BG Kritik: „Prometheus“ (Alien 5)

4. Januar 2019, Christian Mester

© 20th Century Fox

ROMETHEUS (2012)
Regie: Ridley Scott
Cast: Noomi Rapace, Michael Fassbender, Charlize Theron

Story:
Ein Forscherteam macht sich auf zu einem fernen Planeten, um dort nach dem Ursprung menschlichen Lebens zu suchen. In einem außerirdischen Tempel finden sie sodann markante Spuren möglicher Schöpfer, die sich jedoch als lebendiger erweisen als sie erwartet hätten: es wird sich geschwängert, getentakelt, geköpft, gegrillt, zerborsten und zermatscht.

Kritik:
Da ist er also, der neue Sci-Fi-Streifen von Altmeister Ridley Scott, der bekanntlich bisher erst zwei solcher schuf: Alien und Blade Runner. Zwei, tja, unvergessliche Filmklassiker, die zurecht Geschichte schrieben und bis heute zelebriert werden. Während der eine bis auf eine Fortsetzung in Videogame-Format solo blieb, folgte dem anderen gleich eine Vielzahl an Sequels, wobei sich Fans denn nach wie vor raufen dürfen, ob es nun drei oder fünf offizielle Nachfolger gibt. Egal jedoch, ob man nun Alien: Die Wiedergeburt von 1997 oder Aliens. vs. Predator 2: Requiem als den bis dato letzten Alien-Titel sieht: Fakt ist, die Reihe schien tot und zukunftslos. Mit einer auf die 70 zugehenden Sigourney Weaver klangen weitere Ripley-(Klon-)Abenteuer sinnlos, weitere Predator-Hatzen wollte niemand, und würde ein Alien noch einmal in einem Schulschwimmbad landen und einen Pizzalieferanten jagen – alsbald wäre man mit Fackeln und Heugabeln gen Studio aufgebrochen.

Dann eine unfassbare Nachricht nach der nächsten: der Regisseur Ridley Scott des Originals macht den nächsten Teil / die geschätzten Charlize Theron und Guy Pearce, sowie Shooting-Stars Michael Fassbender, Idris Elba und Noomi Rapace spielen die Hauptrollen / der Film bekommt ein 100 Millionen Dollar+ Budget / keine Vorgaben, der Regisseur darf machen was er will / keine Beschränkung auf Familienunterhaltung, Material darf ruhig derbe werden, sofern es in der Story gerechtfertigt ist / Alien-Erfinder HR Giger ist involviert / State-of-the-Art 3D-Technik. Ein Wow nach dem nächsten, bis auf eine kleine Randskepsis: Drehbuchüberarbeitung by Damon Lindelof. Jener Autor, der zur Hälfte für die Hitserie Lost verantwortlich war. Und siehe da: Prometheus liefert in jeder erdenklichen Hinsicht Tolles, scheitert doch „nur“ am Essentiellen: an der Story.

© 20th Century Fox

Prometheus, der wahrscheinlich teuerste Horrorfilm aller Zeiten, hat ein hervorragendes Konzept: was, wenn man auf der Erde Spuren außerirdischen Lebens fände und diese zurückverfolgen würde? Eine ungemein interessante und zugleich schaurige Vorstellung, die man hier zunächst mit interessanten Charakteren beginnt. Das Prometheus-Team besteht aus ernsten Gestalten, aus hochdotierten Wissenschaftlern und geschätzten Führungskräften, die bevorzugt bei einem Glas Rotwein und Musik von Bach Schach spielen, statt im Ferienlager saufend Wahrheit oder Pflicht zu spielen. Ein also ansehnlich hoch gesetzter Anspruch (und eine Rarität für Horrorfilme), der jedoch seltsamerweise früh wieder vergessen wird.

Kaum im außerirdischen Alien-Tempel angekommen, verhält sich die Welt-Elite klüger Köpfe plötzlich wie ein tumber Teeniehaufen aus einem Freitag dem 13.: trotz der wohl bedeutendsten Entdeckung der Menschheitsgeschichte gibt es unter den Besuchern kaum Enthusiasmus, Gänsehaut, kleinstes Interesse am Fund: lieber wird gekifft, miteinander in den Laken gewälzt, ein Weihnachtsbaum aufgestellt oder gelangweilt Billard gespielt. Wenn aufgebrochen wird, dann unüberlegt, unnötig risikobereit und planlos. Schon allein die Tatsache, dass das Team derart respektlos und desinteressiert unterwegs ist, ist ein großer Einbruch in die aufkommende Spannung, denn wenn sie nicht gespannt sind, sie, die vor Ort und in Gefahr sind, wie soll man sich in ihre Lage hineinversetzen und mit ihnen bibbern? Was durch immens bescheuerte Aktionen, für die man gewiss keinen Doktortitel benötigt, um sie zu verstehen, nur noch weiter erschwert wird: niemals nimmt man auf einem fremden Planeten den Helm ab, nur weil man „so ein Gefühl“ hat. Niemals geht man zum Warten zurück in den einen Raum, den man zuvor angsterfüllt verlassen hatte. Niemals fasst man ein fauchendes Tier an, dass offensichtlich aggressiv erscheint. Und niemals verläuft man sich, wenn man der bordeigene Kartograph ist. Horrorfiguren dürfen dumm und unsympathisch sein, wenn es amüsant sein soll, sie sterben zu sehen, doch Prometheus will letztendlich weiterhin mehr als das sein und liefert es nicht.

Die Logiklöcher hören dann nicht auf, sie werden nur noch schlimmer. Ob die Atmosphäre des Planeten für die Außenhülle des Raumschiffs gefährlich ist, wird erst gefragt, als man bereits mittendurch fliegt; Leute lassen sich von geradlinig abstürzenden Brocken zermanschen obwohl sie zur Rettung nur zur Seite laufen müssten und es wird schlichtweg vergessen zu erwähnen, dass man in einem der anderen Räume soeben einen kindsgroßen Alien-Parasiten geboren hat. Bei der Landung sieht man offensichtlich eine ganze Reihe von Gebäuden, doch schon nach Untersuchen des ersten gibt man die Hoffnung auf Überlebenszeichen auf und sieht sich die anderen gar nicht mehr an. Überhaupt sind einige der „Geheimnisse“ der Geschichte unsinnig platziert: ein Todgeglaubter taucht plötzlich mir nichts dir nichts auf, ohne Überraschungseffekt oder Sinn, denkt man rückläufig darüber nach. Die wenigen Überraschungsversuche sind keine, da sie nie wirken, was leider auch auf die kläglichen Versuche, Gefühle zu wecken übertragbar ist. Spricht eine Person eine andere plötzlich bewegt als „Vater“ an, ist es irrelevant, da sie zuvor null Kontakt hatten und die Bindung offensichtlich erschien; muss ein Infizierter vor den Augen aller in Brand gesteckt werden, ist es ähnlich egal, da die Person bis dahin völlig unsympathisch war. Andere Opfer tauchen erst Momente vor ihrem Tod auf, wodurch sie zu belanglosen Red Shirts werden, und ein wechselseitiger Charakter lässt sich nie konkret irgendeiner Seite zuordnen, wodurch er zwar unberechenbar, aber auch planlos erscheint. Keiner der Charaktere bleibt fest bei seiner Persönlichkeit: seriöse Wissenschaftler agieren offensichtlich dämlich, angebliche Sicherheitsexperten riskieren das Leben aller und können nichts beschützen, stocksteife Überwachungspersonen haben plötzlich bereitwillig Sex, nur damit ein Bildschirm storybedingt unbeobachtet bleiben kann. Die Intentionen hinter jedem dieser Fehltritte sind offensichtlich, scheinen aber plump und ungeschickt umgesetzt.

© 20th Century Fox

Was die Kreaturen betrifft, so muss man die Effektschmiede loben. Insgesamt gibt es rund 5-6 Kreaturen, von denen 5 überaus gelungen sind. Eine davon ist ein infizierter Mensch, der leider langweilig wie ein typischer Zombie aussieht – da gab es beim Dreh ein anderes, viel monströseres und damit interessanteres Design, das jeder leider nicht genommen wurde. Die anderen Untiere sind allerdings schönstes Albtraummaterial und passen toll zum Alien-Kosmos, und auch all diese Ungetüme zeigen sich als unerbittlich fiese Bodyhorrorfans. Ärgert man sich nicht gerade über erneut dämliches Verhalten der Menschen, faszinieren und ekeln die Angriffe, die durch ihren Abwechslungsreichtum der breiten Nichtspannung trotzen und aufgeregt werden lassen, was für eine Kreatur wohl als nächstes auftaucht. Zu loben ist das gesamte technische Team, da Prometheus insgesamt vortrefflich toll inszeniert ist, großartige Computer- und praktische Effekte, sowie großartiges FX-Makeup hat. Der Schnitt ist gelungen, wenn auch manches Mal zu harsch; so gibt es eine finale Kampfszene, die leider keine ist, da direkt vom Kontakt zum Finisher geschalten wird. Ansonsten ist der Film eine Wucht, außerordentlich schick inszeniert, mit tollem, wenn auch selten eingesetzten 3D und starkem Sounddesign. Leider schwächelt die Audiofraktion dem hinterher, denn Marc Streitenfelds Soundtrack lässt sich nicht mit denen von Alien und Aliens vergleichen. Extrem schade ist die Tatsache, dass die epischen Audiomachine-Stücke „Judge and Jury“ und „Knights and Lords“ (samt eingestreuten Sound-FX aus Alien 1) nicht verwendet werden, obwohl sie in den Trailern so klasse funktionierten und Prometheus etwas Großes, Erhabenes gaben.

Was das betrifft, ist es ungemein schade, dass sich Prometheus nicht an größere Seriösität gewagt hat. Konzeptionell bietet der Film soviel Diskussionsmaterial, allein schon in Anbetracht der Anwesenheit des Androiden David. Die Menschen haben David als ihren Diener geschaffen und nun reisen sie zu ihren Schöpfern, die sich ihnen als feindlich entpuppen. Davids Verarbeitung des ganzen gehört mit zu den besten Ansätzen, doch der Film geht nie näher darauf ein, lässt nur schätzen. Auch in den letzten Momenten des Films, der dort in Richtung 2001: Odyssee ins Weltall hätte einschlagen können, geht man lieber auf Nummer sicher und präsentiert einen ziemlich typischen Actionfilm-Showdown. Der nicht allzu aufregend ist und auf ziemlich seltsamer Note endet, was die weiteren Pläne der etwaigen Überlebenden betrifft. Sprich, der Film scheint Angst vor der näheren Auseinandersetzung mit den philosophischen Fragen zu haben, was schade ist, da das ganze drumherum, der ruhige Aufbau, die stilvolle Musik, das detailreiche Set- und Kreaturendesign in eine andere Richtung drängt, während viel Plumpes, wie das dämliche Verhalten der Wissenschaftler mit aller Last in Richtung Entertainmentkino zu ziehen scheint. Als gäbe es in Lawrence von Arabien plötzlich eine zwanzigminütige Martial Arts Sequenz und Tequila-Runden samt Wham! Karako-Abend zur Auflockerung der Stimmung. Was schwierig ist, wenn der Film ansonsten dicke Haut beweist und mit sehr ungemütlichen Körperhorrorszenen jeden Zuschauer wegsiebt, der es ohnehin nicht ernst meint.

Was die Verbindung zu Alien 1-4 betrifft: angemerkt sei zunächst, dass dieser Film auf dem Mond LV-223 spielt, was heißt, dass das Hufeisen-Raumschiff, das hier gefunden wird, nicht das gleiche wie das in den ersten beiden Teilen auf LV-426 ist. Dennoch gibt es mehrere eingestreute, klare Verweise auf die Alien-Reihe, die jedem Alien-Fan die Säure im Mund zusammenlaufen lassen dürfte, stärker noch als in Predator 2. Aber: obwohl man Prometheus als deutliches Alien-Prequel sehen kann, wenn man will, ist es nicht nur das. Das Ende bereitet Alien 1 nicht strikt vor, und der 2015 kommende Prometheus 2 könnte eventuell sogar in eine ganz andere Richtung gehen, da er ebenso eine andere Kreatur in den Vordergrund stellt. Fakt ist jedenfalls, dass der Film amüsanterweise die VS. Filme nicht aus dem Kanon schmeißt. Zwar nicht bestätigt, aber nichts was in Prometheus passiert, kickt diese aus der Alien-Timeline. Wer will, darf diese also weiterhin dazu zählen.

Fazit:
Man darf gar nicht darüber nachdenken, welche Möglichkeiten in der Handlung stecken und sich auch nicht von der stilvollen, nachdenklichen Rahmenhandlung beirren, gar täuschen lassen, Prometheus habe außerordentliche Substanz. Es ist ein leider „nur“ plumper Sci-Fi-Monsterhorrorfilm, der früh sein Hirn lachend wegwirft, aber als solcher bombastisch gut gemacht ist und schon aufgrund der gut gewählten Besetzung, so dämlich die Besatzung auch agieren mag, Spaß macht. Ein Muss für Horrorfans, wenn auch mit gesenkter Erwartungshaltung, denn da ist noch reichlich Luft nach oben.

7/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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