BG Kritik: „Das Grauen – The Changeling“

1. August 2019, Christian Westhus

Handlung: Nach dem Unfalltod seiner Frau und Tochter zieht Komponist und Musikdozent John Russell in ein altes, abgelegenes Anwesen um. Er versucht den Kopf frei zu kriegen und neu anzufangen, doch bald häufen sich merkwürdige Vorfälle im Haus. Er glaubt, eine Präsenz wohne im Haus.

Das Grauen
(Originaltitel: The Changeling | Kanada 1980)
Regie: Peter Medak
Darsteller: George C. Scott, Trish van Devere, Melvyn Douglas
Veröffentlichung Deutschland: 18. Juni 2002 (DVD)

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday, ursprünglich veröffentlicht im Oktober 2015.)

Mitbewohner für Geisterhaus gesucht. – In einer Zeit, als der Horror-Hauptstrom von Zombies auf maskierte Killer wechselte, brachte ausgerechnet Kanada, abseits von David Cronenberg nicht gerade für Genreproduktionen bekannt, einen kleinen, feinen und irgendwie anachronistischen Haunted House Gruselfilm heraus. Fast folgerichtig und doch unverdient fristet „Das Grauen – The Changeling“ ein Schattendasein; irgendwie bekannt und doch kaum gesehen oder wertgeschätzt. Daran konnte auch der große George C. Scott („Patton“, „Dr. Seltsam“) scheinbar nichts ändert.

Scott spielt John Russell, einen Komponisten und Uni-Musikdozenten im leicht fortgeschrittenen Alter, der in der verschneiten Einstiegssequenz den fast schon prophetisch unaufhaltsamen Tod seiner Frau und seiner Tochter mitansehen muss. Ein neues Haus soll den Kopf frei kriegen, doch weil wir uns ja in einem Horrorfilm befinden, kauft Russell ein Haus, welches kein normaler Mensch, noch dazu ein trauernder, kaufen würde. Anders als in Geisterhaushorrorfilmen der vorausgegangenen Dekaden, als die Kamera durch endlose Flure und über bizarre Dekorationen schwebte, spielt das große, nicht mehr ganz taufrische Haus dieses Films als quasi-lebendiger Raum eine untergeordnete Rolle. Jemand oder etwas macht sich bemerkbar, zumeist akustisch, und das vergangene Verlusttrauma lässt lange Zeit Zweifel zu, wie viele der Vorkommnisse real sind oder ob sie nicht eher Russells unruhiger Psyche anzulasten sind.

© Kinowelt /Studiocanal

Regisseur Peter Medak beweist großes Geschick darin aus wenig viel zu machen. Mit intensivem, gelegentlich dominanten Tondesign verleiht Medak den wenig besonders und doch effektiv eingefangenen Bildern eine verstärkte Wirkung. Eine kurze Sequenz zeigt die Reise eines Spielballs, dessen emotionale Bedeutung für Russell uns schon seit einem frühen Flashback bewusst ist. Die erneute Präsentation dieses Spielzeugs ist ein effektiverer Schauer als so manche Horrorfratze, die das Genre regelmäßig hervorquält. Nicht zuletzt auch die Präsenz von George C. Scott verleiht der ersten Hälfte eine überraschende Intensität, die Horror und persönliches Drama gelungen kombiniert.

Dieses Vorgehen ist dann vielleicht auch der kleine Haken an der Geschichte, denn „The Changeling“ mutet sich auch bei der Auflösung etwas mehr zu, als die sonst obligatorische zwei-Minuten-Enttarnung irgendwelcher finsteren Vorgänge der Vergangenheit. Als diese Vorgänge nach einer der schaurigsten Séance-Szenen der Filmgeschichte konkreter in den Vordergrund treten ist noch mehr als eine halbe Stunde zu absolvieren. Die Verortung der Vorkommnisse gibt diesen Dimension und Charakter, nimmt dem Film allerdings auch ein wenig an Atmosphäre und Spannung, die erst am Ende wieder aufflammen.

Fazit:
Gut inszenierter und lange Zeit enorm spannender Geisterhausfilm, der auch als Charakterdrama seine Vorzüge hat. Gegen Ende ein wenig zerfahren, aber mit einigen unvergesslichen Momenten.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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