Treasure Tuesday Spezialkritik: „Ginger Snaps“
Werwölfe und Pubertät. Der kanadische Horror-Kultfilm „Ginger Snaps“ (2000), unser heutiger Treasure Tuesday Tipp. Jeden Dienstag auf Erkundungstour gehen. Wir stöbern nach vergessenen Filmen, unterschätzten Filmen, alten Filmen, fremdsprachigen Filmen. Nach Filmen die sich lohnen, auch wenn gerade nicht die halbe Welt über sie spricht.
Ginger Snaps: Das Biest in dir
(Originaltitel: Ginger Snaps | Kanada 2000)
Regie: John Fawcett
Darsteller: Emily Perkins, Katharine Isabelle, u.a.
Veröffentlichung Deutschland: 15. Januar 2003 (DVD)
Was ist das für ein Film?
Ein kleiner Mini-Kultfilm aus einer Zeit, als das Teen-Horror Revival der späten 90er langsam aber sicher schon wieder vorbei war. Ein Coming of Age Jugenddrama mit trockenem Witz – und Werwölfen. Darum geht’s: Die Fitzgerald-Schwestern Brigitte (Emily Perkins) und Ginger (Katharine Isabelle) führen in der kanadischen Provinz ein Außenseiterdasein. Ginger ist ein wenig selbstbewusster als die schüchtern-verschlossene Brigitte, doch Außenseiter sind sie beide. Die Schwestern umgibt eine Faszination für das Morbide und Makabre, für Tod und Sterben. Mit ihren 15 bzw. 16 Jahren hängen beide auch in ihrer körperlichen Entwicklung hinterher, doch beide sind zufrieden, solange sie einander haben. Alles ändert sich, als Ginger eines Nachts von einem „großen Hund“ gebissen wird. Der große Hund entpuppt sich als Werwolf und Ginger macht alsbald körperliche und mentale Veränderungen durch, wird selbstbewusster, wilder, reifer, wird selbst zu einem Werwolf. Und Brigitte muss dafür sorgen, ihre enthemmte Schwester unter Kontrolle zu halten.
Warum sollte mich das interessieren?
Mit Metaphern ist das so eine Sache. Manchmal ist die eigentliche Intention und Botschaft eines Films kryptisch in Bildern und Querverweisen versteckt und vergraben, für die allermeisten Zuschauer nur zu erahnen. Oftmals ist eine symbolische Färbung aber so offensichtlich und simpel, dass so mancher im Publikum schon nach wenigen Minuten das Mitdenken einstellt. Was „Ginger Snaps“ von uns will, wie die Werwolf-Thematik mit einer Pubertätsgeschichte insbesondere um ein sexuelles Erwachen verknüpft wird, ist offensichtlich und damit der springende Punkt. Es ist der Text. Doch der Film gibt sich mit dem Abstecken des Grundprinzips nicht zufrieden. Das heißt nicht, dass „Ginger Snaps“ ein hochkomplexes Werk ist, wohl aber, dass hier mit Witz, bissiger Ironie und Genre-Charme gearbeitet wird, um gleichermaßen unterhaltsam wie emotional authentisch zu sein.
Geschrieben von Regisseur John Fawcett und Karen Walton ist der Film als Horrorfilm keineswegs zurückhaltend, ist spannend und auch blutig, wenn Gingers kontinuierliche Tierwerdung bzw. Werwolf-Transformation gewisse Opfer fordert. Sie geht über Leichen, ist von einem Blutdurst getrieben, aber auch von einer gesteigerten sexuellen Lust. Für Schwester Brigitte ist Gingers Veränderung doppelt und dreifach verwirrend, muss sie doch nicht nur weiteres Unheil verhindern und droht sie ihre geliebte Schwester zu verlieren, ist Gingers neue Art doch auch ein Spiegel für Brigittes eigene unterentwickelte Art. Das wölfische Treiben der Fitzgerald-Schwestern war (im kleinen Rahmen) erfolgreich und reizvoll genug, dass es für zwei Fortsetzungen reichte; beide ebenfalls sehenswert. Teil 2 ist ein klassisches Sequel und Teil 3 ein ambitioniertes Prequel. Den Grundstein dafür legt dieses coole und unterhaltsame Werk, getragen von einem cleveren Script, einer gewitzten Inszenierung und gut aufgelegten Darstellern. Obwohl 2000 entstanden, wirkt „Ginger Snaps“ wie ein ultimativer 90er Jahre Mischmasch, aber mit dem gewissen alternativen und abseitigen Twist. Mit dem etwas kuriosen und budgetbedingt nicht vollends glaubwürdigen Werwolfdesign muss man klarkommen, was durch das gelungene Drumherum kein Problem sein sollte.
Auf DVD/BD erhältlich. Beim Amazon Channel ‚Starz‘ im Abo verfügbar.
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