BG Kritik: „Nur ein kleiner Gefallen“

8. November 2018, Daniel Schinzig

„Gegensätze ziehen sich an“ gilt nun wohl auch für Mütter, denn mit der karrierebesessenen eiskalten Emily und der naiven Graue-Maus-Hausfrau Stephanie freunden sich zwei weit auseinanderliegende Extrempunkte auf der Charakterskala miteinander an. Was für eine überaus spezielle Dame Stephanie in ihr Leben gelassen hat, wird ihr aber erst klar, als Emily spurlos verschwindet…

@ Lionsgate

Nur ein kleiner Gefallen (USA 2018)
Originaltitel: A Simple Favor
Regisseur: Paul Feig
Cast: Anna Kendrick, Blake Lively

Kritik:
Schon im elegant gestalteten Vorspann treffen zwei Welten aufeinander, wenn farblich verfälschte Standbilder von „Hello Kitty“-Socken und einem Messer über die Leinwand huschen. Dazu ein französisches Lied und der Mix aus Stil, Verbrechen und schwarzem Humor ist perfekt: Eine punktgenaue Einführung in das, was Regisseur Paul Feig in den darauffolgenden zwei Stunden mit dem Publikum vorhat.

Feig… Das ist doch der Kerl, der Melissa McCarthy durch die Slapstick-Frontalangriffe „Brautalarm“, „Taffe Mädels“ und „Spy“ manövrierte und mit seiner „Ghostbusters“-Variante einigen Nostalgie-Neurotikern nachträglich die Kindheit verdarb. Da liegt die Frage nahe: Wie passen feigsche aggressiv schreiende Komikerinnen, Freiraum für ausschweifende Improvisationen und Pipi-Kacka-Kotz-Komik zu einem augenscheinlich auf Eleganz setzenden Thriller? Natürlich gar nicht. Und das weiß selbstredend auch der sonst auf derben Klamauk abgestempelte Regisseur, der hier folgerichtig ein paar Aufgedreht-Gänge herunterschaltet. Dennoch ist Feigs Handschrift stets zu spüren. Vielleicht sogar mehr denn je, nun da die lauten Töne die leisen nicht mehr überschallen.

@ Lionsgate

Denn Feig steht schließlich auch für Frauenpower, großartige Chemie zwischen seinen Darsteller(inne)n und pro Film für mindestens einen Tritt in die Eier. All das hat auch „Nur ein kleiner Gefallen“, doch vermischen sich diese Zutaten nun mit spitzer Satire, Zynismus, Thriller-Elementen und Twists. Die Leinwand-Komik des „Voll daneben, voll im Leben“-Machers verschiebt sich mit seinem neuen Werk von laut zu leise, von Slapstick zu rabenschwarz – abgesehen von wenigen Ausnahmen, die umso plötzlicher kommen und umso mehr verunsichern. Erfreulicherweise verlässt sich Feig dazu passend nicht mehr nur auf Worte und Körper seiner Darsteller als Werkzeuge zur Erzeugung von Komik, sondern nutzt auch vermehrt filmsprachliche Mittel.

Gut zu erkennen bei der Einführung der beiden Protagonistinnen. Stephanie (Anna Kendrick) lernen wir durch eine Episode ihres Videoblogs kennen, ein Paradies für Eltern, die auf der Suche nach kitschigen Basteleien und Rezepten sind. Tatsächlich erahnen wir durch diese Inszenierung innerhalb der Inszenierung bereits das Versteckte hinter dem Offensichtlichen, gleichzeitig gibt es durch Stephanies Worte einen Vorblick auf das Verschwinden von Emily (Blake Lively). Deren erstes Erscheinen wiederum ist an Überspitzung kaum noch zu überbieten: Großaufnahme der ultrateuren Schuhe, Bewegungen in Zeitlupe, statt des westerntypischen Strohballens weht der Wind einen Kinderregenschirm über die Straße. Erste Auftritte, die bezeichnend sind für den weiteren Verlauf: Stets wirkt alles minimal überzeichnet, Emily und Stephanie sind Karikaturen ganz bestimmter Mutter-Stereotypen.

Dazu passt dann auch, dass Kendrick die Naivität, die beinahe schmerzende Gutmütigkeit ihrer Figur ein wenig zu stark betont, ebenso wie Lively ihre Emily etwas zu unterkühlt, zu künstlich anlegt. Damit treffen die beiden Schauspielerinnen genau den Kern des schwarzhumorigen Thrillers: Alles ist irgendwie drüber, alles ist irgendwie nicht das wirkliche Leben, alles ist irgendwie offensichtlich gespielt. Selten hat man Lively und Kendrick so gut gesehen wie hier, gerade in den teils herrlich fiesen Wortduellen ihrer Charaktere glänzen die beiden Frauen.

@ Lionsgate

Was Emily und Stephanie wiederum über ihre Vergangenheit und zurückliegende Ereignisse erzählen, stellt Feig mit Rückblenden parallel zum Gesagten in Frage, einige Lügen deckt er direkt für den Zuschauer auf. Andere Begebenheiten verschleiert er wiederum so lange wie möglich, wie natürlich das große Geheimnis des Films: Wo ist die verschwundene Emily, die Stephanie doch eigentlich nur um den Gefallen bat, kurz auf ihren Sohn aufzupassen? Natürlich fügen sich genretypisch die Puzzleteile nach und nach zusammen, im weiteren Verlauf ihrer privaten Ermittlungen macht Stephanie eine – ebenfalls wieder leicht überzogene – Entwicklung zur taffen, überlegen wirkenden Powerfrau durch, es gibt Liebschaften und Familiengeheimnisse, je weiter der Film voranschreitet, je mehr Wendungen folgen aufeinander. Alles ist ein Spiel. Und Paul Feig hat die Fäden fest im Griff.

Fazit:

Paul Feig entdeckt die Möglichkeiten der Filmsprache und findet zu einer überzeugenden Weiterentwicklung seines Stils. „Nur ein kleiner Gefallen“ ist vordergründig elegant, hintergründig bitterböse und bietet Blake Lively und Anna Kendrick eine stets ein Stück weit unwirklich wirkende Bühne für einen furiosen schauspielerischen Auftritt. Spannend ist das ganze immer wieder, überraschend sicher auch. Doch die wahre Qualität von „Nur ein kleiner Gefallen“ liegt in der (komischen) Inszenierung.

8/10

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