BG Schocktober Kritik: „Es“

12. Oktober 2020, Michael Essmann

Auch dieses Jahr wollen wir euch mit Horrortipps für den schaurigen Oktober nicht alleine lassen und bieten deshalb täglich einen neuen Beitrag aus unseren Horror-Archiven…und nicht immer muss es ein Tipp sein, sondern auch mal eine Warnung…

It (USA 2017)
Regisseur: Andrés Muschietti
Cast: Jaeden Lieberher, Sophia Lillis, Finn Wolfhard, Jack Dylan Grazer, Jeremy Ray Taylor, Wyatt Oleff, Chosen Jacobs und Bill Skarsgård

Story: Derry, im US-Bundesstaat Maine im Herbst 1988: Der sechsjährige Georgie Denbrough wird beim Spielen von einer monströsen Kreatur in einen Abwasserkanal gezogen und ermordet. Im darauffolgenden Sommer stellt sich dessen älterer Bruder Bill mit seinen sechs Freunden vom Klub der Verlierer dem Monster, und will Es zur Strecke bringen.


Neuverfilmung von Stephen Kings bekanntem Roman. Die unheimlichsten Luftballons seit Nena?

Mit Stephen King-Verfilmungen ist das ja so eine Sache. Manchmal kamen gute Adaptionen, manchmal gute Filme, manchmal gar beides, oder auch nichts davon bei rum. Wodurch vom Filmklassiker bis sehr weit abwärts, nahezu alles in den über 70 Verfilmungen seiner Kurzgeschichten und Romane dabei ist. Inmitten dieser aktuellen, neuerlichen Hochphase der Stephen King inspirierten Filme und Serien, kommt nun also auch Es zurück. Es, das namenlose Böse aus dem Braun- und Grauwasser sowie dem Morast unter der US-Kleinstadt Derry, welches alle 27 Jahre zurückkehrt und dann am liebsten kleine Kinder frisst – und da ängstliches Fleisch ja besser schmeckt, zuvor auch noch das Fürchten lehrt. Bereits 1990 in Form eines Fernseh-Zweiteilers filmisch umgesetzt – u.a. mit John-Boy Walton, John Ritter und natürlich Tim Curry als Pennywise – präsentiert Mama-Regisseur Andrés Muschietti nun seine fürs Kino konzipierte 35 Millionen Dollar Version der Geschichte, welche passenderweise 27 Jahre nach der ersten Verfilmung am Start ist.

Anders als der Roman und auch die erste Verfilmung, verbleibt Andy Muschiettis Film hierbei ganz und gar bei der kinder bzw. jugendlichen Inkarnation der Clique und konzentriert sich nur auf diesen Zeitpunkt der Geschehnisse. Hierbei nimmt sich der Film ausreichend aber nicht überzogen lang wirkend Zeit, jedes Mitglied des selbsternannten Klubs der Verlieren vorzustellen und natürlich bei Zeiten mit dem übernatürlichen Kinderfresser Pennywise zu konfrontieren. Denn dieser macht ja ganz wie Horror-Kollege Freddy, Jagd auf die Kinder. Freundschaft, Familie, Liebe… das Heranwachsen im allgemeinen und als Außenseiter in Derry. Muschietti gelingt es sehr ordentlich, die Kernthemen von Kings Vorlage allesamt nicht zu vernachlässigen, und dabei ähnlich mysteriös, romantisch und zugleich Angst verbreitend zu sein. Hierbei sehr ausgeprägt, das allgegenwärtige und geradezu dominant vorherrschende Thema, des irgendwie gearteten Missbrauchs von Kindern. Sei es der von seiner Mutter zum Hypochonder erzogene Eddie, oder die von ihrem trunksüchtigen Vater mehr als deutlich bedrängte Beverly. Sie alle haben ihr persönliches Päckchen zu tragen. Jeder auf seine Art und sie alle finden Halt in der Gruppe. Bill Denbrough, Mike Hanlon, Beverly Marsh, Ben Hanscom, Eddie Kaspbrak, Richie Tozier und Stan Uris wirken allesamt toll, lebendig, dabei aber leider nicht gleichermaßen wichtig oder ausgearbeitet. Doch dazu im nächsten Abschnitt.

© Warner Bros.

Wo zuletzt Der Dunkle Turm als King-Adaptionen ein Desaster – aber als Film immerhin ok guckbar verblieb – macht Es nun so viel mehr richtig! Richtig, im Sinne von vorlagentreu. Zwar weit abseits von einer Seite für Seite und Punkt für Punkt Umsetzung des in der deutschen Fassung ca. 1500 Seiten umfassenden Wälzers – die eh nahezu unmöglich und wohl auch nicht erstrebenswert wäre – aber eine überwiegend treue, den Kern und ihre Figuren und elementaren Handlungspunkten sehr gut treffende Adaptionen um den Klub der Verlierer und ihren Kampf gegen Es. Aber wie bei jeder Übertragung von einem Medium in ein anderes, gibt es auch hier notwendige Änderungen, welche sich teilweise aber nicht ausschließlich, bereits durch das Verlagern der Handlung in die späten 1980er Jahre ergeben. Statt 50er Jahre Milchbar an der Ecke, Rock ’n‘ Roll und Cadillac Coupe de Villes in Pastelltönen, gibt es u.a. den feuerroten Pontiac Trans-Am, New Kids on the Block und Spielhallen in denen Street Fighter gezockt wird. Doch sind dies nicht die einzigen Anpassungen, denn das Drehbuch von Gary Dauberman (Annabelle, Annabelle: Creation) und Chase Palmer (hat bisher nur das hier getippt) ändert hier und da weiteres. Und nicht jede dieser Änderungen ist zum Vorteil der Geschichte oder besser gesagt, der beteiligten Figuren. Zum Beispiel bekommen hier zwei der Kids dadurch nahezu nichts mehr zu tun und füllen mehr oder weniger nur die Gruppe auf. Schade.

Andere Änderungen sind dagegen überaus lobenswert, z.B. bewaffnet sich der Trupp diesmal endlich mal anständig (aber nicht übertrieben), es geht schließlich gegen ein übernatürliches Wesen, das offenbar schon zig Kinder aus der Kleinstadt gefressen hat. Da kommt man nicht mit einer Schleuder für sieben Kids an, und hofft auf das Beste. Während im örtlichen Kino A Nightmare on Elm Street 5 läuft – nur eines von vielen Details, mit denen Muschietti und sein Team den Film fühlbar aber angenehm unaufdringlich in den späten 1980er Jahren verorten – sehen sich die frisch Pubertierenden also mit ihrem eigenen, Fleisch gewordenen Alptraum konfrontiert. Dem Monster unterm Bett, im Wandschrank… unter ihren Füßen und in den Kanalschächten der Stadt. Es. Gespielt von Bill Skarsgård.

Und der rockt die städtische Bibliothek und den Kanalschacht und liefert eine zum Blut in den Adern gefrieren lassen einladende, wirklich creepy Performance ab. Mit seinen langen Gliedmaßen und den schlaksigen Bewegungen und dem von Grund auf unheimlichen, dreckigen neuen Look, verwendet sein Pennywise nur wenig Zeit darauf, den Schein zu waren, und verbreitet lieber relativ unmittelbar Angst und Schrecken – wobei er beim Sprechen auch noch ständig die Tonlage seine Stimme verändert. Unheimlich. Aber ganz wie sich das gehört, tritt das Wesen hier nicht nur als Pennywise der tanzende Clown auf, sondern passt seine Angriffe gezielt seinem Opfer bzw. an dessen Ängste an. Wobei der neue Film allerdings andere Formen benutzt, als die literarische Vorlage oder der alte Film. Und auch abseits der neuen Formen die Es für seine Angriffe annimmt, bietet der neue Streifen auch etwas für die Kenner der alten Filmversion. Denn nicht nur ist der alte Zweiteiler nicht besonders gut gealtert, nein, der neue Film bietet dazu auch die deutlich bessere Atmosphäre und die bessere Chemie unter den jugendlichen Darstellern. Um bei Stephen King zu bleiben, Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers lässt herzlichst grüßen. Da so gut – auch darstellerisch – authentisch und lebendig wirkend, intensiviert dies die Spannung und den Horror der Angriffe von Pennywise natürlich gleich noch einmal. Bei den Angriffen selber, ja, hier hätte allerdings etwas mehr Abwechslung gut getan, denn Muschietti lässt seinen Killer Clown dann doch allzu oft nur und schlicht auf die Kamera zuspurten und dreht den Ton voll auf, um Schock und Angst zu verbreiten.

So oft, dass man als Zuschauer sicherlich irgendwann doch ermüdet, von Jump-Scare auf Jump-Scare, die sich da ja jedes Kind der Truppe bedient werden muss, auch oft sehr ähneln und wiederholen. Ganz anders – wenn man vom 1990er Film ausgeht – der Blutgehalt. Denn wo damals noch auf blutige Effekte eher verzichtet wurde, geht Es diesmal deutlich heftiger und auch saftiger zur Sache. Hier sieht man beispielsweise im Detail, was Es dem kleinen Georgie antut. Es bleibt aber im Rahmen und deutlich unter einem Splatter-Fest, und so wird Spannung zumeist weiter Vorzug vor Blut-Fontänen gegeben. Musikalisch funktional und Horror-typisch, erlaubt sich der neue Es hier keine größeren Makel. Die findet man dafür hier und da im etwas holprigen Schnitt, und im nicht perfekt versteckten und somit ab und an zu ersichtlichem CGI. Trotzdem ist Es ein überaus gelungener Beitrag zum filmischen Erbe von Stephen King, mit welchem sich dessen Pennywise auch endgültig seinen Platz in den Annalen der coolsten und unheimlichsten Horror-Film-Figuren, irgendwo zwischen Chucky der Mörderpuppe und natürlich Freddy Krueger verdient haben sollte.

Fazit:

Unheimlich, spannend und phasenweise unheimlich spannend in Szene gesetzt, dabei mit glaubhaften Figuren, fühlbarem Herz und ebenso fühlbar den Puls des Zuschauers hoch treibend. Gelungener Auftakt der zweiteiligen Neuverfilmung, die einen trotz über 130 Minuten direkt zum sitzen bleiben einlädt. Einer der besten Mainstream Horror-Filme der letzten Jahre. Zu schade, dass Teil 2 noch bis mindestens 2019 auf sich warten lässt.

8,5 / 10

 

Autor: Michael Essmann

Ein B-Movie Freund, der seit einigen Jahren in Köln heimisch ist und dort erfolgreich Design studiert hat. Seitdem schiebt er u.a. Pixel hin und her.

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