BG Kritik: „Drachenzähmen leicht gemacht“

16. März 2010, Christian Mester

Drachen – eine Plage, die es schleunigst auszumerzen gilt. Das denken zumindest die wackeren Wikinger eines kleinen Dorfes, deren Hauptbeschäftigung es ist, die fliegenden, Feuer speienden Kreaturen tagtäglich zu jagen. Der Häuptling des Dorfes freut sich bereits darauf, seinen jugendlichen Sohn Hicks zum legendären Drachentöter zu machen, doch der – ein schusseliger, liebenswerter Tollpatsch – hat anderes im Sinn. Insgeheim hat er bereits einen Drachen kennengelernt, der auf den besten Weg ist, sein Freund zu werden…

DRACHENZÄHMEN LEICHT GEMACHT
HOW TO TRAIN YOUR DRAGON (2010)
Regie: Chris Saunders
Cast: Jay Baruchel

Kritik:
Im Bereich der Animationsfilme gibt es derzeit zwei größere Fronten: Pixar („Ratatouille“, „Findet Nemo“, „The Incredibles“, „Oben“, „Wall-E: Der letzte räumt die Erde auf“) und DreamWorks („Shrek“, „Madagascar“, „Monster gegen Aliens“). Der größte Unterschied beider Topstudios bestand in den letzten Jahren darin, dass sich Pixar („Cars“ mal ausgenommen) immerzu wesentlich mehr Mühe mit ihren Geschichten gaben und neben knuffigen Figuren und unterhaltsamen Action- und Comedyszenen auch mal den ein oder anderen Anspruch mit einfließen ließ. So fanden sich Doppeldeutigkeiten, ironische Seitenhiebe und emotionalere Momente, die im Gegensatz zur Konkurrenz zu mehr als leichter Unterhaltung führten. Die meisten DreamWorks Filme hingegen waren zwar generell auch immer recht unterhaltsam, kamen aufgrund fehlender Liebe zum Detail jedoch nie an die hohen Wipfel der Konkurrenz heran.

DreamWorks liefern 2010 ihren womöglich bislang besten Animationsfilm ab. Er hat zwar noch immer nicht ganz die Tiefe eines „Wall-E“ erreicht, kommt dem aber allmählich nahe. Das größte Plus des Films ist die Tatsache, dass man sich dieses Mal endlich mit Gefühl an die Sache heranwagt. Die Geschichte mag zwar gestanztes Einerlei sein – vermeintlicher Waschlappen widerstrebt seiner Vorbestimmung und zeigt, dass es auch mit Liebe statt Gewalt geht – und sämtliche vertretenen Figuren sind prinzipiell aus dem Typus-Klischeekasten (der überstrenge Vater, das kesse Mädchen, die lustigen Randfiguren), doch letzten Endes ist es eine exzellente Regie, die den Film trotz aller bekannten Elemente zu etwas Besonderem macht.

Chris Sanders („Lilo & Stitch“) inszeniert seine Wikingergeschichte äußerst liebevoll und herzlich. Der kleine Drache Ohnezahn, das Haupt-Schnuffeltier, ist hier nicht bloß niedlich, er hat auch noch markante charakterliche Eigenarten aufzuwarten, die mit treffender Mimik an die Stärken der Konkurrenz erinnern. Statt wie bei „Madagascar“ auf I like to Move it und wilde Kaspereien zu setzen, ist „Drachenzähmen leicht gemacht“ bescheidener, eine ganze Ecke sensibler und reifer, das alles aber, ohne je seinen Humor zu verlieren (eine schwierige Gratwanderung: es ist schließlich nicht leicht, einen solchen Film für Erwachsene unterhaltsam zu gestalten, ohne das angepeilte (Klein-)kindpublikum zu verlieren). Der Film macht Stimmung, hat zahlreiche Schmunzelszenen und lässt auch des Öfteren lachen. Es ist zudem angenehm zu sehen, dass eine mittelalterliche Fantasy-Action-Komödie ausnahmsweise einmal nicht laufend mit modernen Begriffen um sich werfen muss (…“Shrek“) um forciert aktuell zu klingen. Das Resultat ist ein dynamischer Actionfilm für die ganze Familie, der eine zwar schon x-mal gesehene, aber herzliche Geschichte erzählt und trotz zahmer Gags ins Schwarze trifft.

Toll ist auch die Action, die sich in zahlreichen Flugszenen wieder findet und in einem aufregenden Spektakel gipfelt (kommentiert sei, dass die 3D-Effekte (wie bei allen Animationsfilmen) großartig sind). Obwohl sich thematisch vieles wiederholt, würzt Sanders alles mit ganz eigenem Charme. Die verschiedenen Drachen haben unterschiedliche Designs und Verhaltensweisen, die immer wieder für kuriose Momente sorgen – trotz der Freigabe und des Genres darf man „Drachenzähmen leicht gemacht“ somit locker mit zu den besten Drachen-Filmen aller Zeiten zählen – der große Endkampf beispielsweise braucht keine Scheu davor haben, mit vergleichbaren Szenen aus „Harry Potter IV“, „Dragonheart“, „Die Legende von Beowulf“ oder „Die Herrschaft des Feuers“ verglichen zu werden. Ein Kinderfilm? Ein für Kinder geeigneter, aber nicht kindischer Film.

Fazit:
Zahnlos könnte eine der besten Filmfiguren des Jahres sein, während das Gesamtpaket einem „Wickie und die starken Männer“ Zunge herausstreckend zeigt, wie man einen liebevollen, lustigen Wikinger-Familienfilm zu machen hat (ja, auch ohne Drachen wäre er klar besser).

9/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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