BG Kritik: „Halloween 4 – Die Rückkehr des Michael Myers“

12. September 2014, Christian Mester

Obwohl Michael Myers in der 78er Nacht lichterloh brennend zu Boden gegangen und Kugeln in beide Augen bekommen hat, überlebte der Mann die Gasexplosion doch noch irgendwie mit intakten Augen. Wie es der Zufall nun will, wacht er eines Tages passend zur Halloweenzeit aus dem Koma auf und erfährt beiläufig, dass die Tochter seiner vermeintlich verstorbenen Schwester Laurie Strode zur Zeit in seiner alten Stadt lebt. Loomis, selbst schwer gezeichnet von der Auseinandersetzungen der Vergangenheit erkennt die Gefahr und versucht ein weiteres Mal, das Schlimmste zu verhindern…

Kritik:
Halloween 3 schrieb Dank eines kleinen Budgets recht grüne Zahlen, doch der Versuch, die Filmreihe von da an zu einer Anthologie origineller Horrorgeschichten zu machen, war fehl geschlagen. Zuschauer waren entsetzt, dass der markante und zu dem Zeitpunkt äußerst beliebte Michael Myers allen Anschein nach tatsächlich das Zeitliche gesegnet hatte – er musste trotz fragwürdiger Logik also auferstehen, so wie seine Slasher-Kollegen Jason Voorhees und Freddy Krueger damals schon für neue Teile von den Toten zurück gekehrt waren. Pleasence war für genügend Geld bereit ein weiteres Mal den Loomis zu geben, fehlte also nur noch Jamie Lee Curtis als Laurie. Diese lehnte dankend ab, weswegen man kurzerhand eine Tochter für ihre (vermeintlich) verstorbene Rolle hinzu erfand und sich Hände reibend daran versuchte, den Erfolg neu aufleben zu lassen.

Nimmt man es nun genau, enttäuscht das Resultat entgegen aller Hoffnungen und ist theoretisch als deprimierender Aufguss zu sehen, da er hauptsächlich alte Fanggründe neu abgrast und sich unvorteilhaft Patzer erlaubt. Im Prinzip wird erzählt, was bereits Inhalt der ersten beiden Filmen war. Myers ist nach Abwesenheit wieder da und dolcht sich durch ein paar neu eingeführte junge Leute, nur um am Ende beim Angriff auf das vernünftige Survivor-Girl von urplötzlich eintreffender Hilfe aufgehalten zu werden. Wieder ist Halloween, wieder treffen Loomis‘ paranoide Warnungen auf leidlich taube Ohren und wieder gibt es die obligatorischen Stalker-Szenen, in denen Myers im gespenstischen Schneckentempo seine Opfer verfolgt. Was das betrifft, fehlt Regisseur Dwight H. Little (Anaconda 2) eindeutig nötiges Feingefühl.

Sein Myers erscheint und verschwindet derart fragwürdig, dass sein unberechenbares Auftreten plötzlich berechenbar albern wird. Eine der schlimmsten Szenen ergibt sich zum Schluss, als Myers einen fahrenden Pick-Up Truck – ungesehen von zwei auf der Laderampe stehenden Männern – von hinten erklimmt, obwohl man den Wagen zuvor mehrfach rundum gesehen hat, ohne eine Spur des Ex-Anstaltsinsassen. Diese Albernheit betrifft auch viele der nächtlichen Angriffe, die den bierernst gemeinten Film mehrfach ungewollt ins Lächerliche abdriften lassen. Myers wirft unter anderem einen unglücklichen Stromtechniker in einen Schaltkasten, der daraufhin mit 80er Jahre Funkenschlag die gesamte Stadt lahm legt; Offscreen erledigt er nur mit seinem Messer eine gesamte Polizeistation und in einer anderen Szene wiederum stürzt ein Mädchen auf der Fluchtvom Dach eines mehrstöckigen Hauses. Unten angekommen, stiefelt ihr Verfolger direkt gemächlich um die Ecke, sodass man sich fragen darf, ob er ebenfalls gesprungen ist oder die Hauptinspiration für Hayden Christensens Jumper darstellt. Ähnliche Dummheiten findet sich im Verhalten der neuen Jugendlichen, die es nicht einmal schaffen, Myers aus nächster Nähe zu erschießen (stattdessen werden sie mit Schrotflinten erdolcht) und die grundsätzlich immer die Treppe hoch, statt zur Haustür hinaus laufen.

Die neue Maske sitzt einfach schlecht und sieht schlecht aus, George P. Wilbur als Myers ist seltsam unförmig und es gibt Schnitzer, die ein vernünftiger Produktionsassistent nie durchgehen lassen würde. So hat Myers in einer Einstellung (Schulszene) etwa auf einmal blonde Haare, da man anfangs mit der verwitterten Maske der ersten Teile gedreht hatte und diese dann auswechselte, ohne das erste Material nachzudrehen. Der Soundtrack, einer der Grundpfeiler der ersten drei Teile, ist erstmals nicht mehr von Carpenter, sondern von dessen Freund Alan Howarth, der ohne den Meister zu Stilles und Einfallsloses fabriziert.

Bei all der Tirade lässt sich dennoch kaum behaupten, dass Halloween 4: Die Rückkehr des Michael Myers ein ausnahmslos schlechter Film ist. Das, was Little an Spannung der Vorgänger (inkl. Teil 3) nicht erreicht, lässt er durch enorm flottes Tempo vergessen. Nach rasantem Einstand geht es den ganzen Film über zügig zur Sache, sodass man diesen Vierten wohl als den Action-Halloween bezeichnen kann (selbst Loomis bekommt einen kleinen Alarm für Cobra 11 Moment). Die Story ist vorhersehbar, nach dem abstrusen Dritten aber wieder verständlich und auch wenn sie zum Großteil typisches Slasher-Klischee ist, gibt es weit Schlechteres in dem Bereich. „Kurzweil“ ist demnach das Stichwort und da tut es gut, dass das gewohnte Konzept über den Daumen akzeptabel umgesetzt… und durch kleinere, unerwartete Ideen aufgewertet wird.

Es lässt sich nicht nur das gelungene Cliffhanger-Ende loben, das einen netten Bogen zum ersten Teil spannt, sondern vereinzelt auch kleinere Ideen und Szenen, die entweder die ersten Filme referenzieren oder Inspiration für spätere waren. So wird beispielsweise geschickt auf eine bestimmte Szene aus dem Zweiten verwiesen, in dem ein mit der gleichen Maske wie Myers bekleideter Teenager Ärger mit den Behörden bekam. Ein ähnlicher Stand-Off mit Reh-im-Scheinwerferlicht-Moment findet sich dagegen später in Halloween H20: 20 Jahre später. Dafür gibt es im Gegenzug Zähne knirschenderweise witzlose Teenie-Soap Momente und ein, zwei vergeigte Grisworldsche Humorszenen (Priester, Hitcher), die éinfach nicht sitzen wollen.

Das angenehme Highlight des Filmes ist letzten Endes eines der kleinsten Elemente: Danielle Harris. Die damals 11jährige spielt ihre Rolle als verängstigtes Kind überzeugend und legt eine Spielreife an den Tag, die bis auf Pleasence jeden anderen im Film auf die hinteren Plätze verweist. Sie, die später auch noch im fünften Film und beiden Remakes zu sehen war, gehört fraglos mit zu den besten Darstellern der ganzen Reihe und verleiht diesem Sequel Qualitäten, die der sympathische, aber langsam zu einer Karikatur verkommenden Pleasence fast nicht halten kann. Die Tatsache, dass eine elfjährige sich sichtlich die meiste Mühe macht, mag den Rest noch kritischer sehen lassen.

Senkt man die Erwartungen somit und sieht den Vorgänger noch immer mit bösen Augen, wird man diesen Vierten sicherlich tief ins Herz schließen und ihn eventuell auch schnell überbewerten. Ja, er führt fort, was Carpenter und Rosenthal begannen, ist unter dem Strich aber ein mittelmäßiger Horrorfilm, dessen Vor- und Nachteile sich in etwa die Waage halten. Einige Änderungen am Script, ein ernsterer Gesamtton, Carpenters Soundtrack und eine etwas feinfühligere Regie, und Halloween 4 hätte mit Leichtigkeit als ebenso gute Horror-Fortsetzung wie Psycho 2 oder Der weiße Hai 2 werden können, so aber nicht.

Fazit:
Halloween 4 ist eine zufrieden stellende Fortführung der ersten beiden Teile, die an alte Qualitäten jedoch nicht ganz heran reichen mag.

5,5 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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