BG Kritik: „Ein Herz und eine Krone“ („Roman Holiday“)

2. Juli 2019, Christian Westhus

Der Film, der Audrey Hepburn berühmt machte: Die junge Prinzessin Ann (Hepburn) besucht Rom. Gelangweilt von den aristokratischen Pflichten entwischt sie ihrer bewachten Luxusherberge und entdeckt inkognito die Ewige Stadt, wobei sie auf den Boulevardjournalisten Joe Bradley (Gregory Peck) trifft.

Ein Herz und eine Krone
(Roman Holiday | USA 1953)
Regie: William Wyler
Darsteller: Gregory Peck, Audrey Hepburn
Kinostart Deutschland: 10. Dezember 1953 (Westdeutschland)

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday, ursprünglich veröffentlicht im August 2015.)

Nahezu jeder Mensch, der mit dem Namen Audrey Hepburn etwas anfangen kann, kennt das Bild der Schauspielerin, die auf einer Vespa durch Rom kurvt. Der dazugehörige Film, der in Deutschland den wenig hilfreichen weil reichlich kitschigen Titel „Ein Herz und eine Krone“ trägt, hat das Image einer altmodischen romantischen Komödie. Das ist auch grundsätzlich zutreffend, nur überragt der Film so ziemlich alles, was wir sonst unter diesem Genre abheften. Die Grundidee dürfte schon 1953 ein alter Hut gewesen sein. Eine junge Prinzessin hat genug von der strengen Etikette ihres heimischen Königshauses und schleicht sich raus in die Welt, wo sie das echte Leben und über Umwege auch die Liebe kennen lernt.

Auf den ersten Blick macht William Wylers dreifacher Oscargewinner gar nicht so viel Besonderes mit diesem Konzept. Der Fokus auf die Klatschpresse, für die eine ausgerissene Prinzessin natürlich ein gefundenes Fressen wäre, ist ein nicht uninteressanter Faktor. Gregory Peck verkörpert die passende Mischung aus kantigem Macho und freundlichem Gentleman als Reporter Joe Bradley, der bald in einem moralischen Dilemma steckt, ohne es zu wissen. Er erkennt Prinzessin Ann auf der Straße, lernt sie kennen und führt sie herum, macht so ein heimliches, improvisiertes Interview für die morgige Zeitung. Doch – natürlich! – findet Joe Prinzessin Ann bald nicht mehr nur als Objekt interessant, sondern auch als Person.

© Paramount

Audrey Hepburn war damals noch relativ unbekannt, als sie diese Rolle annahm, die ihren Typus als „Süßer Fratz“ Hollywoods für Jahrzehnte festigte, noch lange bevor „Frühstück bei Tiffanys“ ein modisches Zeichen setzte. Und Hepburn ist wahrlich und unbestreitbar hinreißend in der Rolle, belebt jede Szene mit ihrem rehäugigen Sonnenaufgangslächeln. Doch als Prinzessin Ann macht sie weitaus mehr, als nur süß und niedlich zu sein. Anns Entdeckungstour durch Rom, oder die zunächst unterbewussten, dann direkteren Flirts mit Joe tragen immer eine gewisse Wehmut mit sich, lassen diesen unbändigen Wunsch nach Veränderung spüren, gepaart mit dem nicht loszuwerdenden Gefühl, dass es für Ann keinen endgültigen Ausweg aus ihrer Sehnsucht gibt.

Aber natürlich Rom! Die Ewige Stadt ist ein malerischer, ja adäquat geheimnisvoller Ort. Dieselbe Geschichte in London oder New York wäre nur halb so effektiv. Und natürlich betreibt der Film als stiller Begleiter von Prinzessin Ann und Reporter Joe auch eine Art Tourismus, lässt uns den Trevi Brunnen, die Spanische Treppe oder den inzwischen nicht zuletzt durch diesen Film berühmt gewordenen Löwenköpf entdecken, während Ann, die sich als normale Touristin ausgibt, und Joe ein Eis schlecken, gelegentlich flüchten und immer wieder auf Joes „Kumpel“ Irving treffen, der in Joes Auftrag heimlich Fotos schießt. Dass wir uns bei der berühmten Vespafahrt wirklich auf den Straßen Roms befinden hilft dem Film ungemein. Peck und Hepburn sind ein so perfektes, so herzliches Paar, doch was den Film auszeichnet ist die Ehrlichkeit, mit der Witz, Romantik und Handlung immer im Dienst der Figuren stehen. „Roman Holiday“, so der Originaltitel, ist kein realistisches europäisches Drama, auch wenn zeitgleich in Italien der Neorealismus in voller Blüte stand. Es ist ein Hollywoodfilm und entsprechend immer mit einem Bein im Reich der Fantasie. Das heißt jedoch nicht, dass uns hier eine absurde Szene nach der anderen erwartet, dass wir das alles bloß nicht zu ernst nehmen sollten. Im Gegenteil. Anns Selbstfindungstripp durch Rom hat erstaunlich viel Gewicht und endet, von Regisseur Wyler gekonnt geführt, in einer überraschenden und emotional wirkungsvollen Konsequenz. Eine Konsequenz, die auch heute – wie der ganze Film – kaum etwas von ihrem Reiz verloren hat. Heutige Filme könnten sich stattdessen eher eine Scheibe davon abschneiden.

Fazit:
Unsterblicher Klassiker. Hollywood versucht das Konzept des jungen Adelssprosses und der Liebe seit Jahrzehnten zu wiederholen, doch William Wylers Film bleibt unerreicht. Unterhaltsam, witzig, locker-leicht, hinreißend gespielt, enorm romantisch und dabei sogar ungeahnt clever.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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