BG Kritik: „Wonder Woman“

15. Juni 2017, Christian Mester

Aufgewachsen auf einer via göttlicher Magie versteckten, paradiesischen Insel macht sich Amazonen-Prinzessin Diana (Gal Gadot) zusammen mit dem notgelandeten britischen Soldaten Steve Trevor (Chris Pine) auf in die Welt der Menschen, um den Ersten Weltkrieg zu beenden. Sie wird Zeugin der Grausamkeiten des Krieges und der Menschheit. Der vierte Film im DC Extended Universe und die Geburtsstunde von Wonder Woman.

Wonder Woman (US 2017)
Regisseur: Patty Jenkins
Cast: Gal Gadot, Robin Wright, Chris Pine, Danny Huston, Elena Anaya, Connie Nielsen, David Thewlis

Kritik:
Zugegeben, man durfte amazonenhafte Skepsis aufbringen, als ausgerechnet das seltsam gewählte Duo Miss Israel Gal Gadot (spielte bisher noch am auffälligsten eine kleine körperbetonte Nebenrolle in den Fast & Furious Filmen) und „Monster“ Regisseurin Patty Jenkins dazu auserkoren wurden, die berühmteste aller Superheldinnen endlich auf die große Leinwand zu bringen. Allerdings war nach Batman v Superman: Dawn of epische Bilder ohne epische Dramatik und Suicide Squad mit seinen kultcoolen Charakteren ohne coole Charakterszenen oder Kultmomenten ohnehin nicht mehr viel zu verlieren, also? Und siehe da: hinter dem Unsichtbarkeitsschild Themysciras kniet tatsächlich kampfesbereit ein Film, der sich erfolgreich an Marvels Thor 1 orientiert. Naivarrogante Superkriegerrasse schickt einen der ihren in die Welt der Menschen, um da als Fisch-aus-dem-Wasser gegen einen Haufen Doomsday-hafter Spezialeffekte anzutreten. Alle unterhaltsamen Aspekte Thors finden sich ziemlich ähnlich auch hier wieder, doch in fast allen Belangen ein wenig cleverer und unterhaltsamer umgesetzt. Jenkins versteht es prächtig, den damaligen Gesellschaftsbildern mit amüsanten Sprüchen und Infragestellungen skyrimhaft ins Knie zu schießen, wobei es nie überzielend provokant, dafür immerzu niedlich und keck wirkt, und das recht ladyhaft (Gadot ist zu loben) ohne dummdämliche Martha-Momente darf.

Das Thema Erste Weltkrieg ist argumentativ schwierig zu kommentieren, doch obwohl Wonder Woman in erster Linie ein oberflächlicher Actionblockbuster ist, wird keine klare Lösung diktiert. Gerade die Komplexität eines solchen Konflikts ist gelungenes Kernstück des Films, der inhaltlich mehr schafft als bloß eine Frau im Cosplaykostüm gegen andere kämpfen zu lassen. Wobei auch das hier fraglos seinen Unterhaltungswert hat. Während sich Jenkins zum Teil Zack Snyders Speedramping bedient, um mit den Amazonenkriegerinnen konkret und würdig an die Spartiaten zu erinnern, sind all ihre Actionszenen für eine Genrenewcomerin ungeheur kompetent inszeniert. So verheerend wie die aus Man of Steel fällt die Destruktion zwar nicht aus, was aber auch daran liegen mag, dass der Film keinen Hehl daraus macht, dass Diana den deutschen, normalsterblichen Soldaten übernatürlich überlegen ist. In Sachen Comic-Action braucht sich Wonder Wonder wahrlich hinter keinem Schild zu verstecken.

Auch die üblichen Elemente sind frisch genug platziert. Ihr geschichtlicher Hintergrund wird via eines lebendig werdenden Ölgemäldes erzählt, ihr Training hat Schmackes, ihr erster Kampfeinsatz im Kostüm ist wunderbar heroisch inszeniert. Was die Verbindungen zum restlichen DC Extended Universe betrifft, so hält sich Jenkins fast so isoliert wie es James Gunn mit seinen Guardians macht. Abgesehen von einer Hobbit-haften Rahmenhandlung, in der Batman kurz schriftlich vorkommt, gibt es null Bezüge zum vorherigen oder gar zu kommenden Filmen. Statt undankbarer geschlechteralternativer Nebenrolle darf Chris Pine mehr sein als Wonder Womans Boytoy, und zeigt in einem sympathischen eigenen Abenteuer, dass die Nebencharaktere anderer ähnlicher Filme auch gern produktiver eingesetzt werden könnten. David Thewlis, Robin Wright und Connie Nielsen bringen mit ihren älteren Rollen gehörig Klasse mit ins Bild, während Danny Huston als General Ludendorff und Elena Ayana als seine Handlangerin Dr Poison so herrlich überspielen, dass sie auch perfekt in einen Hellboy, in den ersten Captain America oder ein Wolfenstein Game gepasst hätten.

Probleme findet man, sucht man sie hier. Da sich Wonder Woman in den typischen Konventionen wohl fühlt, gibt es kaum Überraschungen, geschweige denn wirklich herausragend kreative neue Elemente – selbst Transformers 5 dürfte in der Sparte mehr zu bieten haben. Mag man den Fisch-aus-dem-Wasser Humor von Anfang an, hat man den ganzen Film über seinen Spaß. Ist das nicht so, dürfte man vieles eher als forciert empfinden. Hauptbösewicht Ares hat interessante Phrasen im Gepäck, erscheint aber erst in den letzten 5 Filmminuten und bleibt damit kaum interessanter als CGi-Klotz Doomsday. Vielleicht korrigieren es die nächsten Filme zudem noch, doch das (doppelte) Ende des Films lässt zum einen puzzeln, was Diana seit WW1 Kriegsende so getrieben hat und wo auch immer sie mit ihrem Spider-Man artigen auf-ins-neue Ende (Spoiler: Wonder Woman überlebt den Film) denn hinwill. Wer sich wünscht, dass der Film außerdem Neugier auf mehr weckt, wird enttäuscht. Es ist eine größtenteils in sich geschlossene Origin-Geschichte, deren unnötige Rahmenhandlung recht unelegant stören kann. Zu allerletzt wird nicht sonderlich gut kommuniziert, wie verwundbar Wonder Woman nun ist. Gerade zum Schluss wirkt sie unbesiegbar, was ihrem Kampf an Spannung raubt – sodass Pines Einsatz fast fesselnder wird. Ach ja, das Laserlasso der Wahrheit kommt zu oft vor und hätte in einer alberneren Version bleiben sollen.

Fazit:
Wonder Woman rettet das DC Extended Universe. Nach den beiden enttäuschend geschriebenen, sicherlich vom Studio kaputtbeinflußten Batman v Superman und Suicide Squad, die bis auf epische Bilder, dicken Soundtrack und passende Rollenbesetzungen nichts wirklich zu bieten hatten, erfindet der Wonder Woman Film das Rad keineswegs neu, rollt es aber mit Speed, Spaß und Spannung in die Schublade der vielen Comic-Verfilmungen. Im bislang schwachen Kinojahr 2017 einer der besten Blockbuster, dessen 150 Minuten wie im Fluge vergehen. Wonderbar.

7/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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