BG Kritik: „Aviator“

12. September 2010, Christian Mester

Howard Hughes (Leonardo DiCaprio) ist nach dem frühen Tod seiner Eltern einer der reichsten Menschen der Welt, weswegen er sich kurzerhand aufmacht, seine beiden Hobbies Film und Fliegerei mit allen Mitteln in ungeahnte Höhen zu treiben. Er wird also tatsächlich eine Koryphäe der Luftfahrt und ein Filmgigant, der seine Zeit mit den angesagtesten Starlets Hollywoods verbringen kann und von der Presse geliebt wird… doch hinter all dem Glanz und Ehrgeiz bröckelt seine Fassade, denn immer schlimmer werdende Ticks machen dem stolzen Entrepreneur zu schaffen…

The Aviator (2005)
Regie: Martin Scorsese
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Cate Blanchett, Kate Beckinsale

Kritik:
Martin Scorseses „Aviator“ ist die große Rückkehr zum klassischen Hollywood-Kino. In dem Epos um den großen American Dream, um Stardom, Glamour und Wagemut zeigt sich der Altmeister von seiner völlig neuen Seite. Vergleicht man seinen neuesten mit Filmen wie „Goodfellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia“, „Taxi Driver“ oder „Raging Bull – Wie ein wilder Stier“, so hinterlässt „Aviator“ heute den Eindruck eines gespiegelten Bildes. Statt Herz im Dreck der Gosse zu finden, geht es um die Personifikation des Industrialismus, des Forschergeistes, des künstlich aufgebauschten Ruhmes, dessen Bildgewalt nach möglichst großer Leinwand verlangt. Allein die vielen Flugszenen, bei denen der sonst so CGI-feindliche Regisseur ausnahmsweise mal zu digitalen Effekten greift, sind mitreißend geworden und eine echte Wucht.

Leonardo DiCaprio hat trotz seines gehobenen Alters immer noch mit seinem jungenhaften Äußeren zu kämpfen, doch gerade das will hier erstklassig zur Figur Hughes passen. Sein Magnat ist ein unaufhaltsamer Eisbrecher, ein Visionär und exzentrischer Einzelgänger, gleichzeitig hochintelligent, berechnend, aber charismatisch; durch seine machiavellische Ader fasziniert und distanziert er immer und immer wieder. DiCaprios Präsenz fängt die geballte Egozentrik des Multimillionärs spielerisch perfekt ein und schafft eine Figur, die sich mit Köpfen wie Charles Foster Kane und Chev Chelios messen kann. Seit „Gilbert Grape“ wohl seine bislang beste Performance, die einer Best Leading Actor Auszeichnung wahrlich würdig gewesen wäre.

Die Frauen an seiner Seite sind viele, doch so wirklich auffallend bleibt nur die immer grandiose Cate Blanchett, die als starke, aber auch eigensinnige Ikone Katherine Hepburne als einzige in der Lage ist, dem Hughes Paroli zu bieten. Was daraus wird, ist keine typische Love-Story, sondern ein Ballspiel zweier großartiger Artisten und starker Charaktere.

Bei all dem Hochglanz wird der Film jedoch zum Ende hin am interessantesten, als Hawks beginnt, langsam die Kontrolle über sich zu verlieren. Von DiCaprio umwerfend gespielt, ist seine Spirale abwärts ein fantastisches Gleichnis gegenüber Hollywood und der Zwiespältigkeit der modernen Industrie. Die Geschichte des Aviators reißt mit, brilliert durch Abwechslung und hat sogar so einige kleinere Action-Momente zu bieten, die es innerhalb der Bildgewalt in sich haben.

Fazit:
„Aviator“ ist ein moderner Klassiker, der die Zeichen der Zeit überstehen und als einer der ganz großen in Erinnerung bleiben wird.

9 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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