BG Kritik: „Hustlers“
Oscar-Chancen für… Jennifer Lopez? Einige US-Kritiker sind tatsächlich der Meinung, dass ihre Nebenrolle im Überraschungshit „Hustlers“ ungeahnte Resonanz hervorrufen könnte. Dabei ist La Lopez für gewöhnlich eher keine Aktrice, die man so schnell neben „typischen“ Awardsbesuchern wie Julianne Moore, Meryl Streep und Nicole Kidman erspäht, was aber auch an ihrem Output liegen mag, der eher selten Oscarambitionen trägt. Wenn sie nicht gerade in seichtem (sympathischem) Romanzengedöhns wie „Manhattan Queen“, „Was passiert, wenns passiert ist“, „Plan B für die Liebe“ oder „Darf ich bitten?“ zu sehen ist, dann in trashigen bis käsigen Thrillern wie „Genug“ oder „The Boy Next Door“. Sprich, generell scheint der Enthusiasmus gar nicht erst da zu sein, es ernster zu versuchen, zumal Jenny from the Blocks Aufmerksamkeit zweifellos immer auch bei ihrem sonstigen Kapital liegt, der Musik, der Fashion und des Selbstverkaufs der Marke J.lo. Was ihren neuesten Film „Hustlers“ betrifft, könnte der legitime Oscarwind ganz versehentlich aufkommen.
Im Film geht es um eine junge Frau (Constance Wu), die sich aufgrund von Geldproblemen dazu entschließt, als ‚exotische Tänzerin‘ (also, Stripperin) zu arbeiten. Dabei trifft sie auf die 50jährige, aber umwerfende Übersuperstripperin Ramona (Lopez), die sie zunächst erst einmal nur mit anderen Mädchen unter ihre Flügel nimmt. Schnell aber heckt die effiziente Girlgang den Plan aus, das lockere Geld der angetrunkenen Geschäftsleutengäste manipulativ noch sehr viel lockerer werden zu lassen, was sich kriminell immer weiter überspitzt, bis man sogar mehrere hunderttausend an einem Wochenende erbeutet. Die steigende Gier nach mehr führt fraglos zu Komplikationen, und das wiederum bringt die Freundschaft der Frauen ins Wackeln.
Hustlers
(Originaltitel: Hustlers | USA 2019)
Regie: Lorena Scafaria
Darsteller: Constance Wu, Jennifer Lopez, Keke Palmer
Kinostart Deutschland: 28. November 2019
Geht man rein nach der Inhaltsangabe, könnte man glatt vermuten, dass „Hustlers“ irgendwo zwischen „Ocean’s 8“ mit Sandra Bullock und „Widows“ mit Viola Davis liegen könnte, in denen Frauengruppen jeweils kriminell Cash machten – die einen eher fröhlich witzig elegant, die anderen eher derbe und ernst. Tatsächlich schielt der Film letzten Endes mehr in Richtung „Goodfellas“ trifft „Magic Mike“, denn trotz der kriminellen Fährte ist der Film in erster Linie ein Charakterstück über ein naives kleines Ding geworden, das sich in einer (für die Allgemeinheit) exotischen Berufsecke herumtreibt. Wu macht ihre Sache ganz ansprechend, doch es ist ganz außer Frage, dass Jennifer Lopez den eigentlichen Mittelpunkt bestimmt. Ihre Figur kontrolliert alles, gibt den Takt an und ist gleichzeitig die heimlich angehimmelte Prota- wie auch gefürchtete Antagonistin. Wieso das letzten Endes wirklich zu einem zufriedenstellendem Ergebnis funktioniert, ist rein Lopez zu verdanken. Sich überhaupt noch mit 50 als Stripperin zu zeigen ist eine Sache – aber sie positioniert sich hier als die Überstripperin, die Frau, die am meisten Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann und die allerknackigsten jungen Dinge übersteigt.
Das erreicht sie nicht nur mit ihrem fraglos schwer trainierten und perfekt ernährtem Körper – nur ihr Gesicht kann nicht mehr so ganz verbergen, dass sie keine 30 mehr ist – doch letzten Endes ist es ihr Selbstbewusstsein, das am stärksten schimmert. Ähnlich wie Don Draper in „Mad Men“ strahlt sie aus, dass sie absolut erfüllt mit sich selbst und ihrem Job ist, und kombiniert dies mit immenser Erfahrung und unerbittlicher Zielstrebigkeit. Constance Wu ist stets in Ordnung, doch die eigentliche Girlgruppierung (u.a. Rapperin Cardi B und Lili Reinhart von Riverdale) erreicht nie die Charme von etwa der aus „GLOW“, Scafarias Regie ist brauchbar, aber weder visuell verlockend, noch so grandios choreografiert wie die „Magic Mike“ Filme, aber man bleibt ständig gebannt, was wohl bei der nächsten Konfrontation mit Ramona passieren mag. Es ist Lopez‘ Vehikel, und sie reißt es mit Macht an sich. Klar könnte man generell kommentieren, dass ihre bisherige Arbeit auf Oberflächlichkeit und fehlender Kompetenzen basiert – stets hat sie ihren Körper sprechen lassen, eine wahrlich ausgesprochen gute Sängerin war sie nie – aber all das konzentriert sie in dieser für sie passenden Rolle.
Wer sich von „Hustlers“ ein gewieftes Duell erhofft, in dem sich alteingesessene und aufstrebende Kriminelle gegenseitig auszubooten versuchen, liegt hier falsch – echter Thrill oder dergleichen kommt da eher nicht auf, auch wird es bei weitem nicht so finster wie in „Widows“. Die Tatsache, dass der Film von einer Frau inszeniert worden ist, führt auch fraglos dazu, dass es kein banales Exploitationwerk geworden ist, das nur fadenscheinig an Story interessiert ist und eigentlich bloß die gewählte Gegend dafür nutzen will, viel nackte Haut zu zeigen.
Fazit:
„Hustlers“ ist im Prinzip ein nur sehr gewöhnliches kleines Drama mit kleiner Kriminalnote, doch Jennifer Lopez erreicht tatsächlich eine der sehenswertesten Leistungen des Schauspieljahres. Im Gegensatz zu anderen, die in schwierigen Dramen, Kostümfilmen und Schicksalsstunden agieren, turnt sie dabei zwar fast nackt an Stangen rum, das aber sehr einnehmend.
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