BG Kritik: „The Lie“ (Welcome to Blumhouse)
Studio Blumhouse bringt über den Oktober verteilt vier (hoffentlich) schaurig-spannende Filme via Amazon Prime Video heraus. „Black Box“, „Nocturne“ und „Evil Eye“ werden unter dem Motto „Welcome to Blumhouse“ folgen, doch den Anfang macht „The Lie“, mit Peter Sarsgaard, Joey King und Mireille Enos, die in Schwierigkeiten geraten, als die Freundin der Tochter plötzlich verschwindet. Hat die Tochter etwas damit zu tun? Aktuell bei Prime Video zu schauen und hier in der Kritik.
The Lie
(USA, Kanada 2018)
Regie: Veena Sud
Darsteller: Peters Sarsgaard, Joey King, Mireille Enos
Veröffentlichung: 06. Oktober 2020 (Prime Video)
Man sollte nicht zu viel in größere Lücken zwischen der Premiere und der weltweiten Veröffentlichung eines Films hineininterpretieren. Es ist wie bei Lebensläufen; diese Lücken können ein schlechtes Zeichen sein, müssen sie aber nicht. Kleinere Film, insbesondere solche, die ungenau zwischen zwei oder mehr Genres stehen, haben nicht selten ihre Schwierigkeiten, einen Platz im globalen Filmgeschäft zu finden. Es ist also erst einmal eine nette Geste, dass „The Lie“ einer von mehreren Blumhouse-Filmen ist, die das Produktionsstudio via Prime Video als Halloween Appetitanreger veröffentlicht.
Leider kann man durchaus leicht und schnell erkennen, warum „The Lie“, der 2018 auf dem Toronto Filmfestival noch mit relativ großen Fanfaren seine Premiere feierte, auf die Blumhouse Television Schiene reduziert wurde und nun, gut zwei Jahre später, per impliziertem Mengenrabatt bei Prime Video landete. Der Eindruck der notdürftigen Resteverwertung verhärtet sich noch, blickt man auf den Kontext der Veröffentlichung, in der kleinere Blumhouse Horror-Produktionen im schaurigen Oktober für Halloween-Einschaltquoten sorgen sollen. Blöd nur, dass „The Lie“ kein Horrorfilm ist. Sicher, das Horrorgenre ist vielseitig und variabel, mit verschwimmenden Grenzen, über die man vortrefflich streiten kann, doch dieser Film ist bestenfalls ein semi-realistisches Thrillerdrama und selbst als solches nicht wirklich überzeugend.
Das alles, die unerfreuliche Veröffentlichung und die schwammige Genrezugehörigkeit, müsste normalerweise gar kein Problem sein. „The Lie“, Remake des kleinen deutschen Films „Wir Monster“ (2015), hätte einen sehenswerten Film abgeben können, mit seinem dramatisch-tragischen Hintergründen, den windigen Verstrickungen und großen Offenbarungen. Die 15-jährige Kayla (Joey King) beobachtet frustriert, wie ihre getrennt lebenden Eltern (Mireille Enos und Peter Sarsgaard) erfolgreich neue Lebenswege beschreiten. Mit ihrem Vater am Steuer lädt Kayla eine Freundin zur Mitfahrt durch die schneeige Landschaft Kanadas ein, bis diese nach einem kurzen Zwischenstopp verschwunden ist. Die Freundin sei tot, erklärt Kayla, in einen reißenden und eisigen Fluss gestürzt. Mit Absicht. Vater Jay versucht, der Situation Herr zu werden, und nähert sich so auch wieder seiner Ex an. Vielleicht fühlt man sich vage an Atom Egoyans „Das süße Jenseits“ (1997) erinnert, der erfolgreich in eine ähnliche Richtung ging. „The Lie“ erinnert jedoch – wenn überhaupt –eher an Wim Wenders‘ „Every thing will be fine“ (2014), der an einer vergleichbaren Prämisse scheiterte.
Ein Unfall, vielleicht mehr, die wachsende Schuld der Beteiligten, dazu die emotionale Unsicherheit eines Scheidungskindes, sowie die Welten, die Eltern zum Schutze ihrer Kinder zu bewegen bereit sind – die Ansätze für ein aufwühlendes menschliches Drama sind allemal vorhanden. Doch „The Lie“ steht vom Moment der folgenschweren Tat an auf äußerst wackligen Beinen und bricht über Kurz oder Lang beinahe komplett in sich zusammen. Die drei Hauptdarsteller sind talentiert und bemüht, müssen ihren Figuren jedoch durch zunehmend unglaubwürdige und regelrecht absurde Verrenkungen folgen, müssen dumme Entscheidungen treffen und noch dümmere Konsequenzen ausbaden. Es ist ein überfordertes Script, welches sich krampfhaft vor dem Ertrinken zu retten versucht – koste es was es wolle. Als ernsthaftes Drama zu lächerlich, ist „The Lie“ aber auch zu steif und humorlos, um eine satirische schwarze Komödie zu werden. Und obwohl nur 90 Minuten lang, zieht sich das schrille Geschehen enorm, wartet aber immerhin mit einer derart überambitionierten und kuriosen Twist-Auflösung auf, dass es sich doch irgendwie gelohnt hat. Zumindest dieses haarsträubende Ende muss man gesehen haben, um es wirklich zu glauben.
Fazit:
Definitiv kein Horrorfilm und auch als Thrillerdrama fehlgeleitet. Sämtliche emotionalen Möglichkeiten verpuffen durch ein verplottetes Drehbuch, welches zusehends absurder wird.
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