BG Kritik: „Reichtum ist keine Schande“ (The Jerk)

29. August 2019, Christian Westhus

Halbwahnsinnige Komödie mit Steve Martin: Navin (Martin) ist nicht besonders intelligent. Als er die Wahrheit seiner Familienzugehörigkeit erkennt, zieht er aus, um in der Welt Fuß zu fassen. So irrt er durch Städte und von Job zu Job, bis er irgendwann durch Zufall tatsächlich finanziellen Erfolg hat.

Reichtum ist keine Schande
(Originaltitel: The Jerk | USA 1979)
Regie: Carl Reiner
Darsteller: Steve Martin, Bernadette Peters, uvm.
Kinostart Deutschland: 20. Juni 1980

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday, ursprünglich veröffentlicht im Januar 2015.)

Silberlocke Steve Martin gehörte zu den kreativsten und witzigsten Menschen im amerikanischen Komödienkino der 80er, ehe er zunehmend in Familienkomödien auftrat oder gar nicht mehr auftrat. „Reichtum ist keine Schande“, zu dem Martin auch das Drehbuch beisteuerte, war der erste voll und ganz auf ihn zugeschnittene Kinofilm und eine Fusion seines Stand-Up Programms mit dem Kino.

Als Obdachlosen, pardon „Jerk“, treffen wir Navin auf der Straße. Er erzählt uns, dass er nicht immer so war. Geboren wurde er als „armer, schwarzer Junge“ in Mississippi. Martin war damals Mitte 30 und schon auf halbem Weg zu seiner markanten weißen Haarpracht. So stapft er denn als großer, weißer Mann mit grau meliertem Haar als vermeintlich junger Erwachsener durch ein Haus, das mehr einer Hütte gleicht, umgeben von seinen afroamerikanischen Familienmitgliedern. Erst eine nicht zu erklärende Reaktion auf Musik, die Navin in unnachahmlicher Manier tanzen lässt, bringt Zweifel über seine Familiensituation. Erst jetzt erfährt Navin, nicht der leibliche Sohn von Ma und Pa zu sein. Er beschließt, die Welt kennen zu lernen, einen Job zu kriegen und seiner Familie regelmäßig Geld zurück in die Heimat zu schicken.

Dies ist der Auftakt zu einer sketchartig-episodischen Reise quer über die soziale Schere des Landes. Martins Genie als Schreiber besteht aus (mindestens) zwei Dingen. Er liefert ungewöhnliche, oft brüllend komische und dadurch ewig zitierbare Szenen oder Sprüche quasi in einer Endlosschleife. Und ihm gelingt es, tatsächlich eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, als hätten Monty Python „Forrest Gump“ und Mel Brooks‘ „Das Leben stinkt“ zu einer neuen, irren und absurden Kreuzung vermengt. Schon die Abfahrt vom Elternhaus gestaltet sich schwierig, denn Navin will trampen, muss jedoch lange warten, bis überhaupt Autos über die abgelegene Landstraße fahren. Der erste Autofahrer, der Navin mitnimmt, fährt zudem leider nur bis zum Ende des Gartenzauns. Navin muss Durchhaltevermögen beweisen.

© Universal

Auf dieser Odyssee zeigt sich auch Martins unbeschreibliches Talent als Darsteller. Als gut meinender, aber hemmungslos idiotischer Trottel ist Martin eine Wucht, wie er zum Beispiel begeistert und euphorisiert auf sein neues Apartment reagiert, ehe man ihm erklärt, er befände sich in einer öffentlichen Toilette. In einer Szene wird auf den nichts ahnenden Navin geschossen. Während um ihn herum Scheiben zerspringen und insbesondere Dosen und Büchsen zerschossen werden, fragt sich unser Jerk, wie jemand so eine Wut auf Dosen und Büchsen haben kann. Auf Navins Odyssee geht es um Geld und Liebe. Ein erster Job an einer Tankstelle ist nur eine Zwischenstation. Verwicklungen beim Zirkus folgen, ehe im vielleicht absurdesten Detail des Films (was Bände spricht!) ein Mann sein Wort hält, wonach Navin zu Reichtum kommt.

Beim Zirkus trifft Navin auf eine Frau, die ihm zeigt, wozu sein „Purpose“, der „Zweck“ in seiner Hose, gut ist, doch nach einer rasanten Fahrt auf einem Miniaturzug und einer Auseinandersetzung mit der rabiaten Ex verfällt Navin der netten Marie. Doch Leben, Liebe und Finanzen sind schwierig. Selbst sein dauerhafter Wegbegleiter, Hund „Shithead“ (ja, wirklich), weiß nicht immer weiter. Man mag den Ausgang von Navins Irrgang durch die hohen und die tiefen Klassen der amerikanischen Gesellschaft ein wenig erahnen, nicht zuletzt, da wir ja mit einem Erzählrahmen gestartet sind, der noch geschlossen werden muss. Doch was man nicht erahnen kann sind die Zwischenstationen, die Intermezzos, die Navins Weg beeinflussen und die ihn auf immer neue, immer absurdere Wege schicken. Genau in diesen Momenten, in denen die glorreich-dämlichen Dialoge und Martins irres Spiel – der wunderbar mit seiner damaligen Partnerin Bernadette Peters agiert – zum Tragen kommen, liegt das Geheimnis dieses ungemein unterhaltsamen Films.

Fazit:
Urkomischer, provokativer und energiegeladener Blödsinn mit Grips. Ein Film, der so clever wie witzig ist und zeigt, zu welch genialen Absurditäten Steve Martin als Darsteller und Schreiber fähig ist oder zumindest mal war.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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