BG Schocktober Kritik: „Der Re-Animator“ (Classics Kritik)

31. Oktober 2020, Christian Westhus

80er Horror-Kult mit Zombies, Gedärmen und einer Prise Lovecraft. Stuart Gordons „Re-Animator“ steht seit einer Weile endlich vernünftig in Deutschland zur Verfügung und ist fürs erprobte (und volljährige) Publikum noch immer eine Gaudi. Zum Schocktober-Abschluss unsere Klassiker-Kritik.

Der Re-Animator
(Originaltitel: Re-Animator | USA 1985)
Regie: Stuart Gordon
Darsteller: Jeffrey Combs, Bruce Abbot, Barbara Crampton u.a.
Deutschlandstart: 31. Oktober 1988 (zunächst nur auf VHS)

H.P. Lovecraft hat in der Literatur, aber auch bei Filmfans einen außerordentlich hohen Stand. Sein Werk ist zu einem Inbegriff des Horrors geworden, sein Spezialgebiet des existentialistischen kosmischen Horrors inzwischen untrennbar mit dem Namen Lovecraft verbunden. Dass der reale Autor ein nachweislich (Stichwort Katze) ekelhafter Mensch war, spielt oftmals (fast) keine Rolle. Trotz dieses riesigen Status lassen sich Lovecraft-Adaptionen in Film und Fernsehen an … nun ja, an nicht sonderlich vielen Händen abzählen. Berüchtigterweise scheiterte Guillermo del Toro vor ein paar Jahren mit einer aufwändigen, großen und komplexen Kino-Adaption von „At the Mountains of Madness“, obwohl er Tom Cruise als Star und James Cameron als Produzenten an Bord hatte. Irgendetwas hält die Verantwortlichen im Filmgeschäft davon ab, großspurigen Lovecraftian Horror anzugehen. Selbst die aktuelle Serie „Lovecraft Country“ nutzt das Werk und das mediale Verständnis zum Autor nur als einen von vielen Referenzpunkten.

Stuart Gordons von Brian Yuzna produzierter „Re-Animator“ ist womöglich noch immer die bis hierhin berühmteste Lovecraft-Adaption. U.a. mit „From Beyond“ und „Dagon“ sollte Gordon noch weitere Male zum Lovecraft-Werk zurückkehren. Dabei ist „Der Re-Animator“ nicht sonderlich nah am Text, „Herbert West, Re-Animator“ von 1922, schon alleine aufgrund des zeitlichen Settings. Auch mit dem komödiantischen Unterton gehen Gordon und Yuzna weiter als das literarische Vorbild. Nicht selten wird der Film in einem Atemzug mit Peter Jacksons „Braindead“ und Sam Raimis „Tanz der Teufel 2“ als eine der besten Horror-/Splatterkomödien überhaupt genannt, war in Deutschland logischerweise lange Zeit nicht ohne Umstände zu beziehen. (Das ist zum Glück vorbei.)

© Capelight

Eine Komödie ist „Re-Animator“ definitiv, zumindest teilweise. Dabei beginnt der Film, von einem schrillen Prolog in der Schweiz abgesehen, recht gemäßigt und ruhig, mit erstaunlich viel Geduld und Mühe für die Hauptfiguren und das halbseidene Drama. Wir folgen Musterstudent Dan Cain (Bruce Abbot), dem als Mediziner sämtliche Türen offenstehen, obwohl – oder gerade weil? – er eine semi-offizielle Beziehung mit Megan (Barbara Crampton) führt, der Tochter von Dekan Halsey. Dann kommt Dr. Herbert West an die Medizinuni, kommt mit Jeffrey Combs‘ einzigartig unverkennbarem Gesicht, legt sich tösend mit Dr. Hill an und nistet sich bei Dan als Untermieter ein. Nicht zuletzt durch seine Kontakte in der Schweiz und durch sein vermeintliches Genie, haha, hat West ein Serum entwickelt, mit dem Tote wieder lebendig werden. Es sei ein simpler biochemischer Prozess, erklärt West später. So ganz ausgefeilt ist das Serum allerdings noch nicht. Und es mangelt an, äh, Probanden. Da muss auch schon mal ein fremdes Haustier herhalten.

Die geduldige Erzählweise der ersten Hälfte ist wirklich erstaunlich, nur untergraben durch Combs‘ leicht überspitztes Auftreten und durch die sich langsam entwickelnde eigentliche Bedrohung der zweiten Hälfte. Denn West, so sehr er auch ein egomanischer Kotzbrocken ist, kann weder Held noch zentraler Widersacher sein. Der tatsächliche Widersache, der mit und durch Wests Serum aberwitzige, aber auch abscheuliche Taten vollbringt, ist natürlich insgeheim ein großer Hypnotiseur, der anderen Menschen seinen Willen aufzwingt. Logisch. Mit der Verwandlung einer zentralen Figuren kippt der Film und mutiert, trotz manch überraschend ernster und auch signifikanter Zwischentöne, zu einem grotesken und im Finale unbeschreiblich schrillen Untoten-Overkill. Es ist nicht ganz der Blut- und Gedärme-Rausch der Marke „Braindead“ und doch hat „Re-Animator“ einige zünftige und technisch noch immer beeindruckende Szenen parat, immerzu ironisch überspitzt oder komplett ins Absurde gedreht. Die Idee eines enthaupteten Untoten, der seinen kopflosen Körper aus der Ferne herumkommandiert, war so einprägsam, dass selbst ein Film wie „American Beauty“ knapp 20 Jahre später darauf Bezug nahm.

Fazit:
Für den abgehärteten Magen ein großer Spaß, der im Finale wirklich vom Leder lässt. Und dazwischen entwickelt sich eine Geschichte mit Figuren, die gelegentlich sogar wagen, etwas mehr als bloßer Behelf zu sein. Nicht wirklich „Lovecraftian“, aber fraglos ein sehenswerter 80er Kult-Splatter-Horror

7,5/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung