BG Kritik: „Schumacher“ Doku (Netflix)

21. September 2021, Christian Mester

Rivalen, Freunde und Verwandte beleuchten die Karriere des größten deutschen Formel-1-Fahrers Michael Schumacher, von seinen Anfängen als jugendlicher Kartfahrer bis hin zu seinem tragischen Ski-Unfall, der ihn mit nur 44 Jahren zum hilflosen Pflegefall machte…

Regie: Vanessa Nöcker, Hanns-Bruno Kammertöns, Michael Wech

Vorab: man muss gewiss kein Schumi-Fan oder gar F1-Enthusiast sein, um Gefallen an dieser Doku zu finden. Wem Begriffe wie Monza, Senna, Briatore und Scuderia nichts sagen – nicht schlimm, der Film stürzt sich nie zu tief ins Fachwissen und stellt alle Namen, Ereignisse, Strecken und Konflikte so elegant simpel dar, dass man stets mitkommt. Natürlich lassen sich 20 Jahre Karriere nicht vollständig in 2 Stunden zusammenfassen, ohne dass notgedrungen etwas wegfallen muss, aber die Doku macht einen guten Job, das wichtigste rauszusieben und einfach zu präsentieren. Die drei Macher haben es bemerkenswert geschafft, Schumis Schaffen kurzweilig und emotional zu erzählen, dass man auch als Nichtkenner sofort mit im Cockpit ist, und schnell versteht, wieso der Kerpener für immer zu den größten Rennsportlegenden gezählt werden wird.

Spannenderweise hatte Schumi sogar eine Karriere mit typischer Heldendramaturgie, ähnlich wie Rocky, die sich sehr für einen Film eignet. Vom aufstrebenden Jungstar und ersten Niederlagen hin zur epischen Erfolgsserie, zu bissigen Duellen mit anderen, dem erwartbaren Abstieg und obligatorischem Comeback, ähnelt es fraglos Spielfilmen wie „Le Mans 66“ oder „Rush“. Das Geschehen wird oftmals vom Mann selbst kommentiert – aus Archivaufnahmen, die restauriert wie neu aufgenommen klingen. Der heutige Michael Schumacher ist indes verständlicherweise weder zu sehen, noch zu hören, da er gesundheitlich offenbar nicht dazu in der Lage ist. Die anderen Kommentatoren sind eine echte Creme de la Creme, denn nahezu jeder wichtiger großer Name in Schumachers Leben kommt zu Wort, inklusive Rivalen wie David Coulthard, Damon Hill und Mika Hakkinen.

Löblich ist, dass der Film kein reiner Lobgesang ist, sondern auch Platz für Kritik am Schumacher lässt. Seine Obsession mit dem Rennsport über allem, die spätere Arroganz nach den Erfolgen und einige Rüpelcrashmomente werden fraglos kritisch beäugt, kommentiert und nicht bequem weggelassen, was zeigt, dass Schumi meistens vorbildlich, aber nie unfehlbar war.

Die gesamte Doku ist hervorragend geschnitten, schnell und lässt in den passenden Momenten Platz für Emotionen – ohne je zu cheesy zu werden. Hinsichtlich seiner späteren Tragödie und den Kommentaren der Familie wäre theoretisch Platz für schwer aufgekleisterte Mitleidhasche gewesen, doch dazu lässt sich die Doku nicht herab. Die Trauer der Verwandten, insbesondere von Frau und Kindern wird immer wieder dezent deutlich gemacht, wird aber nie zum Schwerpunkt. Offensichtlich war den Machern wichtig, das schlimme Schicksal zu beinhalten, den Fokus aber gezielt auf die Rennsportkarriere zu legen, da der Film eben diese feiern will – oder besser, zeigen will.

Fazit:
Rasanter Tribut, der überraschend zugänglich ist, überraschend zurückhaltend ist, überraschend Platz für Kritik lässt, überraschend gut als Film funktioniert. Für Fans eh Pflicht, für andere einen Blick wert.

7,5 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung