Treasure Tuesday Spezialkritik: Dark Society (1989)
Beim Treasure Tuesday stellen wir filmische Schätze vor, eben „treasures“. Filme, die vergessen wurden, nie den ganz großen Durchbruch hatten, zu alt oder zu fremdsprachig sind, um im vielfältigen Angebot unserer Tage herauszuragen. Auch zu Großvaters Zeiten gab es schon sehenswerte Filme, wie es auch in anderen Ländern sehenswerte Filme gibt. Heute knöpfen wir uns einen grell-unterhaltsamen, satirischen und hemmungslos schleimigen 80er Horrorfilm vor: Brian Yuznas „Dark Society“ (1989).
Dark Society
(Originaltitel: Society | USA, 1989)
Regie: Brian Yuzna
Darsteller: Billy Warlock, Even Richards, Jenny Whitney, Devin DeVasquez u.a.
Was ist das für ein Film?
Der Name Brian Yuzna sollte den geneigten Zuschauer in die Bereiche von überwiegend übernatürlichen B-Horrorfilmen bringen. Und ja, das trifft auf „Society“ zu, doch diese Beschreibung würde dem Film nicht gerecht werden. Das Script von Rick Fry und Woody Keith entwickelt sich, als vermenge man 80er Jugendabenteuer wie „Ferris macht Blau“ mit einer kleinen Spitze Upper Class Satire der Marke Louis Buñuel, präsentiert im Gewand eines schleimigen 80er Jahre B-Horrorfilms, irgendwo zwischen David Cronenberg und Frank Henenlotter. Eine unmögliche Mixtur? Vielleicht. Aber gerade deswegen ist „Society“ ja sehenswert.
Im Zentrum steht der junge Bill, Sohn pervers-reicher Eltern der kalifornischen High Society (!), der eigentlich keinen Grund hat, in irgendeiner Form misstrauisch zu sein. Das ist er aber, insbesondere nachdem er an eine Tonaufnahme gerät, die ihn vermuten lässt, in seinem eigenen Haus habe sich eine wilde und mörderische Tat abgespielt. Bill fühlt sich bald schon verfolgt und das offenbar mit Grund, als der Mann, der ihm die Tonaufnahme zukommen ließ, tot aufgefunden wird. Immer tiefer gerät Bill in die Ausläufer seines Verfolgungswahns, sieht Dinge, die doch eigentlich unmöglich real sein können, bis er hinter die Fassade seines Elternhauses und der Oberschicht von Beverly Hills blickt. Bill muss um sein Leben bangen, wenn er die Welt betritt, die Effektkünstler Screaming Mad George für ihn parat hält.
Warum sollte mich das interessieren?
„Society“ ist für sich genommen schon ein mehr als kompetent inszeniert und solide aufgebauter 80er Thriller mit spätjugendlicher Hauptfigur. Doch was sich auch wie eine Variation von Brian de Palmas meisterhaftem „Blow Out“ hätte abspielen können, wird zunehmend surreal. Das liegt einerseits an Regisseur Brian Yuzna. Dieser war als Produzent und Autor am ersten „Re-Animator“ (1985) und dessen Fortsetzungen beteiligt, produzierte den unterschätzten „From Beyond“ (1986), drehte den kultigen „Return of the Living Dead III“ (1993) und half mit, ausgerechnet die „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“ Reihe zu kreieren. Yuzna ist ein ungewöhnlicher Filmemacher mit einem ausgeprägten Faible für Lovecraft und für grotesken Humor.
All das findet sich in „Society“. Nun ja, nicht direkt Lovecraft, aber die Ahnung einer fremdartigen, dem Menschen überlegenen Gesellschaft, die man in ähnlicher Form vielleicht auch bei Lovecraft hätte finden können, gibt es hier durchaus. Der literarische „Herbert West, Re-Animator“ liest sich schließlich auch ganz anders und doch erkennbar ähnlich, im Vergleich zur Filmversion. „Society“ ist ein Werk, dessen Klassen-Kritik so offensichtlich ist, dass Poster, Tagline und Trailer keinen Hehl daraus machen. Die Reichen fressen die Armen, nutzen sie aus, unterdrücken sie. Wenn der geneigte Zuschauer nach ein paar geschickt über die Laufzeit des Films verstreuten Andeutungen schließlich erkennt und miterlebt, was es mit dem „Shunting“ auf sich hat, erleben wir ohnehin „nur“ noch ein langgezogenes, zotiges und teilweise grotesk-albernes Schauspiel, welches man so schnell nicht vergessen wird. Die glibberig-schleimige Effektwelt des Finales, die Effektkünstler Screaming Mad George häufig in eine Reihe mit Rob Bottin („The Thing“) stellt, ist ein einzigartiges Ungetüm. Es ist nicht zu beschreiben, gleichermaßen eklig und verstörend, wie auch lächerlich und albern. So funktioniert die grelle Satire am Ende dieses irren Films, mit wörtlich genommenen Wortspielen, über die sich sogar einige der Charaktere amüsieren, diese „Buttheads“.
Als Paranoia-Thriller und als Satire ist „Society“ unterm Strich ein bescheidener Film, der fraglos etwas leistet und in seiner plump-direkten Art erfolgreich ist, jedoch auch nicht zu sehr in die Tiefe geht. Das muss er auch nicht. Spannend genug ist die Angelegenheit auch so. Doch die Bildwelten, die insbesondere – aber nicht ausschließlich – das Finale heraufbeschwört, sind alles andere als bescheiden und sollten vom geneigten Zuschauer gesehen werden. Ein abgehärteter Magen und ein mindestens ebenso harter Humor vorausgesetzt.
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