BG Kritik: „Child’s Play“ (Chucky Remake)

18. Juli 2019, Michael Essmann

Außenseiter und Einzelgänger Andy (Gabriel Bateman) bekommt zum 13. Geburtstag ein ganz besonderes Geschenk von seiner Mutter (Aubrey Plaza), und zwar eine Buddi Puppe. Tja, leider stellt sich der Kumpel alsbald nicht nur als hochmodern, sondern auch als höchst mörderisch heraus.

Das Remake von „Chucky – Die Mörderpuppe,“ diesmal auch in Deutschland unter dem Original-Titel.

Ich möchte ein Spiel spielen.

© Metro-Goldwyn-Mayer

Child’s Play (US, 2019)
Regie: Lars Klevberg
Darsteller: Aubrey Plaza, Gabriel Bateman, Brian Tyree Henry, David Lewis und Mark Hamill als Stimme von Chucky

Kinostart: 18. Juli 2019

Kritik:
Seit 1988 nicht dauerhaft tot zu kriegen, diverse Male wiedergekehrt und dabei auch tonal vom ernsthaften Horror zum bösen Sprücheklopfer und vom Kino zum direkten Release im Heimkino gewandelt. Die Rede ist natürlich von Horror-Ikone Chucky, der Mörderpuppe. Bisher immer gesprochen von Brad Dourif. Ohne das Dazutun und gar ohne dessen Gutheißung oder den guten Willen von Chucky Schöpfer Don Mancini und ohne Brad Dourif als Chucky hat sich Teil 1 Rechteinhaber MGM daran gemacht, den alten Chuckster mal gehörig aufzumöbeln. Natürlich unabhängig von der klassischen Reihe die immer noch nicht beendet ist, und zukünftig noch mit einer Serie fortgeführt werden soll, und rechtlich zu Universal gehört. Filmrechte halt. In generalüberholter Optik daherkommend und nun beseelt und gesprochen von Mark Hamill (ja, der legendäre Luke Skywalker Darsteller und jahrelange Sprecher des animated Jokers), ist hier aber einiges anders als bisher. Nicht nur das Design der Puppe.

So basiert diese neue Version von Chucky, der Mörderpuppe bzw. natürlich „Child’s Play“ eigentlich gar auf der ursprünglichen Version der Geschichte von Mancini, als noch kein Voodoo, ah, due, Dambala und Co. dazu gehörte. Kein Serienkiller und keine Seele die in den Körper eines Spielzeugs schlüpft. Denn dieser neue Chucky hat keinen Übernatürlichen Ursprung. Stattdessen eher Erinnerungen an Joe Dantes „Small Soldiers“ wachrufend, ist die Puppe diesmal ein High-Tech Spielzeug mit künstlicher Intelligenz, und als dieses mit nahezu allem im Haushalt vernetzt, alles mithörend und aufzeichnend – „Alexa“ lässt an dieser Stelle schön grüßen. Und das ist nicht der einzige Punkt, an dem der Film ein wenig Kritik an der aktuellen digitalen Vernetzung, Überwachung und schlichten Allgegenwertigkeit wie Salz in eine frisch mit einem 30 Zentimeter langen Fleischermesser zugefügte Wunde einstreut. Wodurch ein an vielen Punkten gänzlich anderer Film, und auch Chucky daraus wird. Zum Messer greift er aber trotzdem weiter gerne – sonst gäbe es ja keine frische Wunde – und speziell je weiter der mit 90 Minuten perfekt kurzweilig ausgefallene Film fortschreitet.

Zeit zu spielen…

© Metro-Goldwyn-Mayer

Kurz vor Markeinführung von Generation 2 des Buddis (der neue Name des Good Guys) und sich eigentlich auch bereits dem Spielen mit Puppen entwachsen führend, entflammt Andy nach anfänglichem Zögern, schlussendlich doch für das auf dem Papier etwas veraltetet Geburtstagsgeschenk. Als er merkt, dass sein Freund aus Plastik und Platine, nicht ist wie andere seiner Art. Ganz offensichtlich stimmt irgendetwas nicht mit ihm, denn er kann u.a. fluchen, und benimmt sich auch ansonsten ab und an mehr als sonderbar. Nächtliches Singen gehört hier noch zu den kleineren Merkwürdigkeiten. Vom internationalen Technologie-Konzern Kaslan unter miesen und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen zusammengebaut und programmiert in Vietnam, hat die Puppe ganz offensichtlich eine Platine locker, ne kalte Lötstelle, nen Bug in der Software und sieht dann ab und an rot. Wortwörtlich.

Error, aber sowas von.

© Metro-Goldwyn-Mayer

Und dieser Chucky 2.0 ist dabei angenehm anders, als man es wohl vermuten durfte. War die Sache um Frauenmörder Charles Lee Ray damals in 1988 eine ganz klare, sieht das hier angenehm verändert aus. Kein klar und von Filmbeginn an böser Geist oder verdrehter Verstand eines Serienkillers ist es, der Chucky ausmacht und definiert. Stattdessen eine Verkettung von Ereignissen und Umständen, teilweise gänzlich außerhalb seiner Kontrolle oder Möglichkeit der Einflussname. Er wird sozusagen zum Produkt seiner Umwelt, und so für den aufmerksamen Zuschauer begreifbarer. Ok, man hat schon immer irgendwie mit Chucky mitgefiebert. Nun geht dies aber weiter, und ab und an in eine Richtung von Empathie und Mitgefühl. Ohne ihn oder seine Taten dabei aber auch nur im Ansatz zu verteidigen. Lediglich und nur zu verstehen, darum ging es offenbar. Dieser Chucky war niemals ein Mensch, hat einen soeben erst erwachten, noch kindlich und naiven Blick auf die Welt, und nimmt so vieles einfach zu wörtlich, kann Zusammenhänge und Dinge noch nicht völlig einordnen, ja, entwickelt sich eben erst und auch durch die äußeren Umstände zum Mörder. Anstatt in der Handlung von jeher einer zu sein. Wodurch sich dem Film eine gute Möglichkeit bietet, sich von der Original-Reihe abzugrenzen. Was ihm auch recht gut gelingt. Chucky möchte ganz seiner Programmierung folgend, Andys bester Freund sein. Aber durch seine Andersartigkeit kennt er eben kein Halten, keine Grenzen und keine Hemmungen. Situationsbedingte, bösartige Komik ist die Folge. Und das gut und oft. Und wenn Eifersucht durch die Schaltkreise pulsiert, kann alles passieren. Zumal Empathie und Gewissen offenbar ebenfalls ausgeschaltet wurden oder gar nie zu den Subroutinen der Software gehörten. Dass das funktioniert, ist zu einem guten Stück Mark Hamill zuzusprechen, denn Hamill rockt einfach und schafft es diesen anderen Ansatz auch von sensibel bis durchgeknallt zu liefern. Durchaus anders als Dourif, aber gelungen. Da im O-Ton gesehen, kann zur deutschen Version natürlich keine Angabe gemacht werden. Aber auch der Rest vom Cast macht einen überwiegend guten Eindruck, auch wenn beispielsweise wie leicht unterfordert wirkend, Aubrey Plaza als Andys Mutter. Sie ist alleinerziehend, kommt finanziell kaum über die Runden, hat einen miesen Freund… kennt man alles. Bekannt, aber funktioniert im Genre. Ebenso Gabriel Bateman als neuer und nun deutlich älterer Andy, dessen sensibles Spiel gut zu dem klassischen Außenseiter Jungen passt und in dessen Augen man besonders viel abzulesen glaubt. Innige Freude bis grausamer Schrecken. Auch hier passt es.

Schau mir in die Augen, Chucky.

© Metro-Goldwyn-Mayer

Durchaus mit dem erhobenen Zeigefinger – wer den Film bereits gesehen hat, wird hier noch mehr verstehen – aber herrlich böse und auch sehr tages- und realitätsnah wird der Good Guy 2.0 hier wie erwähnt mit sämtlichen Freigaben und Aufgaben betraut. Vom Einschalten des Fernsehers, dem Online-Bestellen bis hin zur Überwachung des Nachwuchses beim Schlafen und als so eine Art aufgepimptes Babyphone in Latzhose. Horror-Fans wissen, das kann nur gut gehen. Ein durchaus interessanter, kleiner und böser Genre-Vertreter bei dem Tobe Hoopers „Texas Chainsaw Massacre 2“ mindestens ebenso Pate stand, wie Steven Spielbergs „E.T. – Der Außerirdische“ ist die Folge. Ein Mix, den man so nicht erwarten konnte, aber der für angenehm frischen Wind im Remake sorgt. Und eigentlich ist es auch gar kein Remake. Kein richtiges. Denn bis auf die Namen und die Grundkonstellation von Mutter schenkt ihrem Sohn eine Puppe und die wird mörderisch, unterscheiden sich die Filme ganz wunderbar voneinander. Zitate gibt es, aber damit hat es sich auch überwiegend. Man geht seinen eigenen Weg, und Story, und das ist auch gut so. Regisseur Lars Klevberg kann offenbar doch mehr als nach „Polaroid“ zu befürchten war. Auch wenn sein „Child’s Play“ 2019 nicht der ganz große Wurf geworden ist, so ist der doch für Fans gut guckbar. Dabei aber nicht im Ansatz wirklich spannend, aber ok und ordentlich atmosphärisch, auf seine ganz eigene Art creepy und ebenso zum Lachen, und die recht gelungene Balance daraus. Nie so ernst wie das Original, aber auch nie so campy wie ein „Chuckys Baby“. Dabei herrlich kurzweilig, sehr selbstironisch – was teilweise vielleicht etwas zu weit getrieben wird – aber auch herrlich saftig! Ja, saftig! Gemeint ist blutig. Und man, wie sehr hat man das bei all den anderen, aktuellen und oft saftlosen Horrorfilmen vermisst. Nichts gegen die Stimmung eines „Conjuring,“ aber ab und an braucht des betagte Slasher-Herz auch einfach mal eine ordentliche Ladung rote Soße, in Form vom guten alten Kunst-Blut. Und das wird hier geliefert. Freigegeben mit einer FSK ab 16 Jahren und diese sowohl von der angesprochenen Saftigkeit, als auch abseits davon bis an die Grenzen auslotend. Hier gibt es immer wieder kurze und harte Akte der Gewalt, die tonal durchaus böse, und manchmal auch sehr, sehr makaber herüberkommen. Bei all dem Witz, wirkt „Child’s Play“ aber nicht immer mit der notwendigen Ernsthaftigkeit ausgestattet, welches die absolut bedrohliche Prämisse womöglich durchaus noch verstärkt hätte. Da ist noch Luft nach oben, falls es denn weiter gehen sollte. Viele, aber nicht ausschließlich praktische Effekte runden ab, wenngleich ein paar digitale Schnitzer doch negativ herausstechen. Ebenso wie einige zu überzogen wirkende Momente, in der High-Tech Chucky etwas einfach zu abstrus wirkendes abliefert. In den USA stieß der Film auf gefühlt wenig Gegenliebe, etwas, was von hier betrachtet absolut nicht nachzuvollziehen ist. Für einen Fan, der an jedem der Teile wenigstens immer was guckbares fand und findet, war das hier überwiedgend völlig in Ordnung und gar überraschend gut. Ganz klar besser als der eher schwach empfundene letzte DTD-Teil „Cult of Chucky.“

Fazit:
Chucky in der Version 2.0 ist ein interessanter, bösartig bis makaberer und erstaunlich gorelastig und blutiger Mix, sowohl eine Art E.T. – Der Mörderische, als auch mit klassischen Momenten der Chucky Reihe ausgestattet. Kein Meilenstein des Genre-Kinos, aber wer mal wieder Bock auf brauchbares mit Chucky im Kino hat, kann hier doch recht bedenkenlos zuschlagen. Popcorn und Nachos aber nicht vergessen.

6/10

Autor: Michael Essmann

Ein B-Movie Freund, der seit einigen Jahren in Köln heimisch ist und dort erfolgreich Design studiert hat. Seitdem schiebt er u.a. Pixel hin und her.

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