BG Kritik: „Hunde die bellen, beißen nicht“

18. August 2020, Christian Westhus

Das Frühwerk von Regisseur Bong Joon-ho: Genervt von denn Launen seiner schwangeren Frau und seiner beruflichen Situation lässt ein College Dozent seinen Frust an einem Hund aus, der im Wohnkomplex pausenlos Lärm macht. Das zieht ungeahnte Folgen nach sich, in die auch die junge und ähnlich glücklose Aushilfsbuchhalterin Hyeon-nam verwickelt wird.

Hunde, die bellen, beißen nicht (international: Barking Dogs never bite)
(Originaltitel: Flandersui gae (플란다스의 개 ) | Südkorea 2000)
Regie: Bong Joon-ho
Darsteller: Bae Doo-na, Lee Sung-jae
Veröffentlichung Deutschland: Mai 2011 (DVD)

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday, ursprünglich veröffentlicht im November 2014.)

Das Langfilmdebüt des späteren „The Host“ und „Snowpiercer“ Regisseurs Bong Joon-ho ist eine schwarze Komödie, die Witz, Drama und Sozialkritik auf so ungewöhnliche Art vermischt, wie es eigentlich nur die Regisseure des neuen südkoreanischen Kinos können.

Als Filmland hatte Südkorea die vielleicht außergewöhnlichsten und faszinierendsten Filmjahre des bisherigen Jahrhunderts. Was Ende der 1990er langsam begann, wurde im neuen Jahrtausend zu einer facettenreichen Welle an qualitativ hochwertiger, kreativer und international gefragter Genreware, die eine gute Hand voll Regisseure ablieferten. Neben Park Chan-wook („Oldboy“) und Kim Jee-woon („I saw the Devil“) gehört Bong Joon-ho zu der neuen Riege hochbegabter Genreregisseure. Inzwischen hat auch er als Filmemacher die Grenzen Südkoreas überschritten, doch wie immer, bei solchen Geschichten von Erfolg aus ungeahnten Regionen, lohnt sich ein Blick auf die Anfänge, darauf, wie alles begann.

Nach einigen Kurzfilmen legte Bong Joon-ho mit „Hunde, die bellen, beißen nicht“ seinen ersten Spielfilm vor und im Rückblick ist schon ganz gut zu erkennen, wie Bong seine Figuren und Stoffe behandelt. Bongs Figuren sind selten wirkliche Genies. Das ist noch nett ausgedrückt. Mit der Gutherzigkeit hält sich das ebenfalls häufig in Grenzen, auch wenn wir es selten mit Psychopathen zu tun haben. Es sind Figuren, die an sich, ihren Gegenspielern und den Tücken der Gesellschaft scheitern. Und genau darin liegt die Faszination von Bongs Filmen, die ihre Helden selten wirklich anprangern, sondern als mal mehr, mal weniger große Zahnräder eines größeren Gebildes zeigen, in dem sich jedes Rad gegenseitig beeinflusst.

© CJ Entertainment

Wir folgen zunächst dem jungen Dozenten Yun-ju, der in dem weitläufigen Wohnkomplex irgendwo im x-ten Stockwerk mit seiner hochschwangeren und extrem launischen Frau zusammenlebt, die zudem noch regelmäßig Diskussionen gewinnt, da sie mehr Geld nach Hause bringt als er. Also muss er ihre Launen ertragen, z.B. für sie Walnüsse knacken bis spät in die Nacht hinein. Yun-ju zögert, sich mit dem Chef zu treffen, um per quasi-offizieller Bestechung befördert zu werden. Also müssen andere seinen Frust ausbaden, wie z.B. der dauerkläffende Hund im Wohnblock. Es bleibt nicht bei einem Hund, denn in einer so großen Wohnanlage gibt es eine Vielzahl vierbeiniger Kandidaten.

Über den Auslöser der Vergeltung an einem unschuldigen Tier lernen wir die weiteren Personen in Bong Joon-hos mal ruhiger, dann wieder enorm flott und durchweg gewitzt erzählter schwarzer Komödie kennen. Ein kleines Mädchen droht mit Selbstmord, sollte ihr Hündchen nicht bald gefunden werden, eine alte Frau trocknet Rettich auf dem Dach und ein älterer Herr möchte sich im Keller nur ungestört eine Suppe mit ganz besonderen Zutaten kochen, obwohl im Keller möglicherweise ein Geist haust. Aber es ist die junge Hyeon-nam (Bae Doo-na aus „Cloud Atlas“), die besonders hervortritt und sich als zweite Hauptfigur neben Dozent Yun-ju etabliert. Mit ihrer Freundin hängt sie häufig faul im Kiosk ab, arbeitet als Aushilfe in der Buchhaltung und träumt davon, mal etwas zu leisten, was sie berühmt macht und ins Fernsehen bringt. Es ist Bong Joon-hos kreative und verspielte Klasse, all diese Ansätze zu einem niemals langweiligen und teilweise wirklich herrlich komischen Kuriosum zu machen, das nicht nur nebenbei ein paar kluge Beobachtungen anstellt, darüber was Menschen motiviert und wie eine Gesellschaft eine ganz eigenwillige und nicht immer korrekte Art der Selbstregulierung besitzt.

Fazit:
Clevere, leichtfüßige und enorm unterhaltsame schwarze Komödie mit einigen sozialen Anliegen. Rückblickend ein erster Vorgeschmack, warum Bong Joon-ho zurzeit zu den faszinierendsten Regisseuren des Weltkinos gehört.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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