BG Kritik: „Die Teuflischen“ („Les Diaboliques“, 1955)
Ein Thriller, der oft als französischer Hitchcock beschrieben wird: Die Frau und die Geliebte eines hassenswerten Schuldirektors tun sich zusammen, um diesen zu ermorden. Doch nach der Tat ereignen sich einige unerklärliche Dinge.
Die Teuflischen (auch: Die Diabolischen)
(Originaltitel: Les diaboliques | Frankreich 1955)
Regie: Henri-Georges Clouzot
Darsteller: Véra Clouzot, Simone Signoret, Paul Meurisse
Kinostart Deutschland:
(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday, ursprünglich veröffentlicht im Juni 2014.)
Zugegeben, Henri-Georges Clouzots Film ist fraglos ein Klassiker. Aber wenn Filmfans schon mal bereit sind, Filme von vor 1970 anzupacken, fällt schnell vieles durchs Rost, an dem kein so großer Name wie Hitchcock steht. Dabei ist Hitchcock im Entstehungsprozess von „Die Teuflischen“ verankert, denn angeblich erkundigte sich der spätere „Psycho“ Regisseur nach den Rechten des zugrunde liegenden Romans, nur um zu erfahren, dass ihm Clouzot nur um ein paar Stunden zuvorgekommen war.
Wie auch „Psycho“ enthält „Die Teuflischen“ eine Warnung, eine Bitte, den Filminhalt nicht zu verraten und anderen Zuschauern den Spaß am Film nicht zu verderben. Diese Warnung mag streng genommen bei vielen Filmen angebracht sein, doch „Die Teuflischen“ zieht einen nicht unerheblich Reiz aus dem Unbekannten und Ungewissen. Eine Leiche verschwindet, Hinweise aus der Vergangenheit tauchen auf, ein Kind will etwas gesehen haben, und doch kann es keinen Zweifel geben, dass der Mord der beiden Frauen am fiesen Schuldirektor geglückt ist. Direktor Michel (Paul Meurisse) ist ein wahrlich unsympathischer Zeitgenosse. Nicht nur schikaniert er Schüler wie Mitarbeiter mit Bestrafungen und vermeintlich willkürlichen Zusatzarbeiten, er beginnt auch noch in aller Öffentlichkeit, vor den Augen seiner kränklichen Frau Christina (Véra Clouzot) eine Affäre mit der Lehrerkollegin Nicole (Simone Signoret). Christina wird von Michel verspottet, als zerfallende „Ruine“ bezeichnet, Nicole trägt hingegen die Beweise für Michels Wut im Gesicht.
An einem langen Wochenende, an dem die Schule größtenteils leer ist und die Frauen ein gesichertes Alibi in Nicoles Heimatstadt haben, soll es passieren. Es ist clever und anschaulich, mit welchen Mitteln sich Michel herlocken lässt, worum es ihm geht, wenn er Christina beruhigen will. Die Durchführung des Plans könnte von Meister Hitchcock nicht besser inszeniert werden, mit einem humorvollen Blick auf nicht unwichtige Nebenfiguren, mit audiovisuellen Hinweisen, was wann wie und wo passiert. Wie der Duschabfluss bei „Psycho“ ist auch das Geräusch der sich leerenden Badewanne eng mit einer Gewalttat verbunden.
Alles was danach kommt, in der zweiten Hälfte des Films, sollte vor Filmgenuss unbekannt bleiben. Der Film pendelt weiterhin gekonnt zwischen Psychodrama und Thriller, lässt die Nervosität und Anspannung der Frauen ansteigen, insbesondere bei Ehefrau Christina, die ohnehin gesundheitlich angeschlagen ist und umso anfälliger ist, wenn eine wunderbar unterhaltsame und charakterlich interessante Schnüfflerfigur mit Fragen nachbohrt. Clouzots überlegte, präzise Inszenierung vermeidet stilistische Spielereien und fokussiert sich gänzlich auf die toll gespielten Figuren und auf das Mysterium, das mit immer neuen Hinweisen und Unstimmigkeiten zunehmend undurchschaubar wird. Dabei lässt Clouzot sich Zeit, hat es nicht besonders eilig und wirft weiterhin Blicke auf die Lehrerkollegen, auf die Schüler, sowie die Angst und Verwirrung der Frauen. Erst beim visuell beeindruckenden und extrem spannenden Finale schwelgt die Inszenierung in langen Schatten, knarrenden Türen und direkteren Horrorelementen. Bis zur überraschenden Auflösung…
Fazit:
Spannendes und gekonnt inszeniertes Thrillerdrama mit faszinierenden Figuren und verblüffendem Schluss. Ein Klassiker des europäischen Genrekinos.
Zur Registrierung