BG Kritik: „Gran Torino“

12. September 2009, Christian Mester

Walt ist ein verbitterter alter Mann, der nach dem Tod seiner geliebten Frau von scheinbar Allem genervt wird. Seine restliche Familie besteht aus raffgierigen Heuchlern, ein junger Priester geht ihm ständig mit einer Beichtbitte auf den Keks und dann müssen ausgerechnet noch Asiaten in sein Nachbarhaus einziehen – ein Unding für den rassistischen Kriegsveteran, der noch immer schlimme Erinnerungen an den Koreakrieg hat…

Gran Torino (2008)
Regie: Clint Eastwood
Darsteller: Clint Eastwood, andere außer Clint Eastwood

Kritik:
Clint Eastwood hat angefangen, da drehte Hollywood noch in Schwarz/Weiß. Er hat damals in unzähligen Western mitgespielt, war seitdem fünf mal Kultfigur Dirty Harry, 10 mal für den Oscar nominiert, heimste 4 von den Goldjungen ein (zwei für Erbarmungslos, zwei für Million Dollar Baby), schwang fünf mal als Komponist den Dirigierstab und hat – obwohl er eigentlich Schauspieler ist – letztendlich schon weit mehr Filme gedreht als bekannte Kollegen wie Wes Craven. Die Sache ist also eigentlich klar: den Clint kennt man, und von daher war eigentlich abzusehen wie sein Neuer Gran Torino (übrigens der Name eines Autos im Film) ausfallen würde.

Denkste. Vom Inhalt her konnte man wohl locker meinen, der neue Clint sei ein typisch feinfühliges ruhiges Drama über Kriegsveteranen und Rassendifferenzen und solche Sachen (wie er sie schon gemacht hat), doch obwohl es das ist – würde man mit der Annahme gar kolossal falsch liegen. Statt Tränen und Mitleid beschäftigt sein neuestes Werk in erster Linie nämlich die Lachmuskeln.

Woran das liegt? Der Film ist erst zunächst einmal nicht als Komödie ausgelegt – hier gibt es keine Gags, keine Sketche, keine lustigen Oneliner und auch keine anderen auf lustig getrimmten Szenen. Nein, nach wie vor ist es die Geschichte eines hasserfüllten alten Mannes, der jedoch auf seine eigene Art irgendwie sympathisch ist. Walt ist von Anfang an umgeben von nervigen und lieblosen Menschen, die ihm gezielt auf den Zeiger gehen – etwa, wenn seine Enkelin ihn dreist fragt ob sie wohl seine Couch nach seinem Tod haben darf – was ja ihrer Meinung nach wahrscheinlich schon bald sein dürfte, oder wenn ihm seine Schwiegertochter ein Telefon mit überdimensionalen Tasten schenkt, obwohl er offensichtlich weder tatterig, noch von Demenz befallen ist. Walt begegnet all dem mit unglaublichen Zynismus, der einfach fantastisch von Clint umgesetzt wird. In den meisten Szenen kommen da alte Gesichtsausdrücke von Dirty Harry wieder hoch, und Walt geht dabei auch noch alles andere als schonungslos mit Schimpfwörtern um, was aufgrund der Heftigkeit der Ausdrücke und der Art, mit der er sie herüber bringt, einfach zum Schießen komisch ist. Herz hat der Film aber auch, und damit geht es auf die andere Seite des Gartenzauns.

Walt hat viel Zeit im Koreakrieg verbracht und dabei viele Asiaten erschossen, so dass er bis ins hohe Alter ein gewisses Feindbild hegt – das jedoch so langsam aufgebrochen wird, als er die Kinder seiner neuen Nachbarn kennen lernt. Soo zum einen ist hochintelligent und lässt sich als einzige von allen kein Stück von dem alten Knacker verängstigen, während ihr stiller Bruder Tao laufend von gefährlichen Gangs angesprochen wird. Sie wollen ihn haben, doch der vernünftige Junge hat anderes im Sinn – Ziele, die Walt bald zu schätzen weiß.

Was sich daraus entwickelt ist eine wundervolle Mentorengeschichte ala Karate Kid nur in weniger kitschig, die natürlich weiterhingespickt ist mit schlimmsten Beleidigungen und üblem Sarkasmus… wobei beides so grantig in Szene gesetzt ist, dass man unentwegt lachen und schmunzeln muss. All das fängt Clint in schönen, angenehmen Bildern ein, die er auch noch mit einem ebenso passenden Soundtrack untermalt. Trotz all der Situationskomik vergißt Eastwood aber auch die ernsteren Nuancen nicht und findet viele kleinere, auf den ersten Blick zwar unwichtige Momente, die aber nachdenklich stimmen und die ganze Story schön abrunden.

Zum Ende hin wird es dann leider schon ein wenig vorhersehbar und dadurch nicht mehr so kräftig wie der Weg dahin, doch insgesamt wird eigentlich jeder zufrieden und gut gelaunt aus dem Kino kommen.

Fazit:
Der neue Clint ist eine ungewöhnliche Freundschaftsgeschichte zwischen Clint und einem jungen Mong, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

8 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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