BG Kritik: „Ich – Einfach unverbesserlich“

8. Dezember 2010, Christian Mester

Als der hauptberufliche Bösewicht Gru (Steve Carrell) eines Tages von einem schrägen Neuling namens Vector (Jason Segel) übertrumpft wird, fasst er einen Plan, um erneut der böseste Bösewicht aller Zeiten zu werden – er beschließt, den Mond zu stehlen. Klingt kriminell genug und mit Hilfe eines Schrumpfstrahlers auch machbar, allerdings wäre all das leichter, wären da nicht diese drei mal eben adoptierten Mädchen…

DESPICABLE ME (2010)
Regie: Chris Renaud, Pierre Coffin, Kyle Balda
Cast: Steve Carell etc.

Kritik:
Als die ersten Artworks und Bilder zu Universals Animationsfilm „Ich – Einfach unverbesserlich“ auftauchten, konnte man nur sehr vorsichtig von einem viel versprechenden Titel sprechen. Kantig und detailarm wirkte die Optik, dazu kam, dass der Film im Vergleich zu aufwendigen Genre-Kollegen auffällig wenig kostete. Der schwache deutsche Titel und eine Veröffentlichung kurz vor Zack Snyders gewaltigem Eulenepos „Die Legende der Wächter“ sollten dann ihr Übriges tun, Zweifel aufkommen zu lassen, doch plötzlich die Überraschungskeule aus den USA: der Film schlug den doppelt so teuren, emotionalen Eulendrücker mit 30 Seconds to Mars Bombasttrailer am Startwochenende mal eben um das Doppelte, ein Sequel ist bereits angekündigt – ist Gru etwa gru-ßartig?

Das ist er manches Mal, denn sein Abenteuer ist ein hervorragender Kinder-, insgesamt aber ein nur guter Film. Kinder werden ihn lieben, da Superbösewichte ala „G.I. Joe“ lachend (familienfreundlich) verrückte Superwaffen zücken und Mädchen monströse Ungeheuer zu pinken Schoßtieren bürsten, dazu gibt es die quirligen gelben Minions, die wunderbar kaspernd albern durch den ganzen Film wuseln und den Spielzeugmarkt gehörig eingelben dürften. Eine recht rasante, lineare, vorhersehbare Story lässt nie Langeweile aufkommen, beendet wird alles (wie so oft) abschließend mit einem rührenden Schluss-Strich, der mit einem warmen Klumpen in der Bauchgegend gehen lässt.

Dass der Film nicht den Detailgrad der Konkurrenz erreicht, fällt auf, fällt aber auf Dauer auch nicht weiter schwer ins Gewicht. Das Schöne am Film ist, dass er einen leicht ungewöhnlichen Touch hat und dies auch stilistisch immer wieder eingebracht wird. Man hat nicht das Gefühl, dass man für mehr kein Geld hatte, es wirkt, als solle alles bewusst so aussehen – man sieht ja schon, dass Gru für eine Animationsfigur reichlich seltsam geformt ist. Stellenweise gibt es sogar makaberen Humor (etwa, wenn angenommen werden darf, dass eins der Mädchen aus Versehen in einer Foltermaschine zermanscht wurde)(was sie nicht wird), aber Grus Abenteuer entfernt sich doch nur selten von der Schiene sicheren Humors. Immer wieder stehen die kleinen Handlanger im Vordergrund, die an das Innere eines Überraschungs-Eis erinnern und meist kunterbunten, turbulenten Blödsinn anstellen.

Schade ist, dass der fehlende Mut zu mehr als purem, reinen Klaumauk automatisch bedeutet, dass es nur wenig gibt, was auf Ältere zugeschnitten ist. Sieht man die als Lehman Bros. betitelte Bank des Bösen, darf man schmunzeln, allerdings gibt es Vergleichbares sonst nur mit dem Vergrößerungsglas zu finden. Fast schon überraschend ist es, dass sich die Macher nicht damit auseinandergesetzt haben, filmisch thematische Vorbilder wie Dr. Evil oder Cobra Commander zu adressieren – Gru ist ein Superschurke, allerdings fehlen Helden und das Gesetz, es wird völlig darauf verzichtet, auf offensichtliche Vorlagen wie die Bond Reihe einzugehen.

Eine merkliche Enttäuschung des Films ist die Gegenseite, denn Bösewicht Vector ist ein eher lahmer Vertreter seiner Art. Als komischer Kauz im orangefarbenen Trainingsanzug bekommt er keine eigene Identität und bleibt überflüssig. Der Großteil der Action besteht daraus, dass Gru in Vectors Villa einbrechen will, allerdings sitzt Vector selbst nur faul herum und drückt Tasten – säße er nicht da und wäre es alles automatisiert, würde sogar nichts fehlen. Dazu kommt, dass man ein Faible für den deutschen Ex-Rapper Jan Delay haben sollte, da er Vector seine eindringlich aufdringlich nasale Stimme leiht. Besser fährt da Gru selbst, der im Deutschen von der typischen Comedy-Synchronstimme Ben Stillers gesprochen wird. Die Action der Figuren selbst ist solide, aber auch eher sparsam; echtes Spektakel ala „Drachenzähmen leicht gemacht“ oder „Die Unglaublichen“ bleibt verwehrt, da es wie gesagt nicht hauptsächlich darum geht, den Schurkenaspekt zu thematisieren, sondern die Erweichung des Wüstlings zu zeigen.

Achtung: 3D-Fassungen des Films sollen ein überraschend unscharfes Bild bieten, dafür ist es amüsant, dass der Abspann den 3D-Aspekt selbst Augen zwinkernd veralbert.

Fazit:
„Ich – Einfach unverbesserlich“ ist ein Pflichttitel für die Kleineren und wird Älteren gefallen, allerdings verpasst es fehlender Mumm, größere mögliche Ambitionen zu erreichen. Jetzt wird es interessant, ob der zweite 2010er Film mit Superschurken – „Megamind“ – im Dezember besseres vorweisen kann.

7,5 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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