BG Kritik: „Halloween 7 – 20 Jahre später“ (Halloween H20)

12. September 2016, Christian Mester

Zwanzig Jahre ist es her, dass Laurie (Jamie Lee Curtis) ihrem Bruder Michael Myers knapp entkommen konnte. Seither unter einem anderen Namen lebend, sieht sich die Lehrerin eines Tages wieder dem Schrecken ihrer Vergangenheit gegenüber…

Regie: Steve Miner
Cast: Jamie Lee Curtis, LL Cool J

Kritik:
Nach dem nur mäßigen Anklang des fünften und sechsten Films hatten die Besitzer der Rechte um Michael Myers gewaltiges Glück, da Jamie Lee Curtis, die in den ersten beiden Filmen die Hauptrolle der Laurie gespielt hatte, Interesse an einer erneuten Zusammenarbeit bekundete. Regisseur John Carpenter sollte ebenfalls zurück kehren, doch da seine Gage mit 10 Millionen Dollar bereits mehr als die Hälfte des verfügbaren Budgets verschlungen hätte, entschied man sich stattdessen für Steve Miner, der mit Freitag der 13te 2 und 3 bereits seine Erfahrung in Sachen Slasher-Sequels hatte.

Es besteht wohl kein Zweifel daran, dass Halloween H20 der fraglos zweitbeste aller Teile ist. Er hat zwar seine Mängel, ist aber unübersehbar die qualitativ hochwertigste aller Fortsetzungen und war im Jahre 1998 nach zwei besonders enttäuschenden Versuchen eine willkommene Wohltat.

Der Siebte profitiert zunächst ungemein von der Tatsache, dass man mit Jamie Lee Curtis‘ Rückkehr nicht nur endlich an die Story des Originals anknöpfen konnte, sondern mit ihr eine wirklich hochkarätige Schauspielerin bekam. Ihre Darbietung als nervlich zerrissene Alkoholikerin mit Wahnvorstellungen stellt sämtliche Vorgänger in den Schatten und unterstreicht einmal mehr, wieso das Fehlen guter Darsteller die mittleren Teile schwächte, und generell in viel zu vielen Horrorfilmen oftmals negativ auffällt. In den Nebenrollen finden sich Michelle Williams (Brokeback Mountain), Josh Hartnett, Chicago Hope-Arzt Adam Arkin und Joseph Gordon-Levitt (G.I. Joe: Geheimauftrag Cobra), die zwar allesamt wenig zu tun kriegen, in ihren Rollen aber merklich über den Nullnummernebenrollen der vorherigen Teile stehen. Selbst die Besetzung von Rapper LL Cool J fällt nicht weiter ins Gewicht, da er als Wachmann nur kurz auftaucht und im Vergleich zu seinem Auftritt in Deep Blue Sea ausnahmsweise nicht herum blödelt.

Ebenso löblich: der neue Michael Myers-Darsteller Chris Durand. Durand schafft es erstmals wieder, Myers zu einer tatsächlich gruseligen Figur zu machen, die sich mit einer beunruhigenden, unmenschlich wirkenden Gelassenheit bewegt. Dass Myers wieder gruselig wird, ist aber auch vor allem der ausgesprochen gute Regie Steve Miners zu verdanken, der – wirft man einen Blick auf seine restlichen Arbeiten – sein ganzes Talent in diesem Film verbraucht zu haben scheint. Sämtliche Szenen mit Myers sind einfach fantastisch inszeniert, wobei in erster Linie der zweifache großartige Showdown zwischen ihm und Laurie grandios daher kommt. Mehrere spannende Szenen bringen zurück, was die Serie anfangs mal groß machte. Hier ist es auch kaum zu übersehen, dass H20 – der mehr als dreimal so teuer war wie sämtliche Vorgänger – in seiner Ausstattung merklich ansehnlicher ist.

Gekonnt untermalt wird das Ganze von einem Mix aus John Carpenters berühmter Theme, sowie Scores von Marco Beltrami (Scream) und John Ottman (Walküre).

Im siebten Teil einer lang laufenden Slasherserie darf man gewiss keine berauschenden Handlungsstränge mehr erwarten, doch die wenigen Änderungen, die es gibt, tun gut. So gibt es aufgrund Pleasence Todesfalls erstmals keinen verrückten Doktor mehr, der paranoid vom ewigen Bösen schwadroniert und anstatt schier willkürlich ausgesuchten Opfern hat man es hier nur noch mit direkten Bekannten Lauries zu tun.

Die Geschichte ist soweit gut und endet abschließend äußerst zufriedenstellend, allerdings bleiben diverse Ungereimtheiten, die vermeidbar gewesen wären. So ist Halloween H20 mit 85 Minuten Laufzeit zwar nicht wesentlich kürzer als seine Vorgänger, fühlt sich aber so an, da er sich mit vielen Dingen Zeit lässt. 15, 20 oder anderweitig erhöhte Laufminuten hätten ihm besser getan, so hätte man beispielsweise noch zeigen können wie die im Intro eingeführten Cops hinter Myers her ermitteln. So wirkt es etwas sehr geradlinig und kurz. Dem geneigten Slasherfan wird es missfallen, dass der Bodycount des Films bei gerade einmal sechs liegt (Jason X beispielsweise hatte in der Eröffnungsszene bereits mehr), aber dort findet sich das Motiv der Macher. Halloween 7 wollte kein weiterer, dummer Popcornmampfer der Marke „alles egal, hauptsache Kills“, er will ein ernstzunehmender Titel sein und angemessen in die Fußstapfen des Originals treten, was ihm gelingt. Dennoch wären ein paar mehr Auseinandersetzungen hier und da sicherlich nicht verkehrt gewesen.

Handwerklich gibt es einen starken Schnitzer, denn in einer Szene in einer Küche kommt es kurzweilig zu einem visuellen Faux Pas, denn in einer der ersten gedrehten FIlmszenen nutzte man anfänglich eine gänzlich andere Maske. Da diese beim Sichten des Filmmaterials nicht gut wirkte, tauschte man sie gegen eine wesentlich bessere aus… ohne die bereits gedrehten Szenen nachzudrehen. Stattdessen setzte man später kurzfristig einen Mediengestalter an besagte Momente, der Myers alte Maske mit der neuen übermalen sollte. So unkoscher wie man sich das vorstellt, sieht das Resultat leider auch aus. Es ist zu verschmerzen, da die Szene nur wenige Sekunden geht.

Was die Continuity betrifft, darf man eifrigst grübeln. Wer es ganz grob sieht, kann ihn durchaus als Fortsetzung des sechsten Teils sehen, allerdings wird kurz erwähnt, dass Michael seit 20 Jahren nicht mehr von sich hören lassen hat. Da Myers in den Teilen 4-6 ca. 50 Leute umbringt und das Haddonfielder Polizeipräsidium gleich zweimal komplett vernichtet wird, erscheint diese Perspektive seltsam. H20 lässt es nun so aussehen, als wäre Michael Myers nach seinem feurigen Niedergang am Ende des zweiten Films sang- und klanglos verschwunden, doch auch das wird negiert, da der hier herumlaufende Myers keinerlei Brandwunden aufweist* (und es unwahrscheinlich ist, dass er diese mit modernen Schönheitsoperationen entfernen lassen hat).

So gesehen steht einem frei, ob man Halloween 7 als Fortsetzung zu 1, 2, 4 oder 6 sieht, es lenkt nicht davon ab, dass es eine hervorragende Auferstehung einer Ikonenserie ist.

*Es begründet sich darin, dass die Macher erst planten, einen unbeteiligten Copykiller unter Michael Myers‘ Maske zu stecken. Da aber besonders Jamie Lee Curtis nichts von der Idee hielt, wurde sie später wieder verworfen.

Fazit:
Der beste Film seit dem klassischen Erstling, der stolz beweist, dass auch eingestaubte Horrorserien stilvoll und qualitativ wertig wiederbelebt werden können.

7 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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