Ach Uwe.
Wie immer: Differenzierung ist angebracht und persönliche Geschmäcker außen vor, weil es in dem Kontext nicht um gut/schlecht geht. Darüber hinaus finde ich selbst einige Boll-Filme hundsmiserabel.
Jetzt schaue man sich aber mal die Fakten an, und dann beginnen wir mit FIRST SHIFT. Ich hätte es unter den derzeitigen Marktbedingungen nicht für möglich gehalten, dass Boll nach dieser langen Pause ein solches Projekt stemmen kann. Sämtliche Vertriebs- und Produktionskanäle, die er früher hatte, funktionieren nicht mehr so wie früher oder sind schlicht nicht mehr existent. Der DtD-Markt ist bis auf wenige Ausnahmen tot oder nur mit Budgets rentabel, die einen Film dann exakt so aussehen lassen, wie die meisten DtD-Premieren mittlerweile halt aussehen. Das gilt selbst für "sichere Nummern" wie Vehikel für Lundgren, JCVD und überwiegend Adkins. Schlussendlich waren diese Veränderungen ja auch ein Hauptgrund, warum sich Boll damals zurückgezogen hat; abgesehen von den steuerlichen Tricks der früheren Jahre funktionierte sein Geschäftsmodell der letzten Jahre eben nicht mehr. Hatten einst solide DtD-Werke Budgets bis zu (!) 10 Mio. (Und teilweise noch höher), wird es heute selbst bei namhafter Besetzung schwierig, für solche Filme mehr als 2 Mio. aufzutreiben. Das sind dann Ausnahmen. Er musste also entweder mit kleineren Budgets arbeiten, oder hohes Risiko eingehen wie bei DARFUR. Wollte und/oder konnte er scheinbar nicht und der nächste Schritt rein ins Streaming blieb ihm dann verwehrt, was ich nicht nachvollziehen kann, aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Also dann die Rückkehr. HANAU lassen wir jetzt mal außen vor, weil das ein sehr spezielles Projekt war, das in Ansätzen aber durchaus interessant war. (Das war übrigens auch das letzte Mal, dass ich mit ihm sprach)
Nun also ein Cop-Film. Das sieht jetzt ziemlich günstig und auch nicht wirklich gut, aber eben auch nicht wirklich beschissen aus, näheres kann man ja noch nicht sagen. Wie ein durchschnittlicher TV-Film der Woche früherer Prägung. Aber er hat es eben gestemmt bekommen, hat einen Verleiher gefunden, das Ding soll ja sogar ins Kino kommen. Das muss man ihm auf geschäftlicher Ebene erst einmal nachmachen. Jahre nix, dann back to work inklusive Kinostart. Und das eben wieder ohne großen VL im Rücken, der ihm den Bums bezahlt. Ehrlich gesagt ist es mir ein Rätsel, wie er das hinbekommen hat. Dazu steht mit RUN schon der nächste Film in den Startlöchern. Ich ziehe da einfach den Hut, losgelöst von der etwaigen Qualität. Hätte ich nicht für möglich gehalten.
Die Nummer mit POSTAL 2 ist gänzlich anders zu bewerten. Scheinbar will oder kann er den nicht Low-Low-Budget umsetzen, Verleiher garantieren auch nicht die Summe und würden ihn außerdem garantiert bremsen. Das ist ihm dann auch zu heiß, daher also halbherzig Crowdfunding. Eine in der Form völlig falsche Entscheidung, die zum scheitern verurteilt war. Einerseits hat er mit Crowdfunding schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht und wollte das auch nicht nochmal machen, was man merkt. Dazu ist die Summe für dieses Projekt viel zu hoch angesetzt, und die Kampagne an sich einfach schlecht gemacht, wenn man es mit anderen Kampagnen vergleicht. Wie so häufig schätzt er das Interesse der Zuschauer völlig falsch ein, das gilt ja auch für seine Buchprojekte, aber er ist da beratungsresistent. In der Form konnte das nicht funktionieren. Und genau mit solchen halb-größenwahnsinnigen Aktionen macht er sich seinen Ruf / sein Ansehen immer wieder selbst kaputt. Sehr schade, denn ich denke schon, dass ein Film wie POSTAL unter den richtigen Voraussetzungen in Zeiten wie diesen (Wokeness, politische Korrektheit usw usw. - keine Wertung übrigens, sondern einfach nur beobachtend) mit offenen Armen aufgenommen würde. geht man da aber so größenwahnsinnig und blind heran, macht man sich selbst die Tür zu.