BG Kritik: „X-Men 3: Der letzte Widerstand“

16. Mai 2006, Christian Mester

Wissenschaftler entdecken ein Medikament, mit dem man Mutanten in Menschen verwandeln kann. Das sogenannte Heilmittel löst wie zu erwarten eine Kontroverse aus. Militante Politiker verlangen, dass sich alle Mutanten dem Mittel aussetzen, damit es nicht mehr länger potenziell gefährliche Individuen mit übermenschlichen Kräften gibt. Die Mutanten unter Magneto allerdings fühlen sich bedroht, und versuchen ihre Identität notfalls mit Gewalt zu verteidigen…

X-Men: Der letzte Widerstand
X- Men: The Last Stand (2006)
Regisseur: Brett Ratner
Cast: Hugh Jackman, Patrick Stewart, Ian McKellen

Kritik:
Der dritte X-Men wird neben dem ersten Wolverine Film zu den schlechtesten der Reihe gezählt, was an drei speziellen Aspekten festzumachen ist. Zum einen behandelt der Film die berühmte Comic-Story „Dark Phoenix“, in der Jean Grey, die wie Professor X Telepathin ist, von einer bösen Macht übernommen wird und die Seiten wechselt. Im Film ist es allerdings eine relativ kleine Nebenhandlung, was die Fans den Machern äußerst krumm nahmen. Famke Janssen und Hugh Jackman können dem emotionalen Konflikt trotz Bemühung auch leider nicht gerecht werden, und überhaupt hatte man sich von der Auseinandersetzung mit einer der mächtigsten Mutanten des gesamten X-Verses weitaus größeres Spektakel erwartet. Mit einem Budget von 200 Millionen Dollar gehört der Film bis heute zu den teuersten Filmen aller Zeiten, doch trotz guter Effekte wird er seinem Mammutbudget selten gerecht. Vor allem der als gewaltig angekündigte Endkampf wirkte nicht viel größer als das, was man schon in den anderen Teilen sehen durfte.

Der zweite Punkt trifft den Regiewechsel. Eigentlich hatte Bryan Singer vor, wieder weiter zu machen, doch als er relativ kurzfristig Superman Returns drehen durfte, trat Brett Ratner für ihn ein. Ratner, der mit den Rush Hour Filmen als eher ungünstige Wahl galt und zu der Zeit so einiges in den Medien von sich gab, das ihn eher unsympathisch, und desinteressiert am Comic-Hintergrund der Filme scheinen ließ.

Zuletzt sind es eklatante Storyschwächen, die man nur schwerlich verzeihen konnte. Abgesehen von der flauen Dark Phoenix Umsetzung verfehlen Tode bekannter Figuren ihre Wirkung, mutlose Endszenen verderben die wenigen bedeutsam wirkenden Momente, und die interessante Thematik der Heilung wird enttäuschend verbaselt. Nicht alle der Mutanten sind froh über ihre anatomischen und mentalen Besonderheiten, die sie u.a. extrem im Alltag einschränken. Wohingegen Singer aber recht sensibel mit den internen Konflikten der zuweilen jungen Figuren umgehen konnte, klatscht es Ratner schroff hin. Magneto, der als Anführer einer eigenen Division von Rebellen eigentlich darauf hinweisen muss, dass die Mutanten keine kranken oder minderwertigeren Menschen sind, die durch eine Heilung pur und besser werden können, wird hier zum störrischen alten Tyrann, der die Menschen aus reiner Gewohnheit auslöschen will. Ratner erkennt die möglichen Metaphern nicht – was, wenn man homosexuelle Menschen per „Heilung“ zu Heteros machen könnte, oder Schwarze zu Weißen, oder Rothaarige zu Blonden, Kleine zu Großen etc. – und es ist schade, dass die sonst immer etwas substanzvolleren X-Men Filme hier zu Bumpeng Action-Effektkino werden.

Zu erwähnen ist noch Halle Berrys Einwirken, die nach ihrem Flop mit Catwoman ihre Beziehungen spielen ließ und dafür sorgte, dass ihre Storm wesentlich mehr Szenen kriegt und sowohl Professor X als auch Cyclops als Anführer ablöst. Da Storm in den Comics häufiger führte, war das inhaltlich prinzipiell kein Problem, doch die fehlbesetzte Berry kann wie in all ihren anderen Szenen als Storm nichts aus ihrer Rolle machen.

Dennoch kann man nicht sagen, dass The Last Stand an sich ein schwacher Film wäre. Dafür ist Ratner ein zu kompetenter Auftragsregisseur, der die gewaltige Produktion mit ihren unzähligen Figuren solide gestemmt kriegt. Die neuen Mutanten Angel, Multiple Man, Juggernaut, Kitty Pryde, Callisto und Leech sind unterhaltsame Neuzugänge, und auch wenn Patrick Stewart als Professor X und Ian McKellen als Magneto merklich ermüdet und uninvolviert aussehen, sind Hugh Jackman und die jüngeren X-Men weiterhin sehenswert in ihren lebhaften Rollen.

Die Action kommt nicht zu knapp und ist stets brauchbar in Szene gesetzt, auch wenn man besser nicht nachfragt, wie viel Geld der Film zur Verfügung stehen hatte – doppelt so viel wie der 6 Jahre vorher erschienene The Matrix. Im Vergleich dazu sieht The Last Stand überraschend klein aus, nur im direkten Vergleich mit anderen Superheldenfilmen aus der Zeit kann er sich die Krawatte hustend zurecht rücken. Letzten Endes ist es offensichtlich, dass Fox der Schuh drückte. Ein neuer X-Men Film musste unbedingt her, da X2 schon Jahre her war. Auf Singer wollte man ungeduldig nicht warten – hätte man aber machen sollen. Schon allein, weil das Drehbuch längst nicht fertig war. Ausgerechnet Grobian Brett Ratner für die Regie zu holen war dann der nächste Fehler, der die Möglichkeiten des Films unnötig reduzierte.

Fazit:
X-Men 3 hat viele Probleme, zieht sich jedoch mit technisch kompetenter Inszenierung und der Ausrede, dieses Mal halt bloß simples Blockbusterkino sein zu wollen, geschickt aus der Affäre. Als Fortsetzung der ersten beiden Singer Filme ein merklicher Rückschritt, doch nimmt man höflich etwas Abstand, ist es trotz allem ein passabler Superheldenfilm.

6/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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