BG Kritik: „John Carter: Zwischen zwei Welten“ (John Carter of Mars)

9. November 2018, Christian Westhus

Effektgeladene Science-Fiction nach legendärer Romanvorlage: Bürgerkriegsveteran John Carter (Taylor Kitsch) stößt bei seiner Suche nach einer Höhle voll Gold auf ein seltsames Amulett, durch das er in die Wüste transportiert wird. Bald darauf stellt er fest, dass er sich auf dem Mars befindet. Dank der veränderten Gravitation mit enormen Kräften ausgestattet, gerät er an vierarmigen grüne Marsbewohner, die Tharks, und technisierte Marsmensch-Zivilisationen, die sich in einem Krieg befinden. Zusammen mit einem Thark-Krieger und einer Menschen-Prinzessin muss John Carter die Bedrohung abwenden.

John Carter: Zwischen zwei Welten
(Originaltitel: John Carter | USA 2012)
Regie: Andrew Stanton
Darsteller: Taylor Kitsch, Lynn Collins, Mark Strong, Willem Dafoe, Dominic West
Kinostart Deutschland: 08. März 2012

(Diese Kritik erschien ursprünglich zum Kinostart des Films im Märt 2012.)

1912 erschien der erste Mars-Roman von „Tarzan“ Autor Edgar Rice Burroughs. Über ein Dutzend Geschichten handeln von Bürgerkriegsveteran John Carter und seinen Abenteuern auf Barsoom, wie der rote Planet von seinen Bewohnern genannt wird. Burroughs Mars-Zyklus beeinflusste die literarische und filmische Science-Fiction Welt wie lange Zeit kein vergleichbares Werk. Autoren wie Arthur C. Clarke („2001“), Ray Bradbury, oder „Starship Troopers“ Autor Robert Heinlein führten die Abenteuer von John Carter als Inspirationsquelle an. Der Urknall der modernen Science-Fiction beeinflusste George Lucas‘ „Star Wars“ und findet sich ebenso in James Camerons „Avatar“ wieder. Umso schwieriger also das Unterfangen für eine lange geplante und mittlerweile überfällige Film-Adaption. Nicht nur muss der Film den Druck einer hundert Jahre alten Tradition kompensieren, er steht auch im Schatten der Epigonen und Beeinflussten, die das literarische Bildarsenal aufnahmen und ihr Eigen machten. Wenn John Carter eine felsige Wüstenarena betritt, um gegen überdimensioniertes Getier anzutreten, werden sich nicht wenige verwundert die Augen reiben und an „Angriff der Klon-Krieger“ denken. „John Carter“ ist im besten Sinne altmodisches Sci-Fi Abenteuerkino im technisch modernen Gewand, das leider den Nachteil hat, ein paar Jahrzehnte zu spät zu sein. Für den modernen Zuschauer dürfte es das eine oder andere Déjà-vu geben. Mit dem Wirkungsgrad der literarischen Vorlage kann und sollte sich der Film also gar nicht erst messen. Unterhaltungskino ist angesagt und als solches funktioniert „John Carter“ zumeist äußerst gut.

Es ist eine trotz allem abwechslungsreiche und kunterbunte Mischung, die Abenteuer-Fantasy mit einem Science-Fiction Szenario verknüpft, gerahmt von einer Western-artigen Erd-Handlung, in der Taylor Kitsch den dickköpfigen, kriegsmüden und unbeirrbaren John Carter etabliert, ehe der Held auf Reisen geht. Die Stationen der Heldeninitiation sind seit der Antike bekannt. Eine Aufgabe, ein Problem, der Held zögert, tritt die Reise schließlich doch an, stellt sich der Prüfung und wächst als Charakter an ihr. Diese Stationen musste ein Luke Skywalker ebenso durchmachen, wie es nun John Carter muss. Das Ein-mal-eins des Heldenabenteuers. In einem guten Film schmeckt aber auch die altbekannte Ursuppe bisweilen ganz gut, die sich ja womöglich aus guten Gründen derart etablieren konnte. Und Regisseur Andrew Stanton, der nach „Findet Nemo“ und „Wall-E“ sein Realfilmdebüt gibt, hat eine sichtbare Freude am Nachwürzen. Obwohl altbekannt und dutzendfach vorexerziert, bietet „John Carter“ eine willkommene Abwechslung im Blockbuster-Unterhaltungskino unserer Gegenwart. Der Look, die Erzählweise, die klassische Figurenzeichnung – all das wertet den Film gegen die übervollen Computertrick-Kampfkolosse des heutigen Multiplex-Kinos auf.

© Walt Disney Company

An Aufgaben und Spektakel mangelt es John Carter bei seinem ersten Abenteuer auf Barsoom jedenfalls nicht. Um sich der Zuneigung des heutigen Publikums sicher zu sein, mussten die Rechner der Effektschmieden natürlich auf Hochtouren laufen. So verschwindet Vielseitigkeitswundertüte Willem Dafoe per Motion Capture Verfahren in der Gestalt von Tars Tarkas, dem vierarmigen, grünen und knapp vier Erdenmeter großen König der Tharks, die John Carter zunächst einfangen. Der Mars bei Burroughs und Stanton ist keine rubinrote Staublandschaft, sondern eine nur leicht gerötete Steppe aus Sand und Felsen, mit Erinnerungen untergegangener Zivilisation, wilder Naturmystik, bis hin zu den großen Städten der Menschen, von denen sich eine wie ein Krebs durch den Sand fortbewegt. Insbesondere die Landschaften wirken im überwiegend gelungen nachkovertierten 3D beeindruckend, was den Dimensionszusatz aber noch lange nicht nötig macht. Das Design von Barsoom, der Stadt Helios, oder dem Dorf der Tharks ist ungewohnt und wirkt dennoch vertraut. Dass die Thark-Babies dauerkreischende Gummidrops sind, mutet etwas seltsam an, ansonsten aber kann man sich an dieser Welt kaum satt sehen. Helme und Waffen, die roten Henna-Tattoos, oder die leicht fetischisiert wirkende Kleidung der Menschen hat man in dieser Form lange nicht, ja vielleicht tatsächlich noch nie gesehen. Dass auf Barsoom häufiger lieber mit dem Schwert, als mit der Schusswaffe gekämpft wird, erfreut aber das Auge. Fluggeräte sehen aus wie überdimensionierte Insekten, eine geheime Macht zuckt als blauer Energiestrahl zerstörend auf, und im Hintergrund ziehen unsterbliche Überwesen als Halb-Götter die Strippen des Schicksals.

Ein Bürgerkrieg steht bevor und eine erzwungene Hochzeit ist die letzte Chance auf einen unsicheren Frieden. Dominic West gibt den Eroberer, der mit Vernichtung droht, aber nur die Marionette einer höheren Macht ist. Entsprechend unauffällig fällt Wests Schurkenrolle aus, wenn eigentlich Mark Strong den Ton angibt, der zum gefühlten 325. Mal in den letzten fünf Jahren Böses im Schilde führt. Überzeugender da die Auserwählte für die Zwangsehe, Lynn Collins als Prinzessin Dejah Thoris, die auch mal am aktiven Kriegsgeschehen teilnimmt und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen versucht, als die Vernichtung ihrer Heimat Helios droht. Sie ist es, die John Carter die Augen öffnet, die ihm zeigt, wo er sich befindet, was dem Planeten droht und was er als Fremder mit besonderen Fähigkeiten bewirken kann. Die erwartungsgemäß etwas übereilt aufkommenden Gefühle zwischen Held und Prinzessin sind der nötige Zusatz, um die Figuren enger zusammen zu führen und die Dramatik zu erhöhen. Immerhin haben Collins und Taylor Kitsch ein paar nette Szenen zusammen, was die Liebeskiste glaubwürdig genug gestaltet. Kitsch selbst ist weder ein großer Actionstar, noch ein Charismabolzen vom Schlage eines Harrison Fords. Mit einem jungen Mark Hamill kann er es aber allemal aufnehmen und verwächst mit zunehmender Laufzeit mehr und mehr mit seiner Figur.

Störender da schon, dass die Handlung, durch die man Kitsch und Collins scheucht, episodischer und konfuser wirkt, als notwendig gewesen wäre. Es geht hin und her zwischen den scheinbar dicht an dicht gelegenen Schauplätzen, wo doch auch für John Carter ziemlich bald klar ist, wie der Hase läuft. Das gesamte Affentheater in der Arena wirkt wie unnötig aufgezwungenes Spektakel, garniert mit einem nur allzu schnell gelösten Autoritätsproblem. John Carter zeigt natürlich wer Chef im Ring ist, dies aber auch mit einer unkommentierten Kaltschnäuzigkeit, die bisweilen unpassend erscheint. Für einen Film, der wie jugendlich-leichtes Abenteuer wirkt, der einen animalischen Sidekick wie „Mars-Hund“ Woola besitzt, der gleich mehrere Male den Tag rettet und kindgerecht Humor und Niedlichkeit ins Spiel bringt, geht John Carter hier und da recht rabiat zu Werke. Der mal-eben-so beinahe-Genozid an einem feindlichen Thark-Stamm irritiert mehr, als dass wir mitfiebern. Das gelingt besser in den kleinen Gefechten, in denen sich John Carter zumeist alleine, mit Tars Tarkas oder Prinzessin Thoris ins Getümmel schmeißt, auf Tieren oder Fluggeräten durchs technologische Geäst rauscht und mal grob durchwischt, ohne gleich haufenweise Leichen um sich scharen. Nur das große Massenfinale rutscht Andrew Stanton aus den ansonsten geschickt, aber auch nicht übermäßig originell durch den Film führenden Regie-Händen. Zu kurz, zu wenig mitreißend, zu durchschaubar der Showdown, der aber immerhin durch einen unerwarteten Epilog wieder aufgewertet wird. Und dort kommt der Film auch zu einem konsequenten und gelungenen Schluss, der natürlich mutiger und dramatischer hätte enden können, aber dennoch direkt die Lust auf einen zweiten Teil weckt. Und das ist doch schon mehr, als heutiges Massenkino zumeist bietet.

Fazit:
Obwohl vieles an andere Filme erinnert, die sich häufig vom literarischen „John Carter“ inspirieren ließen, ist der Film eine willkommene Abwechslung im Unterhaltungskino. Visuell interessant, inhaltlich klassisch und überwiegend rund, wenn auch ohne die ganz großen Höhepunkte. Kein Meisterwerk, aber gelungene Sci-Fi-Fantasy Unterhaltung.

7/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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