BG Kritik: „Rob Zombie’s 31“

4. Oktober 2020, Christian Mester

Auch dieses Jahr wollen wir euch mit Horrortipps für den schaurigen Oktober nicht alleine lassen und bieten deshalb täglich einen neuen Beitrag aus unseren Horror-Archiven…und nicht immer muss es ein Tipp sein, sondern auch mal eine Warnung…

31 (USA 2016)
Regisseur: Rob Zombie
Cast: Sheri Moon Zombie, Richard Brake, Malcom McDowell

Story: Als ein paar Reisende eines Nachts in einen Hinterhalt geraten und von maskierten Wahnsinnigen niedergeknüppelt werden, steht ihnen das Schlimmste noch bevor. Menschen, Tiere, Sensationen? Sie wachen in einer alten Fabrikhalle auf, die mit Zirkuselementen geschmückt ist, und müssen zur Unterhaltung exzentrischer Millionäre an einer Art Spiel teilnehmen. Nach und nach betreten geschminkte Auftragsmörder die Halle, und sie wollen Blut in der Manege.

Aktuell gibt es immer wieder nächtliche Angriffe von… Clowns. Wie passend, dass Rob Zombie einen Film zum Thema parat hält.

Haus der 1,000 Leichen war 2003 der erste Film von Rocker Rob Zombie, und auch wenn sich der Bekanntheitsgrad des kleinen Films bis heute eher in Grenzen hält, gehörte er zweifelsohne zu den interessantesten Horrorfilmen der letzten Dekade. Aus geringem Budget gestaltete der Visionär, wie er später lobend von der Horrorpresse genannt wurde, eine kunterbunte Albtraumparade zwischen Freizeitparkgrusel, 50er B-Note und 70er Exploitation. Eine alte Geisterbahn, eine verlassene Straße, ein zerfleddertes Anwesen, ein Friedhof und ein Labor des Schreckens ergaben eine blutige, vor allem abwechslungsreiche Tour des Grauens, die zu kommunizieren schien, dass hier jemand mit echter Leidenschaft fürs Genre am Werk war. Ein Artist, der sich unsicher war, ob es eventuell der einzige Film in seinem Leben bleiben würde und demnach gleich alles drin verarbeitete, was ihm einfiel. Figurentechnisch gab es ähnlichen Einfallsreichtum, mit stampfenden Maschinenwesen, Fleischanzügen, gebastelten Meerjungfrauen, Nazi-Karaoke und Sid Haig als schaurigen Clown.

Abgesehen von seinem überdrehten Kokain-Comic-Klamauk The Haunted World of El Superbeasto fielen seine anderen Filme anschließend schlanker aus, konzentrierten sich lieber auf gewisse Aspekte, was mal mehr (The Devil’s Rejects), mal weniger (The Lords of Salem) gelang. Das beste Beispiel ist vermutlich sein doppelter Trapezakt Halloween, dessen einzig nennenswerte Besonderheit in den seltsamen Traumsequenzen des zweiten Teils liegt. Umso gespannter durfte man also auf den flach betitelten „31“ sein, der eine tolle Prämisse hat. Ein Überlebenskampf in einer Zirkuslandschaft, gegen psychopathische Clowns? Gerade der Macher von Haus der 1,000 Leichen müsste mit denkwürdigen Konfrontationen aufwarten können, und neben Stephen King’s Es, Poltergeist und Killer Klowns from Outer Space kamen Clowns ohnehin noch viel zu selten in prominenteren Horrorfilmen vor. Leider ist es Zombie nicht gelungen, in seine eigenen übergroßen Schuhe zu steigen und klatscht sich stattdessen selbst Kuchen und Wassereimer ins Gesicht.

31 wirkt auf ganzer Linie, als habe Zombie mittendrin Lust und Laune verloren. Das beginnt schon mit den ersten Dialogen seiner Spielercharaktere. Zombie wurde schon mehrfach für seinen plumpen „fuck fuck motherfucker“ Gossenslang kritisiert, doch nie klang es aufgesetzter als hier. Seine Frau Sheri Moon Zombie und die übrigen dreschen maulfaule Floskeln, die nahezu hoffen lassen, dass sie schnell gepackt und ins Spiel gestopft werden. Dort angekommen, enttäuscht Zombie direkt mal visuell. Von wegen umfangreiche Zirkusbühne: abgesehen von Lichterketten und ein, zwei halbwegs ausgestatteten Räumen ist die 31-Arena eine trostlos triste Fabriklandschaft, die dem Arkham Asylum Joker nicht mal das müdeste Lächeln entlocken könnte. Ebenso mies, die angeheuerten Killerclowns. Auf dem Papier durchaus brauchbar gezeichnet: ein kleiner Nazi-Sadist, ein girliehafter Harley Quinn Abklatsch mit Prügelbruder, zwei Clowns mit Kettensägen und ein grenzenloser Irrer, vor dem selbst die Irren irre Angst haben. Leider weiß Zombie nicht, was er Originelles oder Unterhaltsames mit seinen verschwitzten Akrobaten anstellen soll. Sie alle tauchen schroff auf, und schlitzen und kloppen sich in brutalen, hektisch und dunkel geschnittenen Duellen, die weder denkwürdig, noch fesselnd, noch sonstwie interessant ausfallen. Nur der letzte Gegner, gespielt von Richard Brake, hat Präsenz, kommt aber so wenig zum Einsatz, dass er dem Film kaum retten kann. Malcom McDowell spielt zwar einen der Millionäre, war aber vermutlich nur ein oder zwei Tage am Set, und wird nicht wesentlich involviert.

Eigentlich sollte man meinen, dass Rob Zombie mittlerweile genug Erfahrung gesammelt hat, um zu erkennen, wann es müde Pflichtvorstellung ist, und wann unbedingt noch ein paar Trampoline mehr aufgestellt werden müssen, um mit Flic-Flacs, Salti oder Jongliereinlagen, mit, was auch immer, brennenden Kettensägen, Unterhaltung zu schaffen. Richard Brake mal außen vor gelassen, ist 31 eine gänzliche Enttäuschung, und vermutlich Rob Zombies bisher schwächster Film. Gerade die Tatsache, dass er aus der Themenwelt Clowns / Zirkus so überhaupt nichts gemacht hat, irritiert am meisten. Es gibt als Clowns geschminkte Killer, aber keine geworfenen Säurekuchen, keine Messerwurfspiele, keine tödlichen Trapezturnereien, keine Einrad-Verfolgungsjagden, keine Fleischzuckerwatte, keine Kicks mit Riesenschuhen oder vergleichbare Konzepte, die einem sofort zum Thema einfallen könnten, die einem wie ihm erst recht in den Sinn kommen müsste. In einem anderen seiner Filme hat ein Clown eine kleine Nebenrolle – die wird denkwürdiger bleiben als sein gesamter Clownthemenfilm.

Jetzt mag man den Zylinder heben, die Peitsche schwingen und sagen, dass er ja eh schon bei vorherigen Vorführungen mal gestürzt ist, doch die wirklichen Wertigkeiten liegen häufig in den Details. Sein Halloween war in erster Linie ernüchternd, da er den Origin unnötig erklärte und, tja, nach seinem kreativen Einstand eben nicht kreativ war. Handwerklich war der Film allerdings akzeptabel, und mit Tyler Manes Michael Myers wollte man sich gewiss nicht anlegen. Teil 2 war inhaltlich dünner und unnötig hart, aber auch wieder gut umgesetzt. Seine Herren von Salem? Mag ein außerordentlich langweiliger Film sein, der nie die Dario Argento meets Lucio Fulci Stimmung erreichte, auf die er abzielte, doch auch der war zumindest interessant, und zeigte Mut und Bereitschaft, sich als Regisseur weiter auszubreiten. Eine prinzipielle Rückkehr zu seinen Wurzeln wäre in Ordnung gewesen, hätte er all seine gewonnene Erfahrung eingebracht.

Wüsste man es nicht, könnte man zynisch vermuten, dass 31 das Werk eines untalentierten Rob Zombie Nachmachers ist. Dass es der Mann selbst war, lässt nun bitter rätseln, ob es das jetzt schon für ihn war, und er jetzt schon im gefürchteten Horrorregie-Rentenalter ist, in dem Genreleuts wie George Romero, Joe Dante, Dario Argento und Tobe Hooper nur noch belanglose Enttäuschungen wie Survival of the Dead, Burying the Ex, Dracula 3D und Mortuary liefern. Über John Carpenters letzten Film The Ward durfte man ja auch mosern, aber bei aller inhaltlicher Uninspiriertheit hatte der alte Mann, der mittlerweile König Faulheit genannt werden darf, noch größeren Respekt vor seiner Branche, der sich in kompetenter Umsetzung zeigte. Selbst die fehlt hier.

Fazit:

Sturz ohne Netz und doppelten Boden: Rob Zombies neueste Vorstellung ist plumpes, uninspiriertes Clowngekloppe ohne nennenswerte Ideen. Die blutigen, aber spannungs- und unterhaltungsdürftigen Gemetzel langweilen vor allem durch zu dunkle und hektische Bilder und lassen fast wünschen, er hätte mit seiner unsäglichen Halloween Reihe weiter gemacht. Hier also 31 bessere Horrorfilme, die man stattdessen schauen könnte: Lights Out, Don’t Breathe, The Neon Demon, 10 Cloverfield Lane, Blair Witch, The Shallows, Train to Busan, Final Girls, Hush, Housebound, Krampus, The Visit, Crimson Peak, Insidious 3, Bone Tomahawk, The Witch, Scouts vs Zombies, Knock Knock, The Invitation, The Gift, Tusk, Babadook, Jessabelle, It Follows, Mama, We Are What We Are, Dark Skies, Willow Creek, The Sacrament, Innkeepers und Midnight Meat Train.

/ 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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