BG Kritik: „Burlesque“

13. September 2011, Christian Mester

Ali (Christina Aguilera) will unbedingt als Sängerin arbeiten und ergreift ihre Chance, als im Burlesque-Nachtclub „The Burlesque Lounge“ in Los Angeles ein neues Casting abgehalten wird. Sehr zum Ärgernis der Vorzeigetänzerin Nikki (Kristen Bell) begeistert sie Chefin Tess (Cher).

BURLESQUE (2010)
Regie: Steve Antin
Cast: Christina Aguilera, Cher

Kritik:
Als sich Britney Spears 2002 mit ihrem Debüt- und Finalfilm „Crossroads – Not a Girl“ ins Kino wagte – das war noch zu der Zeit, bevor sie Mutter oder abgewrackt war – bekamen sich die allgemeinen Kritiker gar nicht mehr ein. Man lachte ihren Film schallend aus dem Kino, bezifferte Spears als kataklysmisch schlechte Möchtegern-Darstellerin (nur Kelly Clarkson mit ihrem „Amerika sucht den Superstar“-Film „From Justin to Kelly“ und Mariah Careys „Glitter“ wurden noch tiefer beerdigt) und lud eifrig dazu ein, sich das ganze als Schmierenkomödie anzusehen.

Kollegin Beyoncé hatte mit ihren „Dreamgirls“ Glück (wenn auch nicht wegen sich, nur wegen ihren Co-Stars Jennifer Hudson und Eddie Murphy), also versucht es Kollegin Christina Aguilera nun ebenfalls. Aguilera blickt auf recht schlechte Zeiten zurück: vom Mann getrennt, das letzte Album kein Hit, die letzte Tour abgesagt, keine einzige Grammy Nominierung in diesem Jahr. Es könnte wahrlich besser aussehen, beispielsweise, in dem ihr erster Film „Burlesque“ all die richtigen Töne träfe, Fans begeistern und sie neue gewinnen lassen würde. Schlechte Nachrichten: auch dies ist ihr nicht gelungen, wobei es ein Film geworden ist, wie er der Kleinen mit der großen Stimme eigentlich nicht eng anliegender auf den Leib geschneidert sein könnte.

„Burlesque“ ist ein typischer MTV-Mädchentraum im Stil von „Honey“, „Step Up“ oder „Save the Last Dance“, in der Aguilera eine ungeheuer talentierte junge Frau spielt, die es mit Ehrgeiz, Ehrlichkeit und Enthusiasmus an diversen Hürden vorbei zum großen Erfolg schaffen will… und sich unterwegs, wie sollte es anders sein, natürlich noch verliebt. Nun gab es genau dieses Muster schon x-mal zu sehen, doch „Burlesque“ hat schamlos nichts Individuelles, um sich von den anderen abzusetzen (selbst das scheinbar „gewagte“ Szenario einer Anstellung in einer Burlesque-Bar ist nicht allzu neu – kann das überhaupt ein favorisiertes Jobziel einer Gesangsaspirantin sein? – „Coyote Ugly“ war bereits nah dran, und aufreizender als die Tänze dort oder in Pussycat Dolls Musikvideos wird es hier nie – wobei echter Burlesque in der Regel durchaus noch etwas freizügiger ausfällt, s. Dita van Teese). Die Handlung ist abgedroschen: der Club, um den es hier geht, droht verkauft zu werden, die rivalisierende Tänzerin (schwach: Kristen Bell) sabotiert die Heldin aus Neid und auch die aufflammende Liebesgeschichte mit dem Sixpack-Barmann (nett, aber unterfordert: Cam Gigandet) bietet Komplikationen. Wer gut hinsieht, erkennt noch Nightcrawler aus „X-Men 2“ als Cabaret-Clown.

Mit Cher und Stanley Tucci hat man Aguilera zwei alte Leinwandasse zur Unterstützung dazu geholt, die die bekannten Genre-Motive gnädig, aber gähnend durchlaufen und sich anmerken lassen, dass sie mehr oder weniger nur dabei sind, um der hübschen Novizin einen Gefallen zu tun. Insbesondere Cher, die aufgrund zahlloser Schönheitseingriffe nicht mehr nach ihren realen 64 Jahren aussieht und ungeniert versucht, sich unter ihre bloß ein Drittel so alten Tänzerinnen zu mischen, erweckt den Anschein, als überreiche sie ihrer Kollegin symbolisch die Staffel (die Situation natürlich nutzend, selbst noch einmal zu zeigen, dass sie durchaus singen kann) als erfolgreiche Sängerin im Filmbiz zu bestehen. Was Aguilera selbst betrifft, so ist sie in den oberflächlichen Dramenaspekten weder merklich schlecht, noch spürbar gut. Dafür verlangt ihre Rolle, so wie jede andere des Films, zu wenig. Dass sie gerne singen will und sich auf der Bühne pudelwohl fühlt, überrascht nicht. Das ist ihr Lebensinhalt, weswegen ihr dies spielend leicht liegt und nicht unter Schauspielerei fällt. Man verlangt ihr nichts ab – so gibt es keine wirklich fuchtige Auseinandersetzung mit der Konkurrentin (kein „Showgirls“) und keine emotionalen Zusammenbrüche oder Abstürze. Alis Aufstieg ist ein Zuckerschlecken ohne Karies.

Zentrum des Films sind nun ihre Performances, die vom Stil und der Bühnenoptik her als Mischung aus ihrer Stripped- und Back to Basics-Ära zu verstehen sind, sprich: klassisch edel, gemischt mit verruchter Sexyness und leichtem Bordsteinschwalbencharme. Mit der Ästhetik des echten Burlesques hat das schon früh nicht mehr viel zu tun, doch spätestens gegen Mitte des Films, wenn sie zum ersten Mal zum Mikrofon greift und inbrünstig los schmettert, darf man gebannt und umgeworfen sein, erneut ungläubig, dass sie orkanartig jeden Musiklehrer erblassen lässt. Stimmlich sind all ihre Auftritte erstklassig, doch die für solch einen kleinen Club sehr theatralischen, fast schon Moulin Rouge! artig inszenierten Spektakel-Auftritte greifen bis auf Kleinigkeiten oftmals, fast sogar immer daneben. Wie beim Konkurrenz-Musical „Nine“ aus dem letzten Jahr sind die vielen Nummern gesanglich zwar exzellent, musikalisch jedoch vollkommen austauschbar, ohne denkwürdige Melodien – und damit uninteressant. Das bricht dem Film sein Genick, da er sich schon durch seine Komposition und Besetzung ausschließlich an alle diejenigen richtet, die Chers und Aguileras Musik prinzipiell mögen. In dieser Hinsicht ist die Auftrittssammlung der beiden Diven eine nur schwache Zusammenstellung. Da der Restfilm nichts bietet und 0815 herunter gekurbelt ist, ist das Ergebnis zwiespältig. Für Fans ist es ein moderater Film, für den sich zwar nicht die Lieder, aber die Auftritte und Stimmen lohnen; Nicht-sympathisanten haben zumindest nichts zu Lachen, da der Film aufgrund fehlender Qualitäten nichts für sie ist, aufgrund fehlender Riesenmängel aber auch nichts zum Hetzen bietet.

Fazit:
Bei „Burlesque“ fällt es schwer, den Film für seine oberflächlichen Dramenmängel zu zerpflücken, da es offensichtlich niemanden vor oder hinter der Kamera, oder vor der Leinwand darum geht. Hat man überhaupt ein Faible für die beiden Hauptdarstellerinnen, muss man jedoch dennoch seine Erwartungen zügeln, da der Film gut eingesungen, jedoch langweilig komponiert ist.

3 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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