BG Kritik: „A Boy and his Dog“ (Treasure Monday)

1. Dezember 2014, Christian Westhus

Die postapokalyptische Zukunft des Jahres 2024: Der junge Vic (Don Johnson) zieht mit seinem telepathisch begabten Hund Blood durch die desolate Landschaft. Frauen sind so rar wie Nahrung, doch als Vic einer Frau folgt, gerät er in eine unterirdische Zivilisation, die einen ganz besonderen Nutzen in Vic sieht.

Der Junge und sein Hund
(Originaltitel: A Boy and his Dog | USA 1974)
Regie: L. Q. Jones
Darsteller: Don Johnson, Susanne Benton, Jason Robards
Erstveröffentlichung Deutschland: 1984 (Westdeutschland)

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday.)

Was Don Johnson so anstellte, bevor er mit „Miami Vice“ zum Star wurde. Seine Figur Vic, die durch ein zerstörtes Brachland wandert, hat mehr mit den „American Pie“ Jungs gemein als mit Mad Max. Basierend auf der Kurzgeschichtenreihe von Harlan Ellison, eine Kerninspiration für James Camerons „Terminator“, behandelt „Der Junge und sein Hund“ die Postapokalypse aus einem äußerst ungewöhnlichen Blickwinkel. Nahrung ist knapp; so ein Szenario kennen wir. Auch Vic und sein Hund Blood müssen sich anstrengen, um über die Runden zu kommen. Doch da die zerstörte und gesetzlose Welt von schießwütigen und hungernden Männern beherrscht wird, sind auch Frauen rar. Entsprechend ist der 18-jährige Vic nicht nur hungrig, sondern auch geil. Das geht soweit, dass er seinem Hund Sonderrationen anbietet, damit der Vierbeiner Frauen aufstöbert. Leichter gesagt, als getan. Vic wird fast wahnsinnig, weil’s ihm in der Hose juckt.

Auch Hund Blood ist so eine kuriose Erfindung des Films. Einen telepathischen Hund als Begleiter des menschlichen Helden bekommt man auch in verspielter Science-Fiction nicht alle Tage vorgesetzt. Und Blood hat einen ausgeprägten Charakter, ist mit Leib und Seele Misanthrop und begegnet Vics Ideen häufig sarkastisch spottend. Beide können jedoch voneinander profitieren und ja, ihre Beziehung scheint schon lange genug zu gehen, dass daraus eine Freundschaft geworden ist. Vic ist wahrscheinlich der einzige Mensch, der für Blood in irgendeiner Form erträglich ist. Und Vic wird bald auf eine Probe gestellt, wie es um die Bande zu Blood wirklich gestellt ist.

© Epix Media

Das klingt zunächst reichlich albern und sexistisch. Und zur Hälfte stimmt das auch. „Der Junge und sein Hund“ ist mit seinen absurden Ideen und dem parodistischen Ton fast eine Komödie. Und das geht so weiter, als Vic unter die Erde gelangt, in das erstaunlich weitläufige und auf den ersten Blick „normal“ wirkende Areal einer geheimen Gesellschaft. Die Bewohner dieser Welt scheinen Vic mit Kusshand nehmen zu wollen und kommen seiner Notgeilheit sehr entgegen, denn die abgeschottet lebende Gesellschaft ist von grassierendem Inzest bedroht. Vic soll mal für ein wenig Abwechslung sorgen. Doch seine Freude hält sich in Grenzen, als er sieht, wie das ablaufen soll. Und das ist der springende Punkt. „Der Junge und sein Hund“ nimmt die Perspektive eines notgeilen Teenagers in der zerstörten Welt nach dem 4. (!) Weltkrieg ein. Natürlich hat der Jungspund nur das Eine im Kopf und keine Hemmungen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Bei all dem bösen Witz und den kuriosen Einfällen entsteht so auch ein Blick auf eine führungslose Welt, in der Gewalt und Instinktbefriedigung herrschen.

Es ist eine böse Zukunftswelt, die gleichzeitig neu und vertraut wirkt. Unter der brachen, sandigen Oberfläche liegen Häuser, die Überreste der Zivilisation, die verschüttet wurde. Durch Dachfenster steigen Menschen bei der Suche nach Ressourcen in diese Häuser ein oder verstecken sich vor Angreifern. Don Johnson und sein vierbeiniger Begleiter sind nicht immer die sympathischsten, aber jederzeit faszinierende Figuren, denen wir folgen. Vic muss lernen, was ihm wichtiger ist, was er für seine niederen Instinkte bereit ist zu opfern. Es ist ein Film, der nicht immer rund läuft, der aber stets fasziniert, gerade weil er auch ungestüm wirkt, weil sein Humor auch mal etwas zu schwarz wird. Die eigenartig faszinierende und humorvoll böse Art des Films bringt die furchtbar böse, ja niederträchtige und doch – man mag es kaum sagen – enorm witzige Schlussszene auf den Punkt. So ist „Der Junge und sein Hund“ auch ein Film, über den man vortrefflich streiten kann. Nicht, weil er komplex ist, aber weil er sich weigert, simpel und einer Norm entsprechend zu sein.

Fazit:
Eigenwillige und ungewöhnliche postapokalyptische Science-Fiction mit einem kuriosen Duo und einer abwechslungsreichen, schwer einzuordnenden Prämisse. Nicht immer klar, nicht immer rund, aber faszinierend, wenn man mit dem eigenwilligen Humor klar kommt.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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