BG Kritik: „Love and Monsters“
Endzeit-Unterhaltung, ganz frisch bei Netflix gelandet. Die Welt ist mal wieder untergegangen und wird von Monstern beherrscht. Joel (Dylan O’Brien) schiebt im Bunker Frust und macht sich irgendwann auf, seine Freundin aus der Vorzeit zu suchen, die er beim Ausbruch der Katastrophe aus den Augen verloren hat. Also gibt sich der nicht gerade für seine Heldentaten bekannte Joel an die Oberfläche und macht sich auf den Weg.
Love and Monsters
(USA, Australien 2020)
Regie: Michael Matthews
Darsteller: Dylan O’Brien, Jessica Henwick, Michael Rooker, Ariana Greenblatt, u.a.
Veröffentlichung Deutschland: 14. April 2021 (Netflix)
Endzeit. Die Welt ist im Eimer. Mal wieder. Das kommt uns aktuell aus mehr als einem Grund bekannt vor. Netflix‘ Endzeitspaß „Love and Monsters“ versucht gar nicht erst so zu tun, als würde das Genre-Rad hier neu erfunden. Ein Asteroid näherte sich der Erde, die hochgezüchtete Raketensprengkraft der Menschheit vernichtete den Felsbrocken, regnete jedoch folgenschwer auf den Planeten zurück und sorgte für exorbitante Mutationen in der Tier- bzw. der Insektenwelt. Ergebnis: die Welt ist im Eimer. Klar soweit? Auf den ersten Blick wirkt der Film wie die humorvollere YA-Version von „Monster Hunter“, „A Quiet Place“ und vielleicht „Zombieland“, doch der nächste Verwandte ist womöglich der obskure Sci-Fi-Endzeit Kultfilm „A Boy and his Dog“. Eine Verwandtschaft, die „Love and Monsters“ nur zu gerne offenbart, trifft Protagonist Joel doch auf einen Hund namens Boy.
„Love and Monsters“, nach einem Script von „Underwater“ Autor Brian Duffield, ignoriert die Teen-Geilheit und den Zynismus des Vorbilds, will vielmehr ein unterhaltsames Abenteuer mit romantischem Subplot sein. Sieben Jahre ist die große Katastrophe her. 95% der Weltbevölkerung sind ausgelöscht, die wenigen Überlebenden in diversen kleineren Bunker- und Koloniesystemen versteckt. Sieben Jahre ist es her, dass Joel (Dylan O’Brien) von seiner damaligen Freundin Aimee (Jessica Henwick) durch das große Chaos getrennt wurde. In seinem kleinen Bunker, mit der kaum zehnköpfigen (inklusive Kuh) Ersatzfamilie, ist Joel der einzige Single. Mindestens ebenso schlimm: Joel fühlt sich nutzlos. Klar, er macht eine – den Umständen entsprechend – erstklassige Minestrone und kann mit dem Funkapparat umgehen, doch bei der Suche nach Proviant und der Verteidigung gegen Monster darf er keine Rolle spielen, ist eher Hindernis statt Hilfe. Also trifft Schluffi Joel die vollkommen logische und überhaupt nicht verzweifelte Entscheidung, den Bunker zu verlassen und alleine durch die Außenwelt zu ziehen, um die rund 150 Kilometer entfernt liegende Kolonie von Aimee zu finden. Ein Himmelfahrtskommando, eigentlich.
In einer Welt, die fraglos auch von „The Last of Us“ inspiriert wurde, lauert die Gefahr hinter jeder Ecke. Und manchmal ist besagte Ecke die Gefahr, nämlich nur der Außenpanzer eines mutierten Insekts in Größe eines Familienhauses. Die Monster sind abwechslungsreich und originell, treffen einen gelungenen Schnittpunkt zwischen bizarr und nachvollziehbar. Noch dazu unterliegt der Herkunft der Kreaturen eine gewisse Ironie und auch ein Witz, den sich das Script nicht entgehen lässt. Mit einem Budget von angeblich nur rund $30 Millionen ist „Love and Monsters“ weit entfernt vom Gigantismus eines „Monster Hunter“, fährt damit aber ausgesprochen gut. (Die VFX wurden jüngst überraschend, aber nicht unverdient für einen Oscar nominiert.) Die Monster- und Effektszenen sind bewusst eingesetzt, sind kein zur Schau gestellter Selbstzweck, sondern sorgen für dynamische Spannungssequenzen oder treiben Handlung und Figurenentwicklung vorwärts. Denn bei aller Monsterunterhaltung vergisst der Film nie, dass er tatsächlich etwas zu erzählen hat.
Auf seiner Reise trifft Joel auf ein sympathisches Duo, auf den „bestesten“ Vierbeiner und auf einen ungewöhnlichen Überraschungsgast, der zu einer so seltsamen wie berührenden Szene führt. Ein Moment, der den verblüffenden Ton dieses Films irgendwie perfekt zusammenfasst. Eine wilde Kombination aus emotionaler Ernsthaftigkeit, absurdem Humor, bizarren Geschöpfen und verortet inmitten der globalen Katastrophe. Sicher, auch in seiner Figurenzeichnung und in den thematischen Ideen rund um Liebe, Familie und Selbstvertrauen erfindet „Love and Monsters“ das Rad nicht neu. Doch im Zeitalter überlebensgroßer (und erschreckend oft erschreckend leerer) Spektakelfilme ist die Bescheidenheit dieses Films Trumpf. „Love and Monsters“ weiß, wie weit es sich strecken kann und will, um zu funktionieren. Das Ergebnis ist unterhaltsam, witzig und in den richtigen Momenten erstaunlich bewegend. Da möchte man der vagen Einladung einer möglichen Fortsetzung innerhalb dieser Welt am liebsten gleich morgen folgen.
Fazit:
Nicht originell, aber im gewählten kleineren Rahmen eine blendend unterhaltsame Mischung aus Endzeit-Monsterabenteuer, YA-Romanze und apokalyptischem Roadmovie mit Witz. Sehenswert.
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