BG Noirvember Kritik: „Heißes Eisen“ alias „The Big Heat“ (1953)

15. November 2020, Christian Westhus

Der Noirvember wird schwarz. Über den November verteilt stellen wir euch einige der besten und spannendsten Werke des Film Noir vor. Die Schwarze Serie Hollywoods: Schnüffler, Mörder und Betrüger, Femmes Fatales, dunkle Schatten und Zigarettenqualm. Heute widmen wir uns einem Spät-Noir von Fritz Lang. Der „Metropolis“ Regisseur inszenierte mit „Heißes Eisen“ nicht zum ersten Mal eine Kriminalgeschichte, womit der Film aus mehreren Perspektiven spannend zu betrachten ist.

Heißes Eisen
(Originaltitel: The Big Heat | USA 1953)
Regie: Fritz Lang
Darsteller: Glenn Ford, Lee Marvin, Gloria Grahame, Alexander Scourby u.a.
Kinostart Deutschland: 05. Februar 1954

Mit „Heißes Eisen“ erreicht der Film Noir die 1950er und befindet sich somit auf der Schlussetappe seiner Kernphase. Schon bald werden aus den Filmen der Schwarzen Serie klassische Polizei- und Kriminalfilme. Fritz Langs Film stellt diese Übergangsphase besonders gut heraus. Doch „The Big Heat“ (Originaltitel) kann für ein modernes Publikum von besonderem Interesse sein, wenn es um Superhelden geht. Es gibt nicht viele Filme, die Batmans Verbindung und Verwandtschaft mit Noir Ästhetik, selbsternannten Gesetzeshütern und einer von Verbrechen und Gewalt korrumpierten Gesellschaft so gut veranschaulichen. Nicht zuletzt hat auch dieser Filme eine gefallene Figur, die sich – ganz Two Face – durch moralische Grauzonen bewegt.

Polizist Dave Bannion (Glenn Ford) wird beauftragt, den vermeintlichen Selbstmord seines Kollegen Tim Duncan aufzuklären. Duncan war korrupt, arbeitete mit und für Gangsterboss Mike Lagana (Alexander Scourby), der schon seinen Schläger Vince Stone geschickt hat, um für „Ordnung“ zu sorgen. Doch das wissen zunächst nur wir als Zuschauer, nicht Bannion. Dieser findet jedoch schnell Hinweise, die ihn zweifeln lassen, Duncans Tod sei bloß ein Selbstmord gewesen. Doch nicht nur seine Informantin schwebt in Gefahr, auch Bannions eigene Familie gerät in Laganas Visier. Auf seine Vorgesetzten bei der Polizei ist kein Verlass, also ermittelt Bannion bald wütend und rachedürstend auf eigene Faust weiter, provoziert Lagana und gerät an Vince Stones pragmatisch-lebensfrohe Geliebte Debby Marsh (Gloria Grahame).

© Sony Pictures

Das Böse siegt, wenn gute Menschen schweigen. So oder so ähnlich lautet ein bekannter Grundsatz, den auch „Heißes Eisen“ aufgreift. Dave Bannion ist ein engagierter und gut meinender Durchschnittsamerikaner, ein Familienmensch, der als Opfer äußerer Umstände immer tiefer in den Moloch einer verbrecherischen Welt getrieben wird. Bannion hat ehrenwerte Ziele, droht jedoch immer wieder auf die Seite der Gewalt zu kippen, sich Rachelust und Nihilismus zu unterwerfen. Diese psychologischen Dimensionen greifen Regisseur Fritz Lang und sein Drehbuchautor Sydney Boehm (nach einer Vorlage von William P. McGiverns) überdeutlich auf. Beinahe wichtiger noch als die Ermittler-Hauptfigur sind die vielen Frauenfiguren. Bannions herzensgute Frau Katie, die Witwe des toten Polizisten, Informantin Lucy Chapman und insbesondere Debby Marsh stellen nicht nur grundverschiedene Figurentypen vor, sie tragen auch für sich spannend ambivalente Ansätze, Graustufen innerhalb einer vermeintlich schwarz-weißen Welt. „Ich war reich und ich war arm“, erklärt Debby Marsh. „Glauben Sie mir, reich ist besser.“ Es gehört zu den markantesten Zitaten des Films und spricht Bände – für die sprechende Figur und für den Film als Ganzes.

Lang verzichtet auf eine zu verspielte Stilisierung, erzählt (relativ) flott und geradlinig, aber auch erstaunlich kompromisslos und brutal für einen Film der 1950er. Wichtiger sind ihm die visuellen Assoziationen durch Close-Up, Perspektive und Schnitt. Statt im verbrecherischen Sumpf zufällig (oder schicksalshaft) an den nächsten finsteren Ort geführt zu werden, ist Dave Bannion tatsächlich Ermittler, ein Fahnder mit Empathie und einem echten Willen, das Verbrechen zu bekämpfen, den Schuldigen das Handwerk zu legen. Das macht „Heißes Eisen“ nicht nur als Spät-Noir interessant, sondern auch als Kriminalstück innerhalb Fritz Langs Filmographie. Ein Hauch „Dr. Mabuse“ schwingt immerzu mit und gleichzeitig sendet dieser Film Ideen zurück zu Langs berühmten deutschen Kiminalfilmen der frühen Zwanziger („Dr. Mabuse, der Spieler“, 1922) und Dreißiger („Das Testament des Dr. Mabuse“, 1933).

8/10

Auf DVD erhältlich. Digital leih- und kaufbar bei Amazon und Chili.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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