BG Kritik: „The Thing“ 1951-2011

9. Dezember 2018, Christian Mester

THE THING ist ein neuer Horrorfilm, der Teil eines größeren Franchises ist. Zur besseren Einteilung gibt es nun vor der eigentlichen Kritik des neuen Films Rückblicke zu den drei Vorgängern. Wer direkt die Kritik zum neuen lesen will, der klicke hier.

Das Ding aus einer anderen Welt (The Thing)
1951, Regie: Howard Hawks

Story: Amerikanische Streitkräfte beobachten wie ein UFO in der Antarktis abstürzt und sich tief ins Eis gräbt. Beim Versuch das Wrack freizusprengen, vernichten sie das Raumschiff versehentlich, finden dann jedoch ein letztes Überbleibsel: einen gefrorenen Außerirdischen. Sie nehmen ihn in seinem riesigen Eiswürfel mit und planen, mit näheren Nachforschungen bis zum Eintreffen von Unterstützung zu warten, doch der Gefrierbrand geplagte Pilot taut verfrüht auf…

Kritik: Das originale Thing, eine lose Verfilmung der Geschichte Who goes there? von John Campbell (1938), ist ein typisches s/w Monster Movie im Stil von Der Schrecken vom Amazonas, Kampf der Welten oder Der Wolfsmensch und ähnelt dabei in erster Linie den alten Frankenstein Filmen – nicht nur, weil das Ding Frankensteins Kreatur täuschend ähnlich sieht (s. Bild). Auch in diesem Film geht es darum, dass die Menschheit töricht in finstere Ecken forscht und dabei ein Grauen entfesselt, das die Gemüter spaltet: die Soldaten im Lager wollen es ausschalten, die Wissenschaftler es begierig erforschen. Das Monster selbst ist nur gezwungener Weise böse – die Killerpflanze in Menschenform benötigt Blut, um sich fortzupflanzen. So ergibt sich ein geteilter Interessenskonflikt, der sich bis zum elektrisierenden Finale immer weiter steigert. Obgleich das Design des Monsters krude erscheint und seine Attacken nur darin bestehen, dass er zur Tür reingestakst kommt und ungelenk jemanden greift, geben die Darsteller ihr bestes, angemessen emotional auf seine Bedrohung zu reagieren; zudem ist ihr Miteinander, das Monster aufzuhalten, gar ansteckend, da sie bis auf wenige Ausnahmen ein tolles Team abgeben, das man auch gerne beim Lösen weiterer Probleme verfolgen würde. Dazu kommt der angenehm kurzweilig-naive Charme der 50er Sci-Fi-Horror-Welle, der hier ebenso wirkungsvoll zum Einsatz kommt wie bei den besten der Titeln.

7,5/10

Das Ding aus einer anderen Welt (The Thing)
1982, Regie: John Carpenter

Remake des Films von 1951

Story: Eines morgens sehen amerikanische Forscher in der Antarktis, wie ein Hubschrauber mit norwegischen Kollegen aus einer benachbarten Basis erscheint und wie verrückt auf einen Schlittenhund geschossen wird – die scheinbar verrückten Norweger kommen bei dem Angriff sogar ums Leben. Verdutzt schaut sich Pilot MacReady (Kurt Russell) anschließend deren Lager an, das verlassen, abgebrannt und voller Blutspuren ist, eine groteske Leiche mit zwei Köpfen und einen aufgebrochenen Eisklotz beherbergt. In der Zwischenzeit macht sich das Grauen im heimischen Lager bemerkbar, denn der Hund ist in Wirklichkeit eine außerirdische Lebensform, die ihre Opfer nicht nur verschlingt, sondern sie absorbiert und mit sich selbst ersetzt. Es kommt zum verzweifelten Überlebenskampf, denn nun kann jeder von ihnen ein solches Ding sein…

Kritik: Kurzum – John Carpenters Thing ist einer der besten Horrorfilme aller Zeiten. Er nimmt die Rahmenhandlung des Hawk-Films und ergänzt sie um das, was Hawks damals in seiner Verfilmung nicht aus der Buchvorlage übernehmen konnte: die Fähigkeit des Dings, andere Wesen zu imitieren. In der Isolation der Forschungsstationen ergibt sich ein ungemein packender Kampf gegen die Zeit, der an Ridley Scotts Alien erinnert, bei der Carpenter die gegenseitige Paranoia der Leute auf die Spitze treibt und effektvoll mit dem Zuschauer spielt, der es stets schwer hat, abzusehen, wer das Ding ist. Hinzu kommen revolutionäre Kreatureneffekte von Rob Bottin, der den ungelenken Klotz aus dem ersten Film gegen eine formlose Fleischmasse ersetzt, die dynamisch an jeder Stelle Klauen, Tentakel und Mäuler entwickelt und menschliche Körperteile neu arrangiert. Eine groteske Schauergestalt, die von einem eindringlichen Minimalistik-Score und exzellenter Regie unterstützt wird. Ein Meisterwerk.

10/10

Das Ding aus einer anderen Welt (The Thing)
2002, Produktion: Computer Artworks

Erzählt, was nach Carpenters The Thing passierte.

Story: Nach den Ereignissen des Carpenter Films: Eine Gruppe von Soldaten wird zur US-Basis geschickt, die das Verschwinden eines verschollenen ersten Rettungsteams aufklären soll. Ihr Anführer Blake findet nach und nach heraus, was in der Zwischenzeit passiert ist – und auch, dass ein geheimes Regierungsprojekt mit dem Thing experimentiert…

Kritik: Da die meisten Film-Games in der Regel unzumutbarer Schund sind, war Computer Artworks‘ The Thing 2002 eine wohlige Überraschung. Das Third-Person-Survival-Game wirft den Spieler in eine beklemmende Lage: mit drei Freunden, meist Fremden, geht es durch die finstere Antarktis durch Forschungsstationen. Entfernt man sich zu weit von schützenden Räumen und Wärmequellen, erfriert man, in der dunklen Ferne lauert das albtraumhafte Böse, das regelmäßig in den ungünstigsten Momenten auftaucht und den Tod will. Waffen gibt es nur wenige, und nur der ständig leere Flammenwerfer ist wirklich nützlich. Weil das noch nicht reicht, können sich deine Mitläufer im Kampf infizieren und sich irgendwann als Ding entpuppen, sodass man stets von jeder Seite angegriffen wird, es oft an Verteidigungsmaßnahmen fehlt und man auch nicht einfach davon laufen kann. Zusammen mit stimmigen Sounds und Besuch der Orte des Carpenter Films ergibt sich ein trotz etwas zu vieler Actionmomente fesselndes Spiel, das den meisten Film-Games die Hake zeigt und sich als einer der besten Beiträge seines Art zementiert. Dass es nicht noch besser ist, liegt an einer eher hanebüchenen Story mit geheimen Regierungsexperimenten, die spielerisch allerdings notwendig ist, weil es sonst über die gesamte Spielzeit nur wenige Gegner gäbe. Ein sehenswerter Griff für alle Fans des Carpenter Films und auch jene, die Titel wie The Suffering und Silent Hill mögen.

7,5/10

THE THING (2011)
Regie: Matthis van Heijningen jr.
Cast: Mary Elizabeth Winstead

Erzählt, was vor Carpenters The Thing passierte.

Story:
Vor den Ereignissen des Carpenter Films: Kate Lloyd (Mary Elizabeth Winstead) ist eine begabte Paläontologin, die eines Tages ein mysteriöses Angebot erhält. Ein norwegisches Forschungsteam lädt sie ein, einen im Eis der Antarktis gefundenen Körper zu untersuchen. Neugierig sagt sie zu und macht sich auf den Weg in die unwirtliche Gegend. Angekommen, traut sie ihren Augen nicht: das Wesen entpuppt sich als käferartiger Außerirdischer, der in Nähe eines riesigen Raumschiffes entdeckt wurde…

Kritik:
Die Macher des neuen Thing Films müssen Carpenters Klassiker aus dem Jahre 1982 oft gesehen haben, denn ihr Ableger erstaunt in gleich zweierlei Hinsicht. Zum einen hat man sich mit viel Liebe zum Detail darum gekümmert, die Ereignisse des ersten Films punktgenau aufzugreifen. Im Original wird die Basis der Norweger etwa nur kurz besucht, hier im Film über jene Norweger hat man selbst banale Dinge wie eine in der Wand steckende Axt maßgenau erklärt. Der Film ist damit voller Eastereggs, die allen Fans des Originals gefallen dürften. Zum anderen hat sich der Regisseur sehr darum bemüht, den Look des Vorgängers möglichst zu imitieren. Neben einem gezielt altbacken wirkenden Paramount Logo und gleichen Auf- und Abspanntiteln orientieren sich auch Musik und Kameraarbeit am Carpenter, so sehr, dass man sagen kann, dieser Film agiert selbst wie ein Ding: es ahmt das Vorherige nach, will gleich sein. Doch ist es gleich gut?

Wieso Heijningen jr. den Weg der klaren Imitation eingeschlagen hat, lässt sich anhand der Hintergründe erklären: ursprünglich wollte das Studio ein direktes Remake, doch da Heijningen jr. Carpenters Film verehrt, kämpfte er darum, stattdessen die Vorgeschichte erzählen zu dürfen, die das Meisterwerk fort- statt er-setzt. Ein schwieriges Unterfangen, in der Riege eines der besten Filme aller Zeiten zu spielen.

Wer die anderen Filme nicht kennt, und das muss man nicht, um Spaß am neuen zu haben, wird The Thing grundsätzlich als gelungen Film im tollen Setting sehen, der originelle Monster auffährt, sehr actionreich ausfällt und insgesamt gute, aber nicht weiter denkwürdige Kost ist. Stärken und Schwächen sind recht deutlich, aber auch wenn der Film kein Highlight ist, ist er im horror-armen 2011 schon durch seine Grundpfeiler so interessant, das ihn jeder Horrorfan sehen sollte. Mary Elizabeth Winstead und Co-Star Joel Edgerton geben ein angenehmes Heldenpaar ab und es macht durchaus Spaß mit anzusehen, wie sie darüber rätseln, wer im Eis wohl ein Ding ist – und Winsteads Forscherin wird zwar zu keiner neuen Ripley, fackelt aber nicht lange damit, die Dinger abzufackeln und ist damit endlich einmal eine angenehm ungewöhnliche Frauenrolle, die nicht auf sex sells getrimmt ist oder ständig kreischend gerettet werden muss.

Man muss Heijningen jrs. Thing jedoch leider nicht einmal unter das Mikroskop legen, um zu erkennen, dass seines qualitativ nicht mit Carpenters übereinstimmt. Wer bereitsgesehen.de regelmäßig verfolgt, weiß bereits, dass es hinter den Kulissen des Films angeblich zu Konflikten kam. Regisseur Heijningen jr. engagierte Rob Bottin, den Effektkünstler, der die grotesken Puppen des ersten Teils entwickelt hatte, und drehte fast alle Szenen mit eben solchen. Nicht nur, um Carpenter Hommage zu tragen, sondern auch, weil er der (richtigen) Meinung war, dass nur Animatronic-Gestalten glaubhaft echt wirken. Im Studio war man jedoch anderer Meinung und orderte, dass fast alle Animatronics durch CGI-Effekte ersetzt werden sollten. Die damit geschaffenen neuen Effekte sind nicht verkehrt, doch sie alle wirken zu hell, zu glänzend, wenig glaubhaft echt. Manche Gestalten sehen wie The Rocks Scorpion King aus Die Mumie kehrt zurück aus. Es führt dazu, dass man ein wenig aus dem Geschehen gerissen wird, da es ein glaubhafte Nachstellung verlässt und zur Fantasy-Darstellung wird. Man denkt, da kommt ein Computereffekt um die Ecke, nicht, der eben noch nette Tee schlürfende, bärtige Norweger, dessen Körper nun malträtiert verzogen ist und ein geiferndes Maul auf der Schulter hat.

Es liegt aber nicht nur an den Effekten, dass man sich schwer in Stimmung findet. Die Glaubwürdigkeit betrifft auch die Figuren und ihre Darsteller. Im direkten Vergleich mit dem Original wirkt die Norwegerbasis nicht benutzt, die Figuren nicht, als würden sie dort tatsächlich leben. Alles sieht zu neu, zu ordentlich aus. Draußen scheint niemand jemals zu frieren. Die Figuren wirken nicht, als wären sie bereits lange Zeit Freunde. Zudem verhalten sie sich nicht der Situation entsprechend: als die ersten Kreaturen auftauchen und erstmals Freunde verschwinden, juckt es kaum jemanden. Es wird mit den Schultern gezuckt und weiter gemacht, als sei nichts. Sie verhalten sich besonders dämlich, denn nachdem Kate klar und simpel die Fähigkeiten des Aliens, und die damit verbundene Gefahr erklärt, trennen sich alle in kleine Gruppen auf, bei der sie nicht einmal stärker protestiert! Ideale Bedingungen für das Ding, sie nach und nach zu übernehmen, idealer Moment als Zuschauer, das Gesicht seufzend in den Händen zu vergraben. Leider fällt der Film auch schauspielerisch nur mäßig aus. Winstead und Edgertons Figuren, so ziemlich die einzigen, die aus der Masse gesichtsloser bärtiger Norweger herausstechen (was an den unpersonalisierten Figuren, nicht an der Norwegen-Herkunft dieser liegt), sind nett, aber langweilig, da einsilbigst. Edgertons ganze Charaktertiefe besteht darin, dass er nichtnorwegischer Pilot ist, Winstead, dass ihre nichtnorwegische Forscherin klug ist. Mehr gibt es da nicht. Beide vermasseln es, ihren Figuren Eigenheiten, Bögen oder Lebenszeichen zu übertragen, die sie zu dreidimensional glaubhaften Helden gemacht hätten. Im ersten Teil muss Russells MacReady nur Scotch trinkend Schach spielen, mit den Augen rollen und sich dann in der Eiseskälte mürrisch den Klapphut ins Gesicht ziehen, um mehr Figur auszustrahlen als beide hier über die gesamte Laufzeit.

So sehr Heijningen jr. Carpenter visuell auch nachzuahmen mag, und in Trailern und auf Stills gelingt ihm das perfekt, übersieht er das wichtigste Element für Spannung: Stille. Im ersten Teil gab es unzählige Szenen, in denen nur mal jemand in einem Zimmer sitzt. Jemand alleine da steht und überlegt, oder ein Hund verdächtig durch die Räume trottet. Im neuen Film gibt es keine Ruhe, da explodiert (!) das Ding aus dem Eisblock und springt durch (!) das Dach. Da wird ständig gerannt und schnell geredet und von einem Moment zum nächsten gehastet, bis es in einem überfrachteten Showdown in neuer Location mit Cthulhu-Riesenmonster endet. Insgesamt wirkt es, als wolle Heijningen jr. sein Thing zu einem Sequel wie Aliens machen, in dem eine Ripley weitaus actionreicher gegen das vorher still lauernde Grauen vorgeht. Die Finesse fehlt ihm jedoch an jeder Stelle, sodass der Film eher an den ähnlich schlecht umgesetzten Horror-Thriller Virus: Der Erde steht ein Schock bevor erinnert.

Fazit:
The Thing ist ein mittelmäßiger Horrorfilm, der seine Chancen verspielt. Einem schaurigen Setting und erstklassigen Monster stehen schwache Figuren und unfertige Effekte gegenüber. Wer eine gelungene Fortsetzung zu Carpenters Klassiker sehen will, sollte sich das gleichnamige Videogame ansehen. Das hat, was der neue Film nicht hat aber unbedingt hätte haben müssen: beklemmende Grusel-Atmosphäre. Ein Highlight ist es nicht, sicher aber ein akzeptables Horrorfilmchen, das schon durch seine Grundgegebenheiten für Fans zu den wichtigsten des (schwachen) Jahres gehört.

5,5 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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