BG Kritik: „Bumblebee“
Charlie Watson findet an ihrem 18. Geburtstag einen alten VW Käfer, der sich als transformierbarer Roboter entpuppt: der uns Filmfans wohlbekannte Autobot Bumblebee. Doch der Krieg um den Allspark liegt 20 Jahre in der Zukunft, der knuffige gelbe Blechheld ist gerade erst auf der Erde angekommen und entkam seiner ersten terranischen Schlacht nur mit schwer beschädigtem Erinnerungsspeicher. Während zwischen Charlie und Bumblebee eine innige Freundschaft entsteht, haben die Decepticons bereits die Fährte ihres Feindes aufgenommen…
Bumblebee (US 2018)
Regisseur: Travis Knight
Cast: Hailee Steinfeld, John Cena, Pamela Adlon
Kritik:
Wenn bei der Kennenlernszene zwischen Charlie (Hailee Steinfeld) und Bumblebee (VW Käfer) die 18jährige ihrem neuen Weggefährten seinen allseits bekannten Namen verpasst, weil die Geräusche, die er von sich gibt, an summende Hummeln erinnern, dann ist das eigentlich ein Moment, bei dem der regelmäßige Kinogänger aufspringen, drohend auf die Leinwand zeigen und laut „Solo“ schreien müsste. War das diesjährige Star-Wars-Abenteuer doch die Bestätigung für die höhnische Definition des Wortes Prequel: „Es werden Fragen beantwortet, die sich nie jemals jemand gestellt hat.“ Aber wir springen nicht auf. Wir bleiben sitzen. Denn wir sind in diesem Moment viel zu sehr gerührt, mit wie viel Herz dieses erste Aufeinandertreffen inszeniert wurde. Und wir haben ein viel zu breites Grinsen im Gesicht, weil es endlich geschafft wurde, den Liebhabern der verwandelbaren Roboterautos bzw. Autoroboter einen wirklich guten Film zu schenken. Ja, es wird gezeigt, warum Bumblebee seine Stimme verloren hat. Und es wird gezeigt, wie er lernte, mit Hilfe seines Autoradios zu kommunizieren. Aber im Gegensatz zu „Solo“ halten sich solche Origin-Erklärungs-Hupereien stark in Grenzen. Und im Gegensatz zu „Solo“ gehört „Bumblebee“ ohnehin zu einem in Trümmern liegenden Franchise, bei dem jeder Teil der Hauptreihe einen weiteren Schraubenschlüssel ins Getriebe des Story-Konstrukts geworfen hat. Von daher: Wo nichts heile ist, kann auch nichts kaputt gemacht werden.
Apropos kaputt machen: Wenn Regisseur Michael Bay etwas kann, dann Sachen in die Luft jagen, Autos verschrotten, gigantische Zerstörungsorgien liefern. Also eigentlich eine einleuchtende Wahl, als die Idee aufkam, „Transformers“ als Realfilm auf die Menschheit loszulassen. Auch dank des wachsamen Auges von Produzent Steven Spielberg war das Ergebnis 2007 durchaus gelungen. Ärgerliche Kritikpunkte wie unnötige Überlänge, peinliche Komikeinlagen und in Anbetracht des Zielpublikums fahrlässiger Patriotismus wurden noch einigermaßen kompensiert von einem sympathisch agierenden Shia LaBeouf, einer vollen Actionbreitseite und nicht zuletzt dem eingängigen Score von Steve Jablonsky. Das Problem? Dann kamen die Teile 2 bis 5, von denen nicht alle auf gleichem Niveau schlecht waren, aber auch keiner mehr so richtig autobotste, da Michael Bay den Bay hat raushängen lassen: Die Explosionen wurden größer, die Handlungen dünner, die Komik pubertärer, die Showdowns ermüdender, der Patriotismus bedenklicher, die Darstellung weiblicher Charaktere und Heldenfiguren fragwürdiger (Aufzählung lässt sich beliebig fortsetzen). Nicht erst mit „The last Knight“, der mit seiner Überdosis hanebüchenem Nonsens und Inkohärenz fast schon die Wahnwitzgrenze zum quasi-experimentellen Trash überschritt, war festzustellen: Bay hat sich an der Reihe festgebissen wie ein Mader am leckeren Automotor, ohne Rücksicht auf eventuelle Schäden.
Doch nach 11 Jahren ermüdenden Dauerschlachten und Roboterhoden in Großaufnahme streift sich Travis Knight sein Mechaniker-Outfit über und repariert, was zu reparieren ist. Mader Bay und seine Ausscheidungen werden entfernt, der ausgediente Franchise-Motor durch einen wesentlich besser funktionierenden ersetzt. Und da Knights „Bumblebee“ inhaltlich ohnehin vor den „Bayformers“ spielt, muss sich der Filmemacher zum Glück auch nicht der unmöglichen Aufgabe stellen, den bisherigen Totalschaden an Story weiterzuführen; grandiose Einfälle wie den Pyramidenbau überwachende Transformers oder ein gegen die Nazis kämpfender Bumblebee werden – besser ist das – einfach ignoriert. Stattdessen macht Knight das Prequel zu seinem ganz persönlichen Film. Einen Film, der sich nie wie ein kühl kalkuliertes Studioprodukt oder seelenloses Vehikel für Dumm-Bumm-Action anfühlt. Sondern einen Film, der seine Figuren ernst nimmt, der sich selbst im richtigen Maße ernst nimmt und der vor allem seine Zuschauer ernst nimmt. Einen Film, der in jeder Sekunde auch als Botschaft an Michael Bay verstanden werden kann: „So macht man das!“
Mit „Bumblebee“ transformiert sich die Reihe in gewisser Weise selbst, verwandelt sich von einer Kinderzimmer-Vorstellung eines hyperaktiven Spielkindes zu einem richtigen Film. Wie viel besser Travis Knight sein Handwerk versteht, wird umso deutlicher, da die grundlegenden Handlungspunkte denen aus „Transformers“ sehr ähnlich sind: Teenager kommt in Besitz von Auto, Auto entpuppt sich als außerirdischer Roboter, Teenager und Roboter freunden sich an, während im Hintergrund eine Bedrohung wächst. Nur heißt bei „Bumblebee“ im Hintergrund auch wirklich im Hintergrund: Alle nicht wesentlichen Bestandteile des Wohlfühlrezepts werden weggelassen oder wenigstens reduziert. Es gibt keine Nebenhandlungen mit durch die Wüste marschierende Militärs oder Schleichwerbung machende Hacker; John Cena als in die Irre geführter Antagonist und der Plan der Decepticons sind lediglich zweckdienlich, der Fokus liegt ganz auf den Plot um die junge Charlie. Ein Charakter aus Fleisch und Blut, nicht getrieben vom Wunsch, mit dem neuen Auto gut gebaute Jungs zu beeindrucken, sondern seit dem Tod des Vaters von Mutter und Bruder entfremdet und auf der Suche nach sich selbst. Die großartige Hailee Steinfeld (Unbedingt ansehen, wer es nicht getan hat: „Edge of Seventeen“) stellt sich als perfekte Wahl heraus, um ein Zeichen zu setzen: Nicht die Popos der weiblichen Protagonistinnen sind wichtig, sondern was sie bewegt, was sie fühlen, was sie denken. Wir lernen Charlie kennen, kommen ihr nahe, begleiten sie auf einen durch Bumblebees Auftauchen eingeleiteten Entwicklungsprozess, werden Zeuge ihrer Stärken, aber auch ihrer Schwächen und Eigenheiten. Statt sich wie ein Model perfekt ausgeleuchtet möchtegern-sexy auf einem Motorrad zu rekeln, schnuppert die Rockmusik liebende Hobby-Mechanikerin nach dem Aufstehen im Bad auch gerne mal verpennt an ihren Achseln. In der Welt eines Bay vielleicht undamenhaft, aber wen interessiert schon, was in Bays Welt so vor sich geht: Gerade solche Momente sorgen dafür, dass Charlie um Welten menschlicher, sympathischer und – ja – auch hübscher wirkt, als es bei den weiblichen Hauptcharakteren der Vorgänger der Fall war. Dazu passt dann auch, dass wenn überhaupt mal Haut gezeigt wird, es männliche Oberkörper sind, von der Kamera beiläufig, schulterzuckend, selbstverständlich eingefangen.
Bei all dem Lob sollte Fans von „Transformers“ 1 bis 5, die dem Franchise gerade wegen überlanger Schlachten, Actionüberdosen und schick glänzender Oberflächlichkeit die Treue gehalten haben, gesagt sein, dass „Bumblebee“ hier enttäuschen könnte. Das Spin-Off steht Vorbildern wie „E.T.“ oder „Der Gigant aus dem All“ tonal bedeutend näher als diversen Actionfilmen. Gefühlt gibt es in dem gesamten Abenteuer so viel Action, wie im Finale des ersten Bayformers. Was dennoch heißt: Es knallt genug, gerade zu Beginn und am Ende. Und: Eine fünfminütige Actionszene, in der dank ruhiger Kamera und Schnittarbeit sowie wohlüberlegter Choreografie alles zu erkenne ist und so etwas wie Dynamik aufkommt, ist letztlich auch nahrhafter als 20 Minuten wackeliges Dauergetöse. Entschlackung gibt es auch an anderer Stelle: Das Poser-Design der Autobots und Decepticons wird ausgetauscht durch eine sehr stark an die ursprünglichen Spielzeuge und Zeichentrickcharaktere erinnernde Optik. Äußerst cool und folgerichtig, immerhin geht es in dem Abenteuer ja auch inhaltlich zurück in die 1980er, was dem Film dank passendem Musikeinsatz und liebevoller Ausstattung stets anzusehen ist. Bumblebee verwandelt sich die meiste Zeit in einen VW Käfer, Optimus Prime ist kein schießwütiger Irrer mehr, sondern ein ehrenhafter Anführer, Cybertron ist als Cybertron wiederzuerkennen. Der Score von Dario Marianelli ist weniger eingänglich als die Melodien seines Vorgängers Jablonsky, aber ebenfalls stimmungsvoll und gut durchdacht, unterstreicht wirkungsvoll sowohl das Gute-Laune-Feeling als auch die vielen emotionalen Momente. Kann der nächste Beitrag der Reihe bitte auch ein so hohes Niveau haben?
Fazit:
Der Motor summt wieder, die Generalüberholung hat funktioniert. „Bumblebee“ ist mehr als nur der beste Teil der angeschlagenen Transformers-Reihe; er ist ein kleines Wunder, das sich wie ein Blockbuster aus den späten 1980er oder frühen 1990er Jahren anfühlt. Travis Knight zeigt seinem Vorgänger Michael Bay mit jeder Sekunde des warmherzigen Familienabenteuers, wie man richtig Filme macht, könnte aber auch Actionfans mit seinem Beitrag verprellen.
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