BG Kritik: „96 Hours – Taken 2“

14. Juli 2012, Christian Mester

Taken 2 (2012)
Regie: Olivier Megaton
Cast: Liam Neeson, Famke Janssen, Maggie Grace

Story:
Nachdem Ex-Geheimagent Bryan Mills (Liam Neeson) seine Tochter Kim (Maggie Grace) zuletzt nur knapp aus den Händen von Menschenhändlern befreien konnte, macht seine Familie Urlaub im türkischen Istanbul. Statt Sightseeing und Entspannen heißt es jedoch bald wieder gemeinsam ums Leben rennen, da es die Eltern und Großeltern der getöteten albanischen Killer aus dem ersten Film nach Vergeltung dürstet…

Kritik:
„Ich weiß nicht, wer sie sind. Ich weiß nicht, was sie wollen. Falls sie auf Lösegeld aus sind, kann ich ihnen versichern, ich habe kein Geld. Aber was ich habe, sind einige ganz besondere Fähigkeiten. Fähigkeiten, die ich mir im Laufe vieler Jahre angeeignet habe. Fähigkeiten, die mich zum Albtraum machen für Typen wie sie. Wenn sie meine Tochter jetzt gehen lassen, ist die Sache erledigt. Ich werde nicht nach ihnen suchen, ich werde nicht Jagd auf sie machen. Aber wenn nicht… werde ich nach ihnen suchen, ich werde sie finden und ich werde sie töten.“ Worte Liam Neesons, die 2010 gerade aus seinem Mund überraschend klangen. Recht harte Nahkämpfe und flotte Verfolgungsjagden beflügelten Takens interessantes Casting, das den zumeist als Mentor-Nebenfigur besetzten Megastar (Star Wars Episode 1, Kampf der Titanen, Batman Begins, Königreich der Himmel) außerordentlich schlagkräftig in Szene setzte. Die Kampfeskenntnis, die seine Figuren für gewöhnlich nur andeuten, vermochte er nun in seinem eigenen 90er-Steven-Seagal-Actioner auszuleben.

Dass der aufgrund der Selbstjustizmotive auch ein wenig an Death Wish erinnernde Taken anschließend in eine nächste Runde gehen konnte, kam schon ein wenig überraschend, war aber aufgrund des Unterhaltungswerts des ersten fraglos gerechtfertigt. Besorgnis: der Regisseur von Teil 1, Pierre Morel (Ghettogangz), gab an Kollege Olivier Megaton ab. Megaton hatte für Producer Luc Besson schon mal eine Reihe übernommen, und diese damit versiebt – The Transporter 3. Déjà-vu… wir kommen etwa wieder auf dasselbe hinaus. Dass die Handlung ihren Figuren keine Wandlung beschert, dass das Vergeltungsmotiv kaum der Rede und der Plot wieder linear ist, sowie keine Wendungen aufkommen, ist eine vertane Sache, wenn auch keine schwerwiegende. Wer die rasch geschnittenen, aber sehenswerten Fights des ersten für angenehmes Bourne-Vermächtnis hielt, wird – und da tut’s weh – beim zweiten wohl mehr als unzufrieden sein. Action gibt es zwar en masse, aber stets schlimm verwackelt, sodass Neesons durchaus existierende Physis null zur Geltung kommt. Abgesehen von einer okayen Autoverfolgungsjagd in engen Gassen gegen Filmmitte bleibt die Action sichtlich generell kleiner, weniger aufregend, und vor allem weniger derb. Vergleichbar enttäuschend sind seine Antagonisten. In der Regel versuchen Fortführungen, die Hürden zu erhöhen, es dem Helden noch weit schwieriger zu machen, damit es aufregender wird. Hier leider nicht, denn die neuen Killer sind nicht etwa wutentbrannte Racheengel für ihre verlorenen Familienmitglieder (wir erinnern uns: die verblichenen, armen Menschenhändler, die Kim zuvor als Sexsklavin verkaufen wollten), sondern vollends stümprige Amateure. Wachleute behalten ihre Türen und Gefangenen grundsätzlich nicht im Auge, niemand kann kämpfen oder schießen, oder ist überhaupt allzu motiviert, das zu schaffen; und dass man teilweise Verbindungen zur Regierung hat, wird nicht weiter verwendet.

Angeführt werden die Bösen vom geschätzten jugoslawischen Schauspieler Rade Serbedzija, mit dem Neeson übrigens schon mal einen Blockbuster teilte: in Batman Begins war er der Obdachlose, dem Bruce seinen Mantel schenkt. Serbedzija erhält auch hier eine recht undankbare Rolle, die einsilbig bleibt und Mills nichts zu entgegnen hat. Der Endgegner? Ein etwa 1,70 großer, gemütlich aussehender Mann im Pulli, den man zuvor nicht zu Gesicht bekam, der in seinem Format aber kein Jet Li ist, sondern anscheinend bloß ein paar alte Michael Dudikoff Filme einstudierte und damit meint, es mit dem 1,90 Mills aufnehmen zu können. Dementsprechend groß seine Siegeschancen. Der Film ist prinzipiell in zwei größere Rettungen aufgeteilt; die erste ist noch brauchbar spannend aufgezogen, die zweite leider nur noch Abhaken der Henchmen, die so noch übrig sind. Wie im ersten Film fallen die Dialoge relativ plump aus, doch dieses Mal fehlen scharfe Oneliner, und wirklich fiese Bedrohungen. Wie beim ersten gibt es auch hier wieder eine softe, amerikanische Rahmenhandlung (Kim steht vor ihrer Fahrprüfung… und hat dazu einen ersten Freund – doubletrouble für Dad). Dass (völlig verschenkt: Famke Janssen, ebenso: Mills Freundsteam von Geheimagenten) Maggie Grace, die Producer Besson anscheinend sehr mag, da auch in Lockout besetzte, und die eigentlich bald 30 ist und noch immer eine Jugendliche spielt, dieses Mal etwas mehr zu tun bekommt und sie dies auch ansprechend bewältigt, ist unterhaltsam, aber man merkt sehr wohl, dass es irgendwann glaubhafte Probleme gibt, sie noch weiter zu integrieren, ohne dass es albern wird.

Taken 2 versiebt aber auch nicht alles. Liam Neeson kämpft sich zwar zunächst augenrollend durch kitschige Vaterdialoge, erweist sich dann natürlich erneut als charismatischer Ein-Mann-Räumungsdienst, dem man gern durchs neue türkische Setting folgt (wenn es auch ein wenig albern erscheint, dass der Showdown ausgerechnet in einem Hamam stattfindet; wenigstens ersticht Mills niemanden mit einem Dönerspieß; was das betrifft bleibt 96 Hours 2 übrigens sehr sanft – bei manchen tödlichen Griffen Mills muss man gar raten, ob es denn wirklich schon tödlich war). Die erste Rettungsmission ist wie gesagt durchaus lohnend, der Film ist konsequent temporeich und es macht auch Spaß, Mills beim Dirigieren seiner Tochter zu folgen, auch wenn einiges dabei, und manchmal auch einiges mehr etwas weit hergeholt oder sehr glückslastig auszufallen scheint.

Fazit:
Großes Kopfkratzen: wieso ist der zweite merklich schwächer? Da jetzt Neeson gefangen ist und seine Tochter ihn befreien muss, ist die Spannung hin. Wirkten die Gegenspieler im ersten schon wahllos, sind sie im zweiten noch irrelevanter, und dass die Action vorne und hinten geschnitten – und dann auch noch störend hektisch inszeniert ist, macht einem die Dynamik madig. Hoffentlich gibt man sich beim nächsten (und dann letzten?) 96 Stunden mehr Mühe, denn verdient hätte es die Reihe.

5 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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