Wirklich Leute? Dieser Thread zum GB Reboot hat jetzt knapp 200.000 Klicks und knapp 2.000 Antworten. Eine große Mehrheit dieser Antworten befindet sich im Bereich von "gefällt mir nicht" und "riesengroße Scheiße". Und aktuell ist man uneins, wie Trailer funktionieren und welche Meinungen man anhand eines Trailer haben kann und darf. Und nur ein knappes halbes Dutzend Leute hat diesen Film überhaupt gesehen bisher. Freunde, die gesamte Ghostbusters-Geschichte - hier und anderswo im Netz - nimmt mir ein wenig den Glauben daran, das Internet könnte eine gute Idee gewesen sein.
Natürlich darf man sich anhand eines Trailers eine Meinung bilden. Ja, u.a. dafür sind diese Dinger da, um zu entscheiden, ob man diesen Film sehen möchte, ob man bereit ist, sein Geld und seine Aufmerksamkeit/Zeit für diesen Film zu opfern. Natürlich darf man Missfallen ausdrücken, aber irgendwann ist der Punkt einer subjektiven/persönlichen Reaktion überschritten. Irgendwann ist eine Reaktion mehr als ein "sieht blöd aus, interessiert mich nicht, hätte ich gerne anders", sondern eine Vorverurteilung, die insbesondere in diesem Fall von GB häufig unschöne Züge angenommen hat. Sich im Misserfolg eines Films suhlen, auf ein Scheitern zu hoffen, dieses Scheitern zu erzwingen und zu wilden Vokabeln zu greifen, um zum wiederholten Male einen Film als den "allerletzten Scheiß" zu bezeichnen, den man in seiner Gesamtheit noch nicht gesehen hat, ist schon äußerst fragwürdig. Und das fing für GB ja schon mit der Produktionsankündigung an und wurde dann beim ersten Trailer offensichtlich. Diese Negativwelle, die über den Film hergezogen ist, ist unverhältnismäßig extrem und geht weit über ein gesundes Maß an Fan-Reaktion und -Austausch hinaus. Hier wurde gezielte Anti-Stimmung gegen den Film gemacht, weil eine stetig größer werdende Gruppe beschlossen hatte, dass dieser Film aus welchen Gründen auch immer ein Flop werden muss, um ein Exempel zu statuieren.
Was mir seit einer Weile schon aufgefallen ist, dass es keine Nuancen mehr gibt. Alles ist entweder super gut oder der allerletzte Mist. Alles was nicht ausdrücklich als Lob gemeint ist, ist sofort eine üble Beleidigung. Das spürte man auch hier im Diskurs über Sexismus (ich wiederhole mich, aber egal), wo niemand auch nur ein Minimum von seiner Position abrücken wollte, weil das ja angeblich gleichbedeutend wäre, hasserfüllter Sexisten-Abschaum zu sein. Man ignorierte lieber Hass-Kommentare und Online Flashmobs, die im Netz kursierten, oder redete diese klein, statt sich zu hinterfragen, was man persönlich zur Besserung dieser Situation beitragen könnte. Dann wurde hier sogar angesprochen, dass man ja von klassischen Rollenbildern beeinflusst und erzogen wurde, aber statt das als Ansporn zu nehmen, ein paar mentale Türen zu öffnen, wurde es als Begründung genommen, warum diese Türen verschlossen bleiben sollten. Das verstehe ich nicht.
Auch verstehe ich nicht dieses Festhalten an einem "echten" Ghostbusters 3. Ich kann verstehen, dass man sich den irgendwann einmal gewünscht hat(*), aber dass der nicht mehr kommt war doch schon vor diesem Reboot absehbar. Und ja, natürlich darf man Unmut äußern, aber bis heute ist mir unbegreiflich, warum so eine Enttäuschung immer und immer wieder betont und wiederholt werden muss und warum aus dieser Enttäuschung ein solcher Hass entsteht. Und es ist definitiv Hass und nein, das ist keine kleine Minderheit. Vielleicht ist es nicht die absolute Mehrheit, aber die Aggressoren sind zahlreich genug - und laut genug sowieso - dass man als echter GB Fan der gleichzeitig ein anständiger Mensch sein will doch langsam mal erkennen dürfte, dass dieser Film Reaktionen hervorgerufen hat, die abscheulich sind, die sich doch eigentlich keine Fan-Gruppe ans Bein binden möchte. Und bitte nicht falsch verstehen: Der Film ist der Auslöser, trägt aber nicht die Schuld an diesen hässlichen Vorfällen. Oder will man jetzt auch Paul Feig dafür verantwortlich machen, dass eine
Negativkritik zu einem übelst rassisitischen Hass-Shitstorm gegen Schauspielerin
Leslie Jones geführt hat, die kurzzeitig von Twitter Abstand nahm, bis der Anstifter des Shitstorms
von Twitter auf Lebenszeit gebannt wurde?
"Wir" (damit meine ich mal grob den so genannten "Westen" im Altersbereich von 12 bis 45) haben als vage verallgemeinerte Gruppe(**) irgendwelche Traumata, irgendwelche "Leichen im Keller", haben Hebel, die sich umlegen lassen und unsere Vernunft aussetzen lassen. GB ist kein Einzelfall. Vor etwa zwei Jahren gab es im internationalen Videospielbereich eine Serie von Ereignissen und Vorfällen, die aussahen, als hätte sich mitten unter uns der Höllenschlund geöffnet. Dann wurden vor nicht all zu langer Zeit Handys und Computer von Berühmtheiten gehackt und intime/private Dokumente veröffentlicht - statt Aufruhr und dem Schrei nach Gerechtigkeit und Respekt der Privatsphäre nahm eine zahlenmäßig große Gruppe das maximal mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Vielerorts war man sogar dankbar über dieses kriminelle Vergehen, forderte noch mehr und schob die Schuld den Berühmtheiten zu, die diese Verletzung ihrer eigenen Privatsphäre durch das Erstellen und den Besitz dieser Dokumente ja angeblich selbst verursacht hätten. Irgendetwas lässt eine viel zu große Zahl von Menschen regelmäßig durchdrehen und jede Vernunft, jedes Maß an Beherrschung und Menschlichkeit ablegen. Die jüngsten DC/WB Filme zu Superman und Batman stellen seit Jahrzehnten etablierte Ikonen der Comic-Kultur auf den Kopf, treten diese mit Füßen und werden dann durch fadenscheinige Argumente abgewehrt, in einem Versuch, sein Gesicht und das Einspielergebnis der Fortsetzungen zu wahren. Auch viele Fans sind sich einig, dass BvS nicht der große Wurf war, doch die Reaktionen laufen gemäßigt ab. Aggressiv werden häufiger diejenigen, die in den Snyder Filmen trotz allem Meisterwerke sehen und die Ungläubigen auf Twitter wüst beschimpfen. Weil alle Star Wars VII und jeder zweite Hunger Games geguckt hat, hat natürlich nahezu niemand ein Problem mit Filmen, in denen Frauen eine oder die zentrale Rolle spielen. Dennoch hat der Trailer Justice League u.a. hier im Forum fünfmal mehr Klicks und doppelt so viele Antworten wie der gleichzeitig erschienende Trailer zu Wonder Woman. Bei YouTube (der JL Trailer wurde auf zwei Kanälen veröffentlicht) ist das Verhältnis ähnlich. Klar, in JL sind Batman und Superman dabei, die sind zweifellos berühmter. Das ist natürlich der einzige Grund für diese Diskrepanz.
Warum das alles? Warum dieses Ungleichgewicht, warum dieser Zorn, dieser Hass? Wenn schon nicht sozial/menschlich, so sollte uns doch mindestens einer dieser Vorfälle vielleicht kulturell interessieren, in der Hoffnung auf ein facettenreiches, originelles und mutiges Blockbuster-Kino. In der Hoffnung auf einen interessanten Austausch über einen Film, ein neues Spiel, einen neuen Comic, ohne seitenweise Streit und Anfeindungen über sich ergehen lassen zu müssen. Das "Fans" (was immer das heutzutage heißen mag) einen Einfluss haben, hat man bei GB ja leider gesehen. So was ließe sich doch bestimmt auch für etwas Positives einsetzen. "Deadpool" ging doch für viele schon in eine richtige Richtung...
(*)Auch wenn GB2 schon so viel falsch und schlecht macht, dass ich mich frage, welche Franchise-Ehre Feigs Reboot hier angeblich mit Füßen treten soll. Aber wem Teil 2 gefällt ... bitte.
(**)Wenn man für sich feststellt, dass man nicht zu dieser oder einer Gruppe gehört, die gerade durch negatives Verhalten im Netz auffällt, wäre es nicht schön, sich der "positiven" Gruppe anzuschließen oder zumindest sich dieser nicht zusätzlich in den Weg zu stellen beim Versuch zu beweisen, dass man selbst nicht der negativen Gruppe angehört? Klar, positiv/negativ, gut/böse sind nicht immer so simpel von einander zu unterscheiden (genaues Hinsehen hilft) und in der Hitze des Gefechts kann es passieren, dass die vermeintlich positive Gruppe dazu getrieben wird, selbst negativ zu agieren. Aber wenn man für sich persönlich eben feststellt, dass man mit einer Gruppe/Bewegung X nicht in einen Topf geworfen werden möchte, sollte man vielleicht davon ablassen, die Gegenbewegung anzufeinden und jedes kleine "Ihr seid ja selbst nicht besser" zu einem gewaltigen Ungetüm aufzublasen.