BG Kritik: „James Bond 25: Keine Zeit zu Sterben“

30. September 2021, Christian Mester

Nach den Ereignissen von „Spectre“ leben Ex-Agent James Bond und seine Gefährtin Madeleine Swann ein ruhiges, unauffälliges Leben an der Küste Italiens, bis es eines Tages urplötzlich zum Angriff durch feindliche Agenten kommt. Knapp entkommen, fühlt sich Bond nach Vesper einmal mehr verraten und sucht entschlossen das Weite. Jahre später trifft er Swann jedoch wieder, als ein größenwahnsinniger Mann aus Ihrer Vergangenheit sowohl den MI6, als auch die feindliche Organisation Spectre bedroht…

Regie: Cary Fukunaga
Besetzung: Daniel Craig, Leah Seydoux, Rami Malek

Vorab: dieser Artikel ist spoilerfrei. Bei diesem Film wird auch tunlichst geraten, sich im Vorfeld nicht spoilen zu lassen.

© MGM – Bild aus offiziellem Trailer https://www.youtube.com/watch?v=BIhNsAtPbPI

Kritik:
Endlich. Nach mehr als einem Jahr Verschiebung startet endlich der 25. und letzte Bond mit Daniel Craig, das fulminante Ende einer Ära und mit fast 3 Stunden Lauflänge der zugleich längste 007-Streifen aller Zeiten. Der Film hat jetzt so lange warten müssen, dass der Titelsong, der damals vor dem ersten geplanten Starttermin veröffentlicht wurde, ein Jahr später einen Grammy gewinnen konnte… ein halbes Jahr vor dem tatsächlichen Filmstart. Aber hat sich das lange Warten gelohnt? Auf jeden Fall. Die wichtigste Info ist wahrscheinlich die Tatsache, dass „Keine Zeit zu Sterben“ sehr konsequent an seine Vorgänger anschließt, Fans der ganzen Ära belohnt und keineswegs versucht, bei dem (eventuell) letzten Film der Reihe mit dem etablierten Stil zu brechen. Wer die Craigs bisher mochte, wird auch mit seinem neuesten Abenteuer sofort warm werden; die Broccolis versuchen gar nicht erst, ein neues Zielpublikum anzusprechen.

Im Grunde ist es ein rundum typisches Bond-Abenteuer. Superbösewicht mit geheimer Superbasis bedroht die Welt, Bond reist von Land zu Land, trägt edle Anzüge, prügelt und ballert sich neben schönen Frauen durch Heerscharen von Handlangern und versucht einmal mehr, den Tag zu retten. Als solches macht der Film wie immer alles richtig. Craig ist trotz gehobenen Alters in Topform und darf sich in ein paar der besten Actionszenen des Jahres stürzen, die ihn immer gut aussehen lassen. Zwar ist keine davon konzeptionell sonderlich originell oder für alle Zeiten denkwürdig, aber alles ist rasant, abwechslungsreich und tiptop auf höchstem Niveau inszeniert. Glücklicherweise bleibt man auch hier bodenständig und tendiert in Sachen Spektakel nie gen den diesjährigen „Black Widow“ oder „Fast & Furious 9“.

Was diesen Bond jedoch zu etwas Besonderem macht, ist die Tatsache, dass er die Handschrift der vorherigen Filme nicht nur fortführt. Man kann ihn als Resümee, als Ergebnis der anderen vier Kapitel sehen. Nachdem Blofeld in „Spectre“ grinsend offenbarte, dass er seit „Casino Royale“ die Finger im Spiel gehabt haben will und dementsprechend alles zusammengehangen haben soll (was arg konstruiert und keinesfalls von Anfang an geplant wirkte), geht „Keine Zeit zu Sterben“ einen Schritt weiter. Für die Figur Bond ist der Film ein Resümee seiner gesamten Reise, von seinen Anfängen als Double-O Agent bis hin zu seinem Verlassen des Departments im letzten Film. Erst mit diesem Film wird so wirklich bewusst, welchen Wandel die Figur durchgemacht hat, wie sie reifen konnte, welch Schmerzen und Opfer 007 unterwegs erleben musste. Und der neue macht es ihm keineswegs leichter. Wieder warten zahlreiche Krisensituationen und letztendlich sogar eine globale Gefahr auf ihn, die ihm nochmal alles abverlangen.

Der Film macht Swann erneut zur wichtigen Figur, und wenn Bond in der Eröffnungsszene lächelnd sinniert, dass sie zusammen ja „alle Zeit der Welt haben“, wird natürlich „James Bond 06: Im Geheimdienst ihrer Majestät“ (BG Kritik) zitiert, bei dem Bonds Ehefrau Tracy am Tag der Hochzeit von Blofeld ermordet wird. Das wird in diesem Film zwar nicht identisch nachgemacht, aber die offensichtliche Referenz legt absichtlich ein dunkles Omen über den restlichen Film und den Ausgang zwischen Bond und Swann. Das muss nicht heißen, dass der Film nach allen Ereignissen kein Happy End hat, aber Regisseur Fukunaga versteht genau, dass Ian Flemings berühmte Figur keine reine Wunschvorstellung ist. Viele reduzieren die Figur Bond darauf, dass er Frauen wie Unterwäsche wechselt, nie arbeiten musst, keine Verpflichtungen hat, jedem überlegen ist und munter Martinis schlürft, aber gerade die Craig-Reihe machte klar, dass Bond auch eine insgeheim traurige, kalte Figur ist, der trotz all der Freiheiten wenig Glück beschert ist – und daraus viel Interessantes zu ziehen ist, wie schon in Fukunagas gefeierter, wenn auch wesentlich finsterer Serie „True Detective“. Bond rettet die Welt und kämpft gegen Handlanger wie den Augengadget tragenden Cyclops, weil er es auf seinen Schultern tragen kann – die Einsamkeit, die vielen Schmerzen, die immer neuen Herausforderungen, die ihn nicht in Ruhe lassen. Swann wird hier zu wichtigen Figur, weil sie Bonds Verdrängen von Vespers Verrat nicht zulässt, alte Wunden wieder aufreißt, weil sie neue schafft, eigentlich sogar schlimmere Konflikte mitbringt. Insgesamt wird das spannend weiterzählt und macht die spätere Blu-ray Box „Casino Royale“ bis „Keine Zeit zu Sterben“ zu einer gelungenen, recht gut abgeschlossenen Narrative.

Rami Malek spielt Bösewicht Lyutsifer (Luzifer…) Safin, einen vernarbten Multimilliardär und ehemaligen Attentäter, der wie andere Bond-Superbösewichte a la Blofeld, Drax oder Stromberg eine eigene Vision einer Weltherrschaft durchsetzen will. Malek gibt sein Bestes, enigmatisch, sadistisch und bedrohlich zu erscheinen. Er ist immer stattlich, wird aber nie bemerkenswert. Zwar hat er keine direkten Szenen mit Christoph Waltz‘ Blofeld, doch dieser zeigt in seinen Szenen mit Leichtigkeit wesentlich mehr Charisma, sodass man sich glatt wünschen mag, er wäre auch hier der Hauptantagonist.

Für Fans der Reihe gibt es zahlreiche Winks und Referenzen, und selbst die in „Skyfall“ verblichene M darf via Ölgemälde noch einmal kurz zu sehen sein.

Spaßig ist, wie der Film bereits das Gerede um den nächsten Teil aufgreift. Vielerorts wurde gemunkelt, ob der nächste Bond womöglich von einer Frau gespielt werden könne, oder eventuell auch von einem nichtweißen Schauspieler. Dementsprechend ist Lashana Lynch zu Filmbeginn überraschend tatsächlich die neue feste 007 und Bonds offizielle Nachfolge – allerdings auch nur, weil jener den MI6 im letzten Teil verlassen hat. Wen das stören mag – keine Sorge, sobald der Craig-Bond Safin hinterher jagt, kriegt er seine berühmte Double-O-Nummer zurück. Hier gibt es keine Staffelübergabe. Die Nachfolge Bonds wird sich erst in den nächsten 1-2 Jahren zeigen… sofern Craig nicht doch noch mal zurückkommen mag.

Fazit:
Der (eventuell) letzte Film der Craig-Ära ist wieder einmal ein voller Erfolg und überzeugt sowohl als top gemachter Actionfilm, als auch als inhaltlich womöglich interessantester Teil der Reihe.

8/10

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Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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