BG Kritik: „Borat“

12. September 2010, Christian Mester

Borat Sagdijev ist Fernsehreporter, stolzer Kasache und überglücklich: Voller Elan fliegt er mit zwei Kollegen in die Vereinigten Staaten, um dort eine Dokumentation über das Zusammentreffen der Kulturen zu drehen. Unterwegs verliebt er sich auch noch in Ex-Baywatch Star Pamela Anderson, und lässt nichts unversucht, sie endlich persönlich kennenzulernen. Was niemand weiß: Borat ist in Wirklichkeit ein britischer Comedian.

Borat: Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan (2006)
Regie: Larry Charles
Darsteller: Sacha Baron Cohen, Pamela Anderson

Kritik:
Borat ist eine von drei Fernsehrollen, mit denen Comedian Sacha Cohen zuhause in England berühmt wurde. Ähnlich wie Bully mit seinem Schuh des Manitu, schickt er seine Figur nun auch auf die große Leinwand, bei der sogar eine waschechte (aber dünn) gestrickte Abenteuerstory nicht fehlen darf.

Cohen’s ersten Kinofilm „Ali G Indahouse“ könnte man dabei noch gut mit Bully’s Manitu vergleichen. Viel Slapstick, Sketche und ein typisch lustiges Auftreten sorgten für den ein oder anderen Lacher, die aber allesamt eindimensional blieben. Niemand ging nachdenklich aus dem Film, ein jeder lachte über die Gags und beließ es dabei. Bei „Borat“ wird das für viele anders ausfallen, denn auch wenn der Film ein paar lustige Szenen bietet, ist er keine verrückte Komödie wie etwa Austin Powers, oder Happy Gilmore.

Um das zu erklären, gehen wir doch einmal näher auf die Figur Borat ein. Borat ist ein netter Mann, der aus einer scheinbar sehr primitiven Welt kommt und grundsätzlich fast jeden mag. Er hat jedoch gewisse Ansichten, die bei seinem Gegenüber für Skandale sorgen. Zum Beispiel läuft er mit dem Verständnis herum, dass Frauen weniger wert seien, oder dass Inszest vollkommen legitim ist. Er kennt keine Toiletten, hat kein Schamgefühl und versteckt seine Meinung auch nicht.

Der beste (und größte) Teil des Films besteht nun aus Szenen, in denen die Leute auf Borat reagieren. Und wie sie reagieren. Leute drohen ihm mit Gewalt, als er sie zur Begrüßung auf die Wange küssen will. Ein Autoverkäufer erklärt ihm, wie er mit seinem Wagen am besten Kinder überfahren kann. Bei einem Rodeo-Wettbewerb begeistert er das Publikum für Kindermord im Irak. Ein Cowboy stimmt dafür, dass man Homosexuelle aufknüpfen sollte. Bei einem Dinner mit wohlhabenden schmeißen sie ihn raus, nachdem er als Gast eine Prostituierte einlädt. Ein paar Studenten freuen sich darüber, dass Stars wie Pamela Anderson keine Privatssphäre mehr haben.

Bei seiner gesamten Tour sieht man Cohen einige Male an, dass selbst er überrascht ist, als einige Befragte erschreckende Antworten geben. Als gefälschter Trottel unterwegs, erscheinen so seine eigentlich normalen Alltagsleute als die wahren Trottel. Diese Szenen sorgen im nachinein für Nachdenklichkeit, denn sie stellen durch ihre realen Umstände einen guten Spiegel der Gesellschaft dar.

Der Film ist jedoch nicht speziell anti-amerikanisch, was man auf den ersten Blick denken könnte, sondern kritisiert eher allgemein Vorurteile unserer Gesellscahft. Wenn Borat stolz über Armut und Inszest im nahen Osten erzählt, dann tut er das nicht, um sich über sie lustig zu machen. Er macht darauf aufmerksam und kritisiert, dass es den meisten völlig egal ist. Es gibt eine kurze Stelle im Film, die allerdings vollkommen heraus sticht und sehr stark an Jackass erinnern wird. Borat kommt aus dem Bad, und fängt an sich mit seinem Assistenten zu prügeln – und zwar nackt. Nach einer absolut bizarren Wrestlingszene im Hotelzimmer jagen die beiden schließlich durch das Hotel, bis sie mitten in eine wichtige Besprechung platzen. Wenn man über kruden Humor lachen kann, wird man die Stelle lieben, andere werden sie jedoch für arg geschmacklos halten.

Über den Rest gibt es nicht viel zu berichten. Ganz dem Thema angepasst, sieht der Film aus wie eine billige Dokumentation und hat seine Schwächen, wenn gerade nichts passiert. Wenn Borat seiner Liebe hinterher trauert oder in der Laufzeit von weniger als 90 Minuten öfters verträumt durch die Landschaft schaut, bleibt die wage Vermutung, dass etwas mehr lustiges Material nicht geschadet hätte..

Fazit:
Als Komödie ist Borat ein mittelmäßiger Film mit nur wenigen wirklich lustigen Stellen; der nachdenkliche Part jedoch verleiht der Pseudodokumentation ungeahnte Tiefe, sofern man sich damit befassen will.

7 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung