst, und auch wenn dir natürlich längst bewusst ist, dass dir niemals der Ertrag, der Lob und der Neid wissentlich zustehen wird, wie er mir, meiner Mühen zustand und den ich lebte, genoß und der mich zu dem gemacht habe, was ich heute bin - der, der die Tischrede gibt, was euch allen zu denken geben sollte - so bin ich doch gewillt, dich nicht, noch nicht abzuschreiben. Gut möglich, dass du zumindest doppelt so gut mit den Finanzen werden wirst wie meine Frau mit ihren Kochkünsten, oder ihren Lenden, die, ich sage es euch, wesentlich mehr versprechen als zu geben wissen. Aber das wisst ihr von euren, anwesenden Damen sicherlich zur Genüge. Ein Prost auf euch, Damen.
Was eure Anwesenheit in meinen Gemächern betrifft, so kann ich verraten, dass ich offen gesagt wenig darauf gebe, weihnachtliches Miteinander mit euch zu feiern. Aus dem Alter bin ich raus und auch aus der Lust bin ich heraus, dieses plakative Scheinfest leerer Phrasen zu feiern. Aber wo ihr schon mal hier seid und ihr es wenigstens seid, die mir eher gefallen als alle jene, die ich mit meinem Zaun des Manors abzuhalten und fortzuhalten versuche, will ich mal nicht so sein und dieses eine Weihnachtsfest mit euch verbringen. Ich verspreche, dass sich der Besuch lohnen wird, habe ich doch Kenntnis von etwas, das euch in höchstem Maße interessieren wird. Ein Wissen, das Brisanz auslöst. Ich freue mich bereits auf eure Reaktionen, aber die werden mir nicht mehr heute zugetragen, da wir heute nur zu Essen gedenken. Bei geeigneter Zeit erfahrt ihr, was unser aller Miteinander verändern wird. Ich selbst werde noch zum Essen bleiben, euch dann jedoch früh verlassen. Ich habe noch wichtiges zu tun, Dinge, die größere Aufmerksamkeit verdienen als unser Palaver, das wir auch morgen fortsetzen können. Aber ich verspreche, dass es sich in bälde als lohnend herausstellt, das wir uns alle versammelt haben. Also dann, es sei aufgetischt...