L'Avenir
Isabelle Huppert spielt die Philosophielehrerin Nathalie. Eine Frau, die ihr Leben im Griff hat. Sie führt eine gute Ehe, hat zwei inzwischen erwachsene Kinder und als Lehrerin ist sie bei ihren Lernenden durchaus beliebt. Dazu kommt eine schöne Wohnung und ein traumhaftes Ferienhaus am Meer. Also ein richtig gutes Leben. Sie selbst ist eine starke, wenn auch vielleicht ein klein wenig kühl wirkende Frau. Das einzige, was auf den ersten Blick als Riss in diesem fast schon perfekten Bild eines erfolgreichen Intellektuellenlebens erkennbar ist, ist ihre psychisch labile Mutter, welche ständig mit dramatischen Notrufen, nach Aufmerksamkeit und Zuneigung drängt. Nächtliche Notrufe bei der Tochter oder direkt bei der Feuerwehr, ohne, dass wirklich was passiert wäre, sind da keine Seltenheit.
Dann kommen weitere Erschütterungen dazu. An der Schule treten Schüler:innen aus politischen Gründen in einen Streik. Ihr Verlag will, die von ihr geschriebenen Philosophielehrmittel für eine neue Auflage modernisieren. Die Situation mit ihrer Mutter wird so schwierig, das sich Nathalie gezwungen sieht, ihre Mutter in ein Pflegeheim zu geben. Kurz darauf informiert sie ihr Ehemann, dass er eine Freundin hat und sich von Nathalie trennt. Und so beginnt ihr so schön aufgebautes Leben nach und nach in Brüche zu gehen. Reden darüber kann eigentlich nur mit Fabian, einem ehemaligen Schüler von ihr, der inzwischen selbst als Autor arbeitet und mit anderen Aussteigern auf dem Land einen Bauernhof gekauft hat, wo sie zusammen leben, schreiben und Alternativen zum Kapitalismus diskutieren und Leben.
L'Avenir ist ein gänzlich unaufgeregter ruhiger Blick auf die Lebensphase einer Frau, die gerade von tiefen Umbrüchen geprägt ist. Mit Isabelle Huppert perfekt besetzt, weil kaum eine Zweite wie sie diese kühle Distanziertheit auf die Leinwand bringt, ohne dabei eigentlich kalt zu wirken, sondern viel mehr würdevoll und stark. Die Verletzlichkeit ihrer Figur, ihre emotionale Talfahrt wird eigentlich immer nur ganz nuanciert angedeutet. Gegen aussen hin behält sie fast immer die Fassung, deutet ihre Lage um, sagt etwa einmal, sie habe sich noch nie so frei gefühlt.
Meine Lieblingsszenen sind jene zwischen ihr und ihrer Mutter und zwischen ihr und ihrem Mann nach der Trennung. Insbesondere auch die Szene, in der ihr Mann sagt, dass er sich trenne, ist so ganz anders, als in jedem anderen Film, weil geprügt von einer brüchigen Ruhe, vordergründig undramatisch, aber man fühlt als Zuschauer einfach, wie Nathalie's bisheriges Leben und ihre Vorstellung davon, wie es in Zukunft sein würde, gerade komplett in die Brüche geht.
Nicht ganz so gelungen, fand ich die Darstellung des Philosophieunterrichts von Nathalie, wobei das nur wenige Szenen betrifft. Und zum Teil kann man dem Film auch vorwerfen, sich etwas sehr auf Klischees auszuruhen. Das Klischee des intellektuellen Paares, mit seiner riesigen privaten Bibliothek, die sich nach der Trennung natürlich darüber streiten, wem jetzt welches Buch gehört. Der junge Radikalinski, der mit seinen ideologisch ähnlich gesinnten jungen Freunden und Freundinnen auf dem Land ne kleine Kommune gründet. Alle sehen auch genau so aus, wie man sie sich halt vorstellt, führen auch genau die Gespräche. Solche Sachen halt. Andererseits, Klischee's sind ja auch immer Abbilder der Realität, von daher ...