BG Kritik: „Green Zone“

12. September 2011, Christian Mester

Irak, 2003. Chief Roy Miller (Matt Damon) ist der Anführer eines Aufklärungsteams, das die Mission bekommt, gesuchte ABC Massenvernichtungswaffen sicherzustellen. Trotz angeblich starker Quellen entpuppen sich alle eingereichten Hinweise jedoch als falsch, die vermeintlichen Fundorte als gefährliche Konfliktzonen. Da Miller es satt ist, das Leben seiner Kameraden unnötig zu riskieren, forscht er bald eigenhändig nach und versucht, jenen angeblichen Informanten selbst zu finden. Auf der Suche nach der Wahrheit stellt sich ihm ein Berater des Weißen Hauses (Greg Kinnear) in den Weg, der ihm anbietet, für seine Seite zu arbeiten. Miller lässt nicht ab und wird selbst zur Zielscheibe…

GREEN ZONE (2010)
Regie: Paul Greengrass
Cast: Matt Damon

Um es kurz zu machen: „Green Zone“ könnte mit einigen kleineren Änderungen auch „Bourne 4“ heißen. „Bourne Hawk Down“, „Der Bourne, der niemals lebte, irgendwie so etwas. Wie Jason Bourne ist auch Damons Roy Miller ein netter Kerl, der einen starken Gerechtigkeitssinn hat, gegen die eigenen Ausbilder recherchiert und seine speziellen Fähigkeiten dazu einsetzt, Vertuschungen aufzuklären. Stil, Ton und Präsenz erinnern unübersehbar an die voran gegangene Trilogie, so dass Vergleiche kaum zu ignorieren sind. Leider ist es so, dass Chief Miller an seinen ähnlich aussehenden Kollegen nicht heranreichen mag. Nah, aber nicht ganz.

Zum einen ist seine Rolle beileibe nicht so pfiffig, da er keine geschickten Manöver ausführt oder besonders scharfsinnig ist. Millers Ermittlung beschränkt sich auf Hilfe von Außen, glückliche Zufälle und einfache Ablenkungsmanöver, die zwar allesamt spannend und unterhaltsam inszeniert sind, aber etwas fehlen lassen. Millers Zweifel gibt es schon in der ersten Sequenz; charakterlich ändert er sich den ganzen Film über nicht mehr und zeigt auch sonst nichts wirklich Denkwürdiges. Damon spielt den erfahrenen Soldaten glaubhaft, mit starker Souveränität und sympathisch, viel gibt es da für ihn jedoch nicht zu holen. Ein schwacher Charakter, der von Glück reden kann, von so einem guten Darsteller gespielt zu werden.

Was die Action betrifft, waren schon die bisherigen „Bournes“ keine Bays. Meistens gab es zwei, drei größere Momente, meistens standen brachiale Verfolgungsjagden und knallharte Nahkämpfe im Vordergrund. Jagden gibt es in der Green Zone reichlich, wirkliche Kämpfe bleiben fast außen vor (Miller ist sogar eine Niete im Nahkampf). Actionspektakel gehört auch nicht zu dem, was Greengrass sich hier vornimmt. Sein Film wirkt zwar pompös, da John Powells toller Soundtrack wuchtig schmettert und die grüngraue Bildgewalt eine größere Geschichte als ihre Figuren erzählt (Greengrass schafft es sogar, seinen Miller spannend Googlen zu lassen), trotz gelungener Dauerspannung geht es ihm jedoch viel mehr darum, die verschiedenen Schachfiguren dieses komplizierten Spiels zu zeigen. Egal ob CIA, Regierung, Soldaten, irakische Kriegsveteranen, irakische Generäle – Greengrass interessiert sich dafür, die verschiedenen Schattenseiten und Motive aller Seiten zu beleuchten. Das funktioniert relativ gut, da die Darsteller durch die Bank weg gut ausgesucht sind und der Film nie bloß in Gut und Böse denkt – jeder Aktivist hat seine speziellen Absichten, was Greengrass auch schon in „Flug 93“ pointierte. Kritisch wird der Film gegenüber beider Seiten – weder das US-Militär, noch die Iraker bleiben an Kritik unverschont. Leider ist der Film mit 115 Minuten Lauflänge noch viel zu kurz. Es gibt zu viele Personen, die nur knapp behandelt werden und trotz guter Darsteller und Ideen zu funktionell auftreten.

Amy Ryan beispielsweise spielt eine Reporterin ala Jennifer Connelly in „Blood Diamond“, die aber nur eine kleine handvoll Szenen bekommt und keinerlei Bindung zu Miller aufbaut. Sie ist schlichtweg egal und wirkt nur mal eben eingeschoben, um eine Frau im ansonsten männerdominierten Film zu haben. Das wird der Darstellerin und ihrer möglichen Funktion nicht gerecht, und dass mehr drin steckt, bleibt im Gefühl. Es wird nur nicht gezeigt.

In schwächeren Händen wäre „Green Zone“ eventuell enttäuschend einsilbig geworden, doch Greengrass meistert die schlimmsten Schlaglöcher mit einer packenden Inszenierung. Was Schlaglöcher betrifft, muss der Kamerawagen wohl unentwegt durch eben solche geschoben worden sein. Der gesamte Film ist mit einer hektischen Wackelkamera aufgenommen worden, die zwar immer noch schaubarer ist als in einigen letzten Bourne-Imitaten und glücklicherweise nicht von tonyscottesquem Schnittinferno zersäbelt wird, aber durchaus anstrengend sein kann und empfehlen lässt, im Kino eher hinten als vorn zu sitzen. Ein solider, linearer, überschaubarer Action-Thriller, der mit mehr Geduld ein richtiger Artillerieschlag hätte werden können.

Fazit:

Ordentlicher Militär-Thriller mit fesselnder Inszenierung. Matt bleibt jedoch der Damon, der gern gesehen ist, aus seiner Figur aber nicht viel machen kann und wie die meisten seiner Co-Stars merklich nach 10-20 zusätzliche Minuten Charakterisierung lechzt. Hohes Tempo, wenig Action, mit Vorbehalt sehenswert.

6 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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