BG Kritik: „Bone Tomahawk“

13. September 2015, Christian Mester

Im Jahr 1880 schließt sich eine Gruppe mutiger Männer zusammen, um Entführte aus den blutigen Griffeln grausiger Kannibalen zu befreien. Neben einem überforderten Sheriff und seinem Deputy im Greisenalter gehen ein arroganter Zausel und ein schwer verletzter Verwandter der Entführten mit auf die Jagd. Ebenso mutig wie ahnungslos folgen sie der Spur der Wilden…

Bone Tomahawk (US 2015)
Regisseur: S. Craig Zahler
Cast: Kurt Russell, Patrick Wilson, Matthew Fox

Eine Meute geringfügig zivilisiert anmutender Wilder entführen „schöne“ weiße Frauen – das waren damals in der Peakzeit der Western leider meist unreflektiert Indianer, die in oftmals eintöniger Darstellung als böse, huahua kreischende Kugelfänge herhalten mussten. Bone Tomahawk sieht davon ab und wählt einen anderen Ansatz. Hier sind die Antagonisten fast monsterartige Wilde mit reinem Tötungsinstinkt, die in ihrer einsilbigen Bösartigkeit prima in jeden Monsterfilm passen könnten. Tun sie sogar zum Teil, denn zu einem Drittel ist Bone Tomahawk ein Horrorfilm. Wie in den zwei The Hills have Eyes Filmen samt Remakes geht es um eine Schar brutaler, scheinbar zurückgebliebender Irrer, die Hunger auf Menschenragout haben.

Zu einem Drittel wohlbemerkt. Es gibt typische Stalkingszenen und der gesamte Schluss ist recht genretypisch, doch Regisseur Zahler will mehr als nur Cowboys gegen mordlüsterne Wahnsinnige zeigen. Er würfelt eine skurille, fast schon alberne Truppe an Helden zusammen. Russell, der mit Tombstone, und jetzt neu, The Hateful Eight, zwei der bekannteren modernen Westernableger gemacht hat, darf hier mal gegen sein gewöhnliches Alpha-Klischee anspielen. Trotz epischen Bartes ist sein Sheriff ein recht unerfahrener Schreibtischtäter, sehr zu vergleichen mit Roy Scheiders Brody aus Der weiße Hai, der zwar sympathisch ist, dem eigentlichen Problem aber nicht gewachsen scheint.

Russell, der die 60 selbst schon vor einer Weile überschritten hat, wird begleitet von einem Hilfs-Sheriff, der noch mal zwanzig Jahre älter ist. Richard Jenkins gibt zwar keinen toughen Kämpfer her, lockert das Geschehen aber ständig mit herrlich dreisten Sprüchen auf. Die beiden sind demnach nicht gerade Clint Eastwood und Morgan Freeman in Erbarmungslos, und der dritte im Bunde, gespielt von Matthew Fox, hält sich maximal für ein solches Format. Fox spielt einen kultivierten Lebemann mit schickem Anzug, der zwar die meiste Konflikterfahrung mitbringt, mit seiner arroganten Art aber auch ständig aneckt. Der letzte Halunke ist Patrick Wilson, der humpelnd einen Schwerverletzten spielt, der seine Frau wieder haben will. Seine Figur ist prinzipiell die langweiligste, doch da er persönlich betroffen ist, motivieren sein Wille und sein Irrsinn, trotz hilfloser Ausgangslage unbedingt mitkommen zu wollen, die anderen.

Der Ritt ist hier wichtiger als die Ankunft. Diese vier unterschiedlichen Gestalten marschieren und zelten gehen zu sehen, macht Spaß, da sie sich alle in ihren interessanten Rollen wohlfühlen und in diesen unterhaltsame Unterhaltungen führen. Wechselt es später stärker zu reinem Horrorkino, verliert der Film etwas. Problematisch ist, dass Zahler kein Geld hatte. Glaubt man einem Bericht aus der Entertainment Weekly, betrug das Budget des Knochentomahawks knapp unter 2 Millionen Dollar. Was bedeuten muss, dass die vier Hauptdarsteller (und Sean Young, Sid Haig und David Arquette in Cameos) mehr oder weniger umsonst gespielt haben müssen. Dafür legen sie sich wahrhaftig ins Zeug und beschämen Adam Sandler, der für viele seiner letzten Filme 15 Millionen Dollar und mehr bekam, dafür (Ridiculous 6 ausgenommen) aber bloß atmend vor der Kamera stand. Das fehlende Geld bedeutet allerdings auch, dass Bone Tomahawk keine großen Schauwerte mitbringt. Es gibt keine Prairieaufnahmen, alles sieht klein und eingeschränkt aus. Die Inszenierung ist zwar merklich besser als bei den meisten in Bulgarien gedrehten Steven Seagal Eintagsfliegen, doch für Russell und Co. wirkt es oft, als wären sie von unsichtbaren Wänden eines Videospiels begrenzt. Als hätte jemand The Revenant in der Gartenabteilung des örtlichen Hornbachs gedreht.

Bone Tomahawk hatte es schon von Konzeption an schwierig, zu überzeugen. Als Hybrid kann er schnell Western- und Horrorenthusiasten enttäuschen, weil er beides nicht sonderlich stark bedient. Das sollte dementsprechend nicht der Hauptgrund sein, dem ansonsten, und vor allem für sein kleines Budget, völlig anständigen Film eine Chance zu geben. Neben den gelungenen Charaktergesprächen gelingt Zahler solide Kurzweil. Der Film mag zwar weder tiefe dramatische oder emotionale Wege beschreiten, reitet dafür jedoch im beständigen Galopp gen Horizont. Soll heißen, dass einige der Schwächen erst im Nachhinein nachrücken und auffüllen.

Fazit:
Wäre Bone Tomahawk ein Prequel zu den Hills have Eyes Filmen, und das könnte er prinzipiell sein, wäre er vor allem in Anbetracht des geringen Budgets ein beachtlich okayer DVD-Release. Als allein stehender Film hat er jedoch eine Identitätskrise, kann sich mit beiden Genres nicht immer gut im Sattel halten. Hätte man Zahler noch echtes Geld in die Hand gedrückt und ihn dazu überreden können, die Horroreinflüsse noch weiter zu reduzieren, wäre sogar großes Lob denkbar.

6 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung